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Interview mit Ronald Stöferle: Gezeitenwende in der Finanzwelt und die drohende Rezession (Teil 1/2)

26.06.2018  |  Chris Martenson
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Die Inflation ist bei unseren Anlageentscheidungen übrigens ein ganz zentrales Thema. Wir berechnen unser eigenes Inflationssignal, denn der Verbraucherpreisindex und andere Regierungsstatistiken sind unserer Meinung nach nutzlos. Sie sind äußerst subjektiv, hinken hinter der tatsächlichen Entwicklung hinterher und die Berechnungsmethoden wurden seit den 1980er Jahren dutzende Male geändert. Wir sind uns also einig, dass die Preisinflation in Wirklichkeit viel höher ist als die 1,5% oder 2,0%, die die Zentralbanken anstreben.

Ich glaube, dass es wichtig ist, den Begriff "Inflation" auch noch einmal aus linguistischer Sicht zu klären. In der Österreichischen Wirtschaftstheorie versteht man darunter die Ausweitung der Geldmenge, während die Preisinflation, d. h. der kontinuierliche Anstieg des Preisniveaus, nur die Folge dessen ist. Der erste Schritt ist also, wie Murray Rothbard es ausdrückte, die monetäre Inflation der Währung, dann folgt die Inflation der Assetpreise und erst dann erleben wir einen Anstieg der Verbraucherpreise.

Derzeit können wir beobachten, dass der Inflationsdruck weltweit zunimmt. Die Ölpreise steigen, aber dennoch ist seltsamerweise niemand bullisch in Bezug auf Öl. Wir gehören zu den wenigen, die den Ölsektor in den letzten Jahren optimistisch eingeschätzt haben. Die Lohninflation wird allmählich ebenfalls zum Problem. Zu diesem Thema gab es auch eine großartige Studie von Eric Cinnamond, der die Quartalsergebnisse von tausenden Unternehmen in den USA ausgewertet und anschließend dutzende Beispiele für steigende Kosten aufgelistet hat.

Viele Geschäftsführer in den USA sind offenbar sehr besorgt über die Lohninflation und massiv steigende Produktionskosten. Doch die Zentralbanker sehen das interessanterweise ganz anders - sie wollen mehr Inflation. Sie versichern natürlich, dass sie ein kurzfristiges Hinausschießen der Inflationsrate über ihr Ziel - sagen wir einen Anstieg auf 3% oder 4% - akzeptieren können, aber dass sie die Preissteigerungen langfristig unter Kontrolle halten werden. Doch so einfach funktioniert das nicht. Das System ist zu komplex. Man kann nicht alle Marktteilnehmer, alle Menschen in ein einziges großes Finanzmodell pressen.

Aus diesem Grund denke ich, dass die Inflation weit über das Ziel der Zentralbanker hinausschießen wird. Bei unseren Recherchen haben wir herausgefunden, dass die Entwicklung der Realzinsen zu den wichtigsten Preisfaktoren für Gold zählt. Und angesichts der Inflation und der anderen Probleme, die wir weltweit haben, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass die Realzinsen signifikant ansteigen werden.


Chris Martenson: Dieser Analyse kann ich mich anschließen. Wir haben vorhin kurz die marktübergreifende Superblase angesprochen, die "Everything Bubble". Diese betrifft allerdings nicht wirklich alle Vermögenswerte, sondern vor allem Aktien, Anleihen und Immobilien. Die Spekulationsblasen an diesen Märkten sind natürlich gigantisch. In Europa lagen z. B. die Renditen für Schrottanleihen vor nur sechs Monaten bei weniger als 2%. Auf viele Marktteilnehmer kommen also offensichtlich massive Verluste zu.

Aber vielleicht können Sie mir helfen, eine Sache zu verstehen. 2011 wurde die dritte Runde der quantitativen Lockerungen (QE3) beschlossen, das größte Gelddruck-Experiment der Geschichte. 85 Milliarden Dollar im Monat. Aber nur wenige Wochen später begannen Gold und die anderen Rohstoffe einen langanhaltenden Abwärtstrend, der, vorsichtig ausgedrückt, sehr kontraintuitiv war. Haben Sie eine Erklärung dafür und würden Sie zustimmen, dass die "Everything Bubble" eine Anmerkung braucht, weil die Rohstoffmärkte bislang noch nicht Teil dieser Blase sind?


Ronald Stöferle: Definitiv. Die Rohstoffe und vor allem Gold sind wahrscheinlich die Anti-Blase. Was QE3 betrifft sprechen Sie einen sehr interessanten Punkt an. Es ist schwer, einen einzelnen Grund zu finden, der ausreichend erklärt, warum der Goldkurs kaum auf QE3 reagierte, aber man darf auch nicht vergessen, dass der Preis zuvor innerhalb weniger Jahre von 200 Dollar auf 1.900 Dollar gestiegen war. Das war eine enorme Aufwärtsbewegung und natürlich bestand damals Raum für eine gewisse Konsolidierung. Allerdings hätte wohl kaum jemand erwartet, dass diese so dramatisch ausfallen würde.

Viele Anleger schieben das immer wieder auf die bösen Manipulatoren usw. Natürlich gibt es am Goldmarkt Manipulationen, aber die gibt es an jedem Markt, z.B. auch am Ölmarkt. Schließlich manipulieren die Zentralbanken die Zinssätze! Das ist definitiv die größte Marktmanipulation überhaupt und abgesehen von einer Handvoll Analysten diskutiert darüber kaum jemand.

Wenn wir den Goldpreis also längerfristig betrachten, stellen wir immer noch einen starken Anstieg fest. Im letzten Jahr hat der Preis in US-Dollar 14% zugelegt und in diesem Jahr ist er in den meisten wichtigen Währungen bislang ebenfalls gestiegen. In den Währungen vieler Schwellenländer verzeichnet der Kurs neue Rekordwerte. Schauen Sie sich nur den Goldpreis in türkischen Lira an. Für die türkischen Anleger ist Gold derzeit die perfekte Absicherung gegen Währungsrisiken.

Es ist übrigens genau diese Art der Abweichung zwischen der Stimmung und den tatsächlichen Signalen am Markt, die uns so zuversichtlich macht. Während die Marktteilnehmer größtenteils glauben, dass der Goldkurs völlig tot ist, deuten die Signale auf den Beginn einer neuen Hausse hin. Angesichts der Positionierung der Marktteilnehmer und des Sentiments würde ich sagen, dass Gold derzeit ein vielversprechendes konträres Investment darstellt.

Lesen Sie weiter: Teil 2 ...

© Chris Martenson
Peak Prosperity



Der Artikel wurde am 12. Juni 2018 auf www.peakprosperity veröffentlicht und in Auszügen exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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