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Interview mit Ronald Stöferle: Gezeitenwende in der Finanzwelt und die drohende Rezession (Teil 2/2)

28.06.2018  |  Chris Martenson
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Wo kommen nun die Ströme her, die Sie angesprochen haben? Natürlich von den Goldmärkten des Westens. Ich kenne die Zahlen aus den Schweizer Scheideanstalten und ich weiß, dass große Mengen Gold durch London und die Schweiz fließen, letzten Endes aber hauptsächlich in China landen. Wie lange kann das noch so weitergehen? Ich weiß es nicht. Vielleicht wird eines Tages im Westen nicht mehr genügend Gold verfügbar sein.

Der übergreifende Trend, den wir auch in unserem Bericht aufgreifen, ist meiner Ansicht nach die De-Dollarisierung. Die ganze Welt versucht, Alternativen zum Dollar zu finden und ihre Vermögenswerte zu diversifizieren. Früher oder später wird diese Entwicklung zu einem multipolaren Währungssystem führen. Das wird ein langwieriger Prozess sein, aber die Einführung der Öl-Futures in Shanghai in diesem Jahr war wahrscheinlich ein wichtiger Schritt. Die Handelsvolumen in Shanghai sind enorm. Damit hätte niemand gerechnet. Für den US-Dollar ist das ein weiterer Sargnagel.

All die Staaten, die sich verstärkt bemühen den Dollar bei ihren internationalen Handelsgeschäften zu umgehen, besitzen natürlich große Goldreserven. Ich denke daher, dass es während der nächsten Krise zu einer gewissen Neubewertung von Gold kommen könnte. Auch das ist ein Konzept, das wir in unserem Bericht ausführlich diskutieren.


Chris Martenson: Ja, ich besitze Gold auch in erster Linie als monetäres Asset und als Absicherung gegen den Unfug, der mit unseren Währungen getrieben wird. Die monetäre Landschaft der Welt ist wirklich surreal, wie Sie gesagt haben.

Noch vor zehn Jahren hätte ich nie geglaubt, dass wir uns jemals in einer Situation wie der heutigen befinden würden, in der die Zentralbanken permanent in die Märkte eingreifen und ohne Unterlass Geld drucken, ohne dass ernsthaft diskutiert wird, welche Risiken das mit sich bringt. In meinen Augen kann dieses Experiment nur auf zwei Arten ausgehen: Entweder, die Zentralbanken sind erfolgreich, oder sie scheitern auf spektakuläre Weise. Etwas dazwischen kann ich mir kaum vorstellen.

Danke, dass Sie die zweite wichtige Schlussfolgerung aus Ihren Recherchen mit angesprochen haben: die Verschiebungen in der Struktur des globalen Währungssystems. Oder einfacher ausgedrückt: Viele Länder haben es satt, dass die Vereinigten Staaten anderen ihren wirtschaftlichen Willen aufdrücken, willkürlich Sanktionen erlassen und bestimmte Banken und andere Institutionen aus dem Finanzsystem ausschließen. Viele Personen und ganze Staaten suchen daher nach Alternativen.

Das bringt uns auch gleich zum dritten zentralen Punkt, der Gezeitenwende in der Technologie. Sie merken an, dass die Kryptowährungen wahrscheinlich auch in Zukunft eine Rolle spielen werden. Dabei stellen Sie eine Verbindung zum Goldmarkt her, indem Sie sagen, dass Gold und die Kryptowährungen in Wirklichkeit Freunde sind, nicht die Feinde, als die sie oft dargestellt werden. Vielleicht können Sie auf diesen Punkt noch etwas genauer eingehen.


Ronald Stöferle: Wissen Sie, es ist wie überall, wo Wettbewerb herrscht. Wettbewerb macht die Marktteilnehmer meiner Meinung nach stärker und widerstandsfähiger und deswegen denke ich, dass Wettbewerb auch an den Währungsmärkten etwas Positives ist. Das hat Friedrich von Hayek schon vor Jahrzehnten geschrieben. Ich finde es großartig, dass all diese neuen, digitalen Währungen entstehen. Wir wissen alle, dass 90% oder mehr von ihnen Müll sind und in wenigen Jahren nicht mehr existieren werden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass einige überleben und die Finanzwelt wahrscheinlich grundlegend umgestalten werden.

Aus philosophischer Sicht ist es hervorragend, dass die Leute wieder über Geld reden, und dass junge Menschen nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch persönlich über Bitcoin diskutieren und sich die Frage stellen, ob Bitcoin als Geld besser geeignet ist als beispielsweise der Dollar, der Euro oder Gold. Sie befassen sich plötzlich mit Währungsgeschichte. Schon allein deswegen ist das meiner Ansicht nach eine positive Entwicklung. Allerdings betrachten viele Vertreter der Goldindustrie die Kryptowährungen als Feind des Edelmetalls.

Ich denke, dass beide durchaus auch gut zusammenarbeiten könnten. Es gibt bereits eine ganze Reihe fantastischer Projekte, die versuchen physisches Gold - die älteste Währung der Welt - mit der neuen Technologie zu verknüpfen. Ich bin mir nicht sicher, ob die jüngere Generation, die Millennials, tatsächlich auf eine Bank oder zu einem Münzhändler gehen und eine physische Goldmünze kaufen würde. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie an digitalem Geld interessiert wäre, welches durch physisches Gold gedeckt ist, das wiederum in einem Tresor in Singapur, Dubai oder der Schweiz lagert.

Ich denke also, dass diese Herausforderung, vor der wir hier stehen, etwas Positives ist. Es gibt viele erfinderische Unternehmer, viele schlaue Köpfe, die Tag und Nacht daran arbeiten, immer bessere Lösungen zu entwickeln. Das stimmt mich optimistisch.

Davon abgesehen sollten wir nicht vergessen, dass es sich auch auf die Futures-Märkte auswirken könnte, falls die physische Nachfrage von Plattformen dieser Art in Zukunft stark wächst. Wir wissen alle, dass derzeit Papiergold im Wert von rund 240 Milliarden Dollar gehandelt wird. Doch wenn im Zuge der Revolution im Kryptosektor auch die physische Nachfrage zunimmt, könnte das einige Veränderungen am Markt auslösen. Vielleicht bin ich in Bezug auf diesen Aspekt des Goldmarktes zu optimistisch, aber ich sehe, dass sich hier etwas tut. Natürlich wird es auch Rückschläge geben, aber im Großen und Ganzen betrachte ich es als positive Entwicklung für den Goldmarkt.



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