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Kohle - Neue Höchststände in Sicht?

03.09.2004  |  Ralph W. Stemper
Chinas Hilferuf

Am 29. Juli ging ein Notruf durch die chinesische Presse. China muss mit erheblichen Stromausfällen rechnen, wenn nicht sofort gewaltige Mengen Kohle herbeigeschafft werden. In einer solchen Notsituation war China schon seit 20 Jahren nicht mehr. Der Energieausfall kann bis zu 30 Millionen Kilowatt betragen, wenn nicht sofort Hilfe kommt. Dies verwundert nicht:

Die riesigen Kapazitäten neuer Wohn- und Geschäftsräume sind klimatisiert (immerhin eine Neuheit in China). Gerade in den heißen Sommertagen macht sich der Nachfrageüberhang besonders bemerkbar. Sparmaßnahmen wurden überall eingeleitet. In den Hotels laufen die Klimaanlagen nur noch in den heißesten Stunden. Auf jede Form dekorativer Beleuchtung wird verzichtet. Fertigungsanlagen wurden zum Sparen aufgefordert.


Die Nachfrage nach Heizkohle

Chinas Nachfrage nach Heizkohle wird weiter steigen: Das Wachstum neuen und modernen Wohnraums beschleunigt sich. Bisher wurde nur eine kleine Minorität vermögender Chinesen versorgt