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Interview mit Felix Zulauf: "Aktien, Gold und der Immobilienmarkt"

19.12.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
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Rohstoff-Spiegel: Mittlerweile gibt es ja auch schon wieder die ersten Analysten und Ökonomen, die mit Angst auf eine mögliche Deflation in den USA hinweisen. Erscheint diese Angst angesichts der seit Jahren explodierenden Rohstoffpreise nicht sehr weit hergeholt?

F. Zulauf: Um diese Thematik näher zu behandeln, muss man zuerst einmal genau definieren, was man unter Inflation/Deflation versteht. Inflation ist langfristig gesehen ein klar monetäres Phänomen. Je mehr Geld man druckt, desto mehr verliert das Geld an Wert. Die statistischen Ämter und Notenbanken verstehen aber unter Inflation lediglich die Veränderung der Konsumentenpreise, nicht aber die Preisveränderung von beispielsweise Immobilien, Aktien oder Kunstobjekten.

Auch wenn es für manche anders aussieht, haben wir eine schleichende Inflation, die sich langfristig irgendwann deutlicher zeigen wird. Es gibt aber durchaus auch einen deflationären Trend durch die Globalisierung, vor allem die durch den Eintritt von China und Indien in die Marktwirtschaft geförderte internationale Arbeitsteilung. Dadurch können alle handelbaren Produkte und Dienstleistungen zu immer günstigeren Preisen produziert und verkauft werden. Wir sind somit mit laufend günstigeren Preisen bei diesen Produkten konfrontiert.

Wenn es keine Notenbanken gäbe oder wir noch einen Goldstandard hätten, dann wären wir global mit einer leichten, stetigen Deflation konfrontiert. Dies war auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fall. Damals gab es in den USA eine Deflation von ca. 1 % pro Jahr, denn zu dieser Zeit verursachte der Bau der Eisenbahn eine massive Ausweitung des Handels. Gleichzeitig herrschte während 30 Jahren ein wirtschaftlicher Boom.

Jetzt erleben wir den Eintritt der Hälfte der Menschheit (China, Indien) in den Welthandel, und die Notenbanken sind besessen davon, Deflation mit einem Kreditkollaps wie in den 1930er Jahren gleichzusetzen. Daher will man diese Entwicklung verhindern und sieht eine Inflation von 2% als geldwertstabil an. Dies wird durch eine großzügige Geldversorgung gewährleistet. Nach dem Bruch des Goldstandards bzw. des Bretton-Woods-Systems gibt es keinen Anker mehr im Geldsystem, und es wird somit so viel Geld in das System gepumpt, wie man möchte. Soweit die Ausgangslage. Daher werden die Währungen der Industriestaaten langfristig schwächer werden und die Inflation sowie Zinsen nach oben nachlaufen. Steigen werden somit auch Gold und andere Waren, welche in diesen Währungen ausgedrückt werden.

Die Konsequenz von dem oben gesagten ist, dass die Konsumentenpreise länger niedrig bleiben als sonst, die Zinsen länger niedrig bleiben und somit der Konjunkturzyklus verlängert und das Ausmaß des Preisanstiegs für diverse Vermögenswerte deutlich erhöht wird.


Rohstoff-Spiegel: Sie haben in der Barron’s Runde Anfang dieses Jahres darauf hingewiesen, dass dies das Jahrzehnt der Anlagen ist, welche mit China zusammenhängen. Speziell haben Sie dabei auf die Rohstoffe verwiesen und Öl sowie Edelmetall hervorgehoben. Warum glauben Sie, dass die Edelmetalle von einem Aufstieg des gelben Riesen speziell profitieren sollten?

F. Zulauf: Zum einen glaube ich, dass der Prozess des Aufstieges Chinas und Asiens zu einer wirtschaftlichen Macht sehr wichtig ist. Es ist nicht nur der Eintritt der beiden Volkswirtschaften, sondern der relativ schnell vonstattengehende Aufstieg. Man muss schließlich sehen, dass es sich hierbei um eine Industrialisierung von früheren Entwicklungsländern handelt und diese Entwicklung sich länger fortsetzt.

Es können aus diesem Grund all jene davon profitieren, die Dienstleistungen und Waren anbieten, die dort benötigt werden. Es werden Rohstoffe für die Infrastruktur, beispielsweise die Werkhallen und Industrieanlagen sowie entsprechende langfristige Kapitalgüter benötigt. Dort sehe ich die großen Profiteure, weil China ganz einfach darauf angewiesen ist.

Andererseits werden all jene, die mit China in Konkurrenzkampf stehen, verlieren! Das ist die Ausgangsbasis. Ich bin davon überzeugt, dass Geschäfte in China abzuwickeln nach wie vor recht kompliziert ist und es auch auf Grund der Rechtslage die wesentlich sinnvollere Alternative ist, China einfach das zu verkaufen, was sie benötigen.

