"Not A Bear Among Them"
22.02.2007 | Claus Vogt
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Die bunte Welt der WirtschaftsindikatorenBekanntlich gibt es zahlreiche Kennzahlen, die uns einen Einblick in den Verlauf der Wirtschaft geben sollen. Dabei werden nachlaufende, gleichlaufende und vorlaufende Indikatoren unterschieden. Nachlaufende Indikatoren sind beispielsweise Arbeitsmarktstatistiken. Sie erlauben uns keinen Blick in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit, denn der Arbeitsmarkt reagiert sehr träge auf wirtschaftliche Veränderungen. Gleichlaufende Indikatoren wie das Bruttosozialprodukt erlauben ebenfalls keinen Blick in die Zukunft. Sie dienen der Überprüfung anderer Zeitreihen und beleuchten einen bestimmten Teilaspekt der Wirtschaft. Lediglich die Frühindikatoren - beispielsweise die Zinsstrukturkurve - ermöglichen eine Aussage über die Zukunft.
Sie deuten die Wende des Konjunkturzyklus’ frühzeitig an. Deshalb verdienen sie eigentlich eine sehr hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Dennoch fristen sie regelmäßig ein erstaunliches Schattendasein.
Index of Leading Economic Indicators (LEI), 1965 bis 2007. Quelle: Paul L. Kasriel, Northern Trust
Die Balken stellen die jährliche prozentuale Veränderung des realen US-Bruttoinlandsprodukts dar;
die Linie die jährliche prozentuale Veränderung des LEI, und zwar um ein Quartal in die Zukunft verschoben.
Index der US-Frühindikatoren bestätigt Rezessionsprognose
In den USA veröffentlicht das Conference Board seinen Index der Frühindikatoren. Er besteht aus folgenden zehn Komponenten: Baugenehmigungen, Erstanmeldungen zur Arbeitslosenversicherung, reales Geldmengenwachstum, Aktienkurse, Aufträge des verarbeitenden Gewerbes, Entwicklung des Großhandels, Zinsstrukturkurve, Verbrauchererwartungen, Arbeitszeit im verarbeitenden Gewerbe und Auftragseingänge des verarbeitenden Gewerbes.
Dieser Index der US-Frühindikatoren ist im Jahresvergleich sowohl im November als auch im Dezember gefallen. Zweimal in Folge ist dieser wichtige Indikator nicht mehr gefallen seit der von negativen Ergebnissen geprägten Zeit von November 2000 bis November 2001. Damit signalisiert der Index der US-Frühindikatoren jetzt ebenfalls eine deutliche Rezessionsgefahr.
US-Berichtssaison gibt ebenfalls Signale einer Trendwende
Besonders interessant sind die Kommentare des Vorstandsvorsitzenden von Arkansas Best Corp., einer großen US-Spedition: "Oktober und November sind traditionell sehr starke Monate für unsere Branche. Wir - und die gesamte Branche - erlebten in den beiden Monaten des Jahres 2006 aber einen plötzlichen und dramatischen Rückgang des Geschäftsverlaufs. (...) Die Situation
ähnelt der des Jahres 2001."
Zahlreiche Unternehmen aus der sehr zyklischen Technologiebranche haben ebenfalls enttäuschende Berichte veröffentlicht. Allerdings versuchen die meisten Manager dieses Sektors - wie üblich - die Dinge schön zu reden und einen baldigen Umschwung zum Besseren zu prognostizieren. In den Baisse-Jahren 2000 bis 2003 waren die Meldungen aus dieser Quelle auch stets optimistisch. Da die Aktienverkäufe der Insider in den vergangenen Monaten extrem angestiegen sind, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nicht immer die ganze Wahrheit ausgesprochen wird.
Philadelphia Housing Sector Index, 2003 bis 2007. Quelle: Bloomberg
Die Kurse sind im Rahmen einer ausgeprägten Bearmarketrallye bis an die Untergrenze der großen Topformation gestiegen und
die 200-Tage-Durchschnittlinie fällt. Diese Kombination ist aus charttechnischer Sicht ein perfekter Verkaufspunkt.
Neues von der US-Immobilienblase
Die längst im Abschwung begriffene Hausbauindustrie kann das Licht am Ende des Tunnels nicht erkennen - im Unterschied zu zahlreichen Wall Street Analysten und anderen Cheerleadern, darunter Alan Greenspan, der ehemalige US-Notenbankpräsident und geldpolitische Vater der Immobilienblase.
Die aus der Hausbauindustrie kommenden Meldungen unterstützen diese hoffnungsvolle Lageeinschätzung ohne Wenn und Aber. Mit Lennar, KB Home und Centex haben in den vergangenen drei Wochen gleich drei Branchenriesen von einem weiterhin sehr schlechten Geschäftsverlauf berichtet. Stuart Miller, der Vorstandsvorsitzende von Lennar Corp., fasste die Situation folgendermaßen zusammen: "Die Marktlage hat sich während des 4. Quartals weiter verschlechtert, und wir sehen noch immer keine Anzeichen einer Erholung."
Aus charttechnischer Sicht stellt sich die allgemeine Börsenrallye der vergangenen sechs Monate im Index der Hausbauaktien als ausgeprägte Bearmarketrallye dar. Die Kurse sind an die Untergrenze der großen Topformation herangelaufen, und die 200-Tage-Durchschnittlinie fällt. Die übliche charttechnische Interpretation spricht für einen baldigen Beginn der nächsten großen Abwärtswelle.
Aus dem Bereich der Hypothekenfinanzierer kommen jetzt ebenfalls die ersten Krisenmeldungen. Einige kleinere Unternehmen, die auf das Segment der schlechten Schuldner spezialisiert waren, mussten ihren Geschäftsbetrieb bereits einstellen. Dieser sogenannte "subprime"-Sektor erlebte im Lauf der Blase ein dramatisches Wachstum. Die bisherigen Pleiten sind sicherlich erst die Spitze eines großen Eisbergs.
Und mit Triad Guaranty hat auch ein Hypothekenkreditversicherer einen drastischen Gewinneinbruch gemeldet. Diese Branche war überaus wichtig, um die Immobilienblase am Laufen zu halten.
Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer
Vor allem in den USA, aber auch in anderen Teilen der Welt, wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer. Die kleine Zahl der Superreichen vereinigt heute einen sehr viel größeren Anteil des Gesamtvermögens auf sich als noch vor wenigen Jahren. Das ist für sich betrachtet noch nicht weiter schlimm - solange hinter diesem Vermögenszuwachs eine unternehmerische Leistung steht. Aber genau dieser Punkt wird in inflationären Zeiten mehr und mehr ausgehebelt. Der Zusammenhang zwischen Leistung und Entlohnung wird durch die staatliche Geldvermehrung (die Geldmenge M3 wuchs im Dezember in Euroland um annualisiert fast 10 %!) immer zufälliger.
Wie wollen Sie Ihrem Kind oder Enkel erklären, dass gespart werden muss? Genau genommen hat der Staat durch seine inflationäre Politik dafür gesorgt, dass Sie Ihrem Nachwuchs nur erklären können, dass er der Dumme ist, wenn er spart, da er als Sparer nach Steuern und Inflation Geld verliert. Ist es da verwunderlich, dass in den USA die Sparquote negativ geworden ist?
Inflation führt zu einer Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Während hyperinflationärer Phasen - wie beispielsweise in Deutschland Anfang der 20er oder aktuell in Simbabwe - verläuft dieser Prozess rasend schnell, bei relativ moderaten Inflationsraten hingegen sehr langsam. Warum?
Das neu kreierte Geld, hinter dem ja keinerlei reale Güter stehen, muss immer an irgendeiner Stelle in den Wirtschaftskreislauf eingeschleust werden. Irgendjemand ist also der Erste, der das neue Geld hat und ausgeben kann. Er hat einen unschätzbaren Vorteil, denn an den Märkten kann er zu alten Preisen kaufen, weil die Preisanhebungen nur langsam vorgenommen werden. Derjenige, bei dem das neue Geld als letztes ankommt, sieht sich allerdings bereits mit dem erhöhten Preisniveau konfrontiert. Er ist der Inflationsverlierer.
Wenn Inflation sich in Form von Spekulationsblasen zeigt, ist der Effekt ganz ähnlich. Das neue Geld sorgt für steigende Preise von Vermögenswerten wie Aktien oder Immobilien. Wer von beidem reichlich hat, sieht sein Vermögen deutlich steigen. Wer hingegen nichts von beidem hat, kann dem zunehmenden Reichtum der Habenden nichts entgegensetzen. Sein Rückstand wird immer größer, die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter.