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Interview mit Folker Hellmeyer: "Edelmetalle in jedes Depot!"

20.02.2007  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
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V.R.: Werfen wir noch eine Blick auf Europa. Nachdem in Deutschland nun nach Jahren der Lethargie wieder ein Aufschwung am Horizont sichtbar wird, würde uns natürlich interessieren, ob dieser lediglich durch die gute Verfassung der Weltkonjunktur, insbesondere den Aufschwung der rohstoffreichen Länder, entstanden ist oder ob es hier auch hausgemachte Faktoren dafür gibt?

F.H.: Wir befinden uns in einem Emanzipierungsprozess innerhalb des Weltwirtschafssystems, in dem die Rolle der USA an Bedeutung verliert. In den vergangenen 5 bis 6 Jahren war diese Entwicklung durchaus dramatisch. Sich entwickelnde Länder (u.a. in Asien, Lateinamerika) sind zunehmend gekennzeichnet durch strukturelles Wachstum. Die sich entwickelnden Staaten sind dank üppiger Devisenreserven überwiegend zahlungsbilanztechnisch nicht mehr anfällig wie noch in den 90er Jahren.

In Europa hängen wir am Investitionsgüterzyklus, der etwas später einsetzt, aber auch länger trägt. Europa hat wachstumstechnisch sehr stark aufgeholt. Dabei haben die implementierten Reformen, beispielsweise durch Schröder in Deutschland, positiven Einfluss mit sich gebracht. Entscheidend ist, dass Europas Wachstum einerseits bestimmt ist durch das Wachstum in der Eurozone selbst, aber auch über die positiven Impulse der Osterweiterung der EU und die Nachfrageimpulse aus Asien und Mittel- und Südamerika.

Insofern nimmt auch die Emanzipierung Europas gegenüber der US-Wirtschaft zu. Entsprechend erwarten wir für Europa eine stabile Gesamtsituation per 2007, in der die Auswirkung der sich abschwächenden US-Konjunktur wesentlich geringer sein wird, als dies aus der Historie heraus bekannt ist und aktuell immer noch unterstellt
wird.


V.R.: Kommen wir nun noch zu den Weltwährungsblöcken. In den letzten Jahren übertrafen sich die Experten ja geradezu mit schwarzen Szenarien für den US-Dollar, trotzdem blieb der große Einbruch bisher aus. Nun haben wir im November und Dezember einen kurzen Ausflug des Greenbacks nach unten gesehen. Welche Notenbank würde sich denn dabei eigentlich etwas Gutes tun, wenn sie den Dollar fallen lassen würde, wer hätte also überhaupt ein Interesse daran? Erscheint hierbei eine globale Abwertung bei allen Papierwährungen nicht viel wahrscheinlicher?

F.H.: Das Letztere, denke ich, ist derzeit latent der Fall. Wir haben eine reale Abwertung durch die latente Inflationierung, also den Kaufkraftverlust des globalen Papierwährungssystems. Das ist der eine Aspekt. Der nächste Aspekt ist, dass derzeit niemand, selbst die GUS-Staaten oder China, an einer Dollarkrise Interesse hat. Das mag sich im Zeitverlauf ändern. Aus der Vergangenheit sind fraglos noch Rechnungen offen.

Eine sukzessive Abwertung des USD, die von den globalen Volkswirtschaften auch verkraftet werden kann, steht auf der Agenda, also keine revolutionäre, sondern eine evolutionäre Entwicklung. Das ist das, was sich OECD, IWF und G7 auf die Fahne geschrieben haben. Hier passt das Muster der Dollarabwertung im letzten Jahr. Wenn es zu schnell geht, siehe Ende 2004, dann fallen die Korrekturen eben auch stärker aus.

Wir erkennen in den letzten Jahren eine deutliche Dollarabwertung, wenn wir uns den Euro ansehen. Tiefststand bei 0,82, Höchstkurse bei 1,36. Das ist markant. In dieser Form wird es nicht weitergehen. 5 bis 7 Prozent Abwertung kann der US-Dollar pro Jahr verkraften. Das ist übrigens auch die Größenordnung, mit der die Anpassung des chinesischen Yuan voraussichtlich laufen wird.

Diese dargestellte Amplitude der Anpassung entspricht dem, was von Seiten des globalen Finanzmanagements gewollt wird. Man, das gilt auch für Zentralbanken und supranationale Veranstaltungen, bekommt jedoch nicht zwangsläufig das, was gewollt ist, sondern das, was man verdient. Es bleibt dabei, dass ein asymmetrisches Risiko für eine Dollarkrise vorliegt. Dieses Risiko ist latent gegeben, da Länder wie China oder die GUS-Staaten, ausgestattet mit opulenten USD-Beständen, jederzeit ein abweichendes Interesse entwickeln können.


V.R.: Kommen wir vom Dollarrisiko gleich zum nächsten Risiko, das immer latent über uns schwebt, einem Derivatecrash. Wir sahen in den vergangen Jahren ein explodierendes Wachstum an Kreditderivaten. Hierin steckt laut einiger Fachleute ein nicht unerhebliches Risiko. Wie bewerten Sie dies? Wie bewerten Sie die Möglichkeit einer Kettenreaktion auf Grund eines großen Ausfalls?

F.H.: Die Zentralbanken kümmern sich um dieses Thema seit den letzten 24 Monaten verstärkt und sind dort noch zu keinem qualitativen Urteil gekommen und insofern wäre es sehr ambitioniert von mir, so ein Urteil fällen zu wollen. Fakt ist, dass das Ganze kein homogener, sondern ein heterogener Markt ist, der in seiner Vielschichtigkeit schwer einschätzbar ist. Auf Grund dieser Tatsache besteht ein latentes Risiko, das wir nicht beziffern können.

Gehen wir als Beispiel zum Thema des Hedge Fonds Amaranth. Fakt ist, dass selbst Ausfallvolumen, die größer waren als bei LTCM, heute offensichtlich von den Märkten gut weggesteckt werden können. Aller Voraussicht nach haben Zentralbanken auch dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, aber im Unterschied zu LTCM haben wir bei Amaranth, obwohl der Schaden ungleich größer war, nicht mehr als eine marginale Delle an den globalen Finanzmärkten gesehen.

Das spricht zunächst für die Funktionsfähigkeit des Systems. Unfälle wurden zuletzt professionell und ohne Kollateralschaden abgewickelt. Das bedeutet aber gleichzeitig nicht, dass solche Unfälle nicht auch viel größeren Schaden und Dominoeffekte hervorrufen können. Ich möchte diese Frage schlussendlich etwas sibyllinisch beantworten. Das Risiko ist groß, aber die letzten empirischen Erfahrungen haben gezeigt, dass wir bisher damit umgehen können. Es bleibt aber gleichzeitig dabei, dass der Gesamtrisikokomplex unverändert nicht quantifizierbar ist.


V.R.: Kommen wir zu einem der allgemein anerkannten Wachstumstreiber am Rohstoffmarkt: China! Nun läuft das Reich der Mitte bereits seit Jahren auf Hochkonjunktur und der chinesische Aktienmarkt konnte in den letzten Monaten einen fabelhaften Anstieg verzeichnen. Wie beurteilen Sie die Wahrscheinlichkeit eines größeren Rückschlags in der chinesischen Konjunktur? Glauben Sie, dass die chinesische Zentralregierung auch fähig ist, solche Probleme wirksam abzuwehren?

F.H.: Sie haben etwas sehr Weises gesagt. In China gibt es nicht nur eine Zentralregierung, sondern eine Diktatur! Diese Zentralregierung kann Wachstum verordnen, beispielsweise über Infrastrukturmaßnahmen. China ist die Werkbank der Welt; China wird aber auch immer mehr und immer stärker zu einem Dienstleistungsanbieter.

Chinas Wachstum ist hoch und wird auch weiter hoch bleiben. China ist zu Wachstum verdammt, um das Land in seiner Tiefe zu erschließen. Bestenfalls ein Fünftel dieses Landes ist erschlossen. Dort gibt es also sehr viel Raum, der für weiteres Wachstum genutzt werden kann. Ich gehe davon aus, und das bestätigen die letzten Jahre, dass die Rufe in Richtung einer krisenhaften Entwicklung bei weitem verfrüht sind. Ich gehe davon aus, dass der Wachstumspfad von mindestens 6-7% auch in den nächsten 3, 4, 5 Jahren aufrechterhalten bleiben kann.

Grundlage ist das strukturelle Wachstum Chinas. Darüber hinaus haben wir auch einen zyklischen Teil, der zum Teil auch an der US-Konjunktur und der Weltkonjunktur hängt. Letztere wird sich 2007 weiter robust zeigen. Das Urteil für China fällt damit im Hinblick auf Wachstum eindeutig positiv aus. Die Verlagerung im Rahmen der Globalisierung in Richtung China von Produktionskapazitäten, zunehmend auch Dienstleistungskapazitäten, wird fortschreiten und das ist der Treibsatz, der für die Volkswirtschaft als auch die Finanzmärkte unterstützend wirkt. Die politische Führung Chinas verfolgt eine Nachhaltigkeitspolitik im Interesse Chinas. Der "Trackrecord" der vergangenen Jahre impliziert, dass zukünftige Probleme im chinesischen Interesse erfolgreich bewältigt werden.




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