Zweitens gibt es in China noch kein entwickeltes Bankensystem nach unserem Zuschnitt. Es gibt hunderte Millionen Chinesen, die noch nicht über ein Bankkonto verfügen und auch in Indien ist es so. Des Weiteren muss man die hohe Analphabetenrate bedenken. Auf Grund dieser Faktoren findet das Sparen in diesen Ländern noch vorwiegend in Form von Gold-schmuck bzw. anderen Edelmetallen statt.

Mit zunehmenden Wohlstand und Reichtum wird die Nachfrage also stetig zunehmen, das Angebot ist jedoch relativ schwer zu erhöhen. Wir haben doch fast 20 Jahre mit sehr gedrückten Rohstoffpreisen von 1980 bis 2000 erlebt, in denen relativ wenig investiert wurde, nachdem viele noch Anfang der 1980er massiv investiert haben und damit keinen Ertrag erzielen konnten. Die Produktion wird auch zukünftig noch weiter hinterherhinken. Dasselbe gilt auch für Ölplattformen. Es dauert viele Jahre, sie aufzubauen und die Kosten dafür steigen zunehmend. Es kommt immer öfter zu Kostenexplosionen bei den Budgets der Minengesellschaften. Somit sind viele Rohstoffproduzenten aktuell gezwungen, neue Anlagen zu verzögern, um die Kosten unter Kontrolle zu bekommen.

Diese Entwicklung gilt auch für Gold! Gold ist ein sicherer Geldwert und hat seit tausenden von Jahren sowohl Inflation, Deflation, Währungsreformen als auch Krieg unbeschadet überstanden. Daher ist es wichtig in einer Welt wie heute, in der die Kreditausmaße in Relation zur Wirtschaftsleistung ein noch nie da gewesenes Niveau erreichen, einen Teil seines Vermögens in Gold zu investieren. Wenn etwas schief gehen sollte, hat man immer noch seine eiserne Reserve!


Rohstoff-Spiegel: Sie sind in den vergangenen Jahren durch ihre positiven Aus-sichten für den Ölsektor aufgefallen. Nachdem wir dieses Jahr einen mittelschweren Einbruch beim Ölpreis gesehen haben und die Gefahr einer Rezession in den USA in der Luft liegt – wie sehen Sie die Aussichten für das schwarze Gold im nächsten Jahr? Bis wohin kann Öl langfristig laufen? Können Sie sich Kurse über 100 USD oder gar 200 USD in den nächsten 5 bis 10 Jahren vorstellen?

F. Zulauf: Es gibt eine Theorie („Peak Oil“), nach der man, sobald man 50 % des Inhaltes eines Ölfeldes gefördert hat, den Output nicht mehr erhöhen kann. Wenn man dies nun aggregiert auf die Weltförderung anwendet, dann sollten wir Probleme bekommen, sobald 50 % der Weltvorkommen gefördert sind.

Soweit man weiß, befinden wir uns aktuell in der Nähe dieses Punktes. Von 1859, als Rockefeller das Öl entdeckte, wurden bis 1980 in etwa 25 % der Weltvorkommen gefördert. Bis heute noch einmal ein Viertel. Es wird also in Zukunft immer schwieriger mehr zu fördern. Man kann zwar kleine Felder in der Nähe von großen eröffnen, dies ist jedoch sehr teuer.

Als Folge dessen wird sich das Angebot in den nächsten Jahren nur sehr bescheiden erhöhen lassen und auf der anderen Seite die Nachfrage jährlich um etwa 2% wachsen. Dieses Nachfragewachstum wird überwiegend von den Schwellen- und Entwicklungsländern verursacht und wird mit deren Grad der Industrialisierung weiter zunehmen. Dies ist der Punkt, an dem das hohe Wachstum aus China, Indien und Lateinamerika den Preis nach oben stoßen wird.

Ich habe vor einigen Jahren, als Öl bei 20 USD notierte, prognostiziert, dass es auf 60 USD in zwei Jahren und auf 100 USD bis Ende des Jahrzehntes klettern wird. Wir haben diesen Sommer bei 78 USD den Höchststand verzeichnet. Auf Grund der vorher geschilderten Wachstumsverlangsamung gehe ich von einer Konsolidierungsphase des Ölpreises im Bereich von 50-70 USD aus. Durch leicht abnehmendes Wachstum und zurückgehende Spekulation sollte sich dieses Band bis zur nächsten Phase der konjunkturellen Beschleunigung halten können.

Wenn die Wirtschaft 2008/09 wieder Fahrt aufnimmt, rechne ich meinem Szenario nach mit einem Überschreiten des alten Höchststandes von 78 USD und kann mir gut einen Preis auf 100 USD oder darüber vorstellen. Wesentlich darüber wird er meiner Meinung nach jedoch erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehntes notieren. Dies wäre eine gute Entwicklung, weil dann alternative Energieformen endlich konkurrenzfähig würden. Bis dahin wird es jedoch noch eine ganz Reihe von Krisen geben.



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