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"Not A Bear Among Them"

22.02.2007  |  Claus Vogt
- Seite 3 -
"Bisher ging alles gut, also wirs in Zukunftalle gut gehen."

Die US-Immobilienblase hat ihren Höhepunkt mittlerweile überschritten, die heiße Luft beginnt langsam zu entweichen. Zurzeit scheint sich mehrheitlich die Meinung durchgesetzt zu haben, dass daraus keine größeren wirtschaftlichen Probleme entstehen werden. Ernst zu nehmende Begründungen dieser These werden allerdings nicht geliefert. Stattdessen liest man von Bullenseite immer wieder folgendes Argument: Bisher ist nichts Schlimmes passiert; die Mahner hatten bislang unrecht; also wird auch in Zukunft nichts Schlimmes passieren. Die Qualität dieses Gedankengangs macht einen Kommentar meinerseits überflüssig.

Stattdessen schildere ich Ihnen kurz den Effekt, den die Immobilienblase während ihres Entstehens auf die Wirtschaft hatte. Dann können Sie selbst entscheiden, ob das Platzen der Blase tatsächlich harmlos verlaufen wird.


Der Gesamtwirtschaftliche Effekt derUS-Immobilienblase

Wenn die Preise von Vermögenswerten steigen, dann hat das einen positiven Effekt auf das Konsumverhalten und einen negativen Effekt auf die Sparquote. Denn wer sein Aktienportfolio oder seine Immobilie im Wert steigen sieht, neigt verständlicherweise dazu, weniger zu sparen. Diesen Zusammenhang bezeichnen Ökonomen als den Wohlstandseffekt.

Dabei gibt es allerdings einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den beiden Anlageklassen Aktien und Immobilien: Preissteigerungen von Immobilien bewirken einen mehr als doppelt so starken Wohlstandseffekt als Kursgewinne am Aktienmarkt.

Amerikanischen Ökonomen zufolge sollen bei Immobilien von 100 $ Preissteigerung 9 $ in den Konsum fließen, bei Aktien hingegen nur 4 $. Rund 70% der amerikanischen Haushalte besitzen die Immobilie, in der sie wohnen. Aktionäre sind allerdings nur 50%. Und verglichen mit dem Wert der Immobilie ist das durchschnittliche Aktiendepot relativ bescheiden.

Daran können Sie ermessen, wie groß der Einfluss des Immobilienmarkts auf das Konsumverhalten der Amerikaner in den vergangenen Jahren gewesen ist. Hunderte von Milliarden Dollar fanden über den Wohlstandseffekt ihren Weg in den Konsum und machten den Aufschwung der vergangenen Jahre erst möglich.

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US-Mortgage Equity Withdrawel (MEW), 1991 bi 2006. Quelle: John Mauldin
Die Balken zeigen die absoluten Dollarbeträge pro Quartal, die dank der Immobilienblase per Hypothekenkredit aufgenommen wurden.
Etwa die Hälfte davon floss in den Konsum.
Die durchgezogene Linie stellt diese Beträge als Prozentsatz des verfügbaren Einkommens dar.


Preissteigerungen bei Immobilienwurden gleich versilbert

Dieser Wohlstandseffekt ist jedoch nicht der wichtigste Effekt. Viel bedeutender ist die sogenannte "Mortgage Equity Withdrawal" (MEW), ein Begriff der sich wohl kaum ins Deutsche übersetzen lässt. In den USA ist es möglich - und weit verbreitete Praxis -, die Preissteigerungen bei Immobilien zu versilbern. Dazu werden die bestehenden Hypotheken umgeschuldet und bei der Gelegenheit gleich an den gestiegenen Preis der Immobilien angepasst, also erhöht. Die den ursprünglichen Betrag der Hypothek übersteigende Summe - oder Teile davon - werden ausgezahlt. Und in Zeiten deutlich fallender Zinsen führt diese Umschuldung zusätzlich zu einer Verringerung der monatlich zu zahlenden Hypothekenzinsen. Auf diese Weise wurde in den vergangenen Jahren in großem Stil von den drastischen Zinssenkungen der Notenbank profitiert. Die Immobilienpreisinflation wurde versilbert und in den Konsum gepumpt.


Hunderte von Millionen flossen in den Konsum

Der Effekt dieser für deutsche Verhältnisse sicherlich sehr exotischen und natürlich hoch riskanten Vorgehensweise war in den vergangenen Jahren gewaltig. Interessanterweise hat kein Geringerer als Alan Greenspan, der geldpolitische Vater der USImmobilienblase, in den letzten Tagen seiner Amtszeit als Notenbankpräsident eine Studie publiziert, die sich ausführlich mit diesem Effekt befasst.

Während der 90er-Jahre wurden per "MEW" durchschnittlich rund 25 Mrd. $ pro Quartal "locker gemacht". Das entsprach etwa 1% des verfügbaren Einkommens. Ende der 90er führten die bereits steigenden Immobilienpreise zu einer Zunahme dieser Aktivitäten. Aber erst ab 2002, als die Zinsen auf ein Niveau gesenkt wurden, das es seit den 60er-Jahren nicht mehr gegeben hatte, begannen die Exzesse. "MEW" stieg auf 150 Mrd. $ pro Quartal oder 6% des verfügbaren Einkommens. In 2004 und 2005 wurden Werte von mehr als 200 Mrd. $ erreicht. In der Spitze entsprach diese Quote mehr als 10% des verfügbaren Einkommens. Das sind Größenordnungen, die auch für die USVolkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von 12,3 Billionen Dollar äußerst signifikant sind.

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Jährliches US-Wirtschaftswachstum mit und ohne den Effekt der Immobilienblase, 1996 bis 2006. Quelle: John Mauldin
Die hellen Balken stellen das offizielle Wirtschaftswachstum dar, die dunklen Balken bereinigen diese Zahl
um die in den Konsum geflossenen Hypothekenkredite. Der Effekt der Immobilienblase auf die US-Wirtschaft war
auf dem Weg nach oben offensichtlich sehr stark. Wie wird es auf dem Weg nach unten sein?


Der Effekt auf das Wirtschaftswachstum war gewaltig

Wie groß war der Einfluss dieses, sagen wir, eher ungewöhnlichen Geldsegens auf die US-Wirtschaft? Der US-Stratege Barry Ritholtz hat eine Studie vorgelegt, in der er dieser Frage nachgegangen ist. Er kommt zu dem in der nebenstehenden Grafik gezeigten Ergebnis, dass die US-Wirtschaft in den Jahren 2001 und 2002 leicht geschrumpft und in den Jahren 2004 bis 2006 mit einem rund 1%-igen Wachstum nahezu stagniert wäre.

Dabei hat er für seine Berechnungen die oben erwähnte Greenspan-Studie sowie Daten der US-Notenbank verwendet. Der Greenspan-Studie folgend unterstellt er dabei, dass die Hälfte der "MEW"-Gelder in den Konsum geflossen ist, eine eher konservative Annahme.

Wie Sie sehen, war der Effekt der Immobilienblase auf das amerikanische Wirtschaftswachstum gewaltig. Ohne die Immobilienblase wäre die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren kaum gewachsen! Muss man in Kenntnis dieser Tatsachen nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen, dass die US-Wirtschaft auf tönernen Füßen steht und in den kommenden Jahren den Preis für die Exzesse der vergangenen wird zahlen müssen?


© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank



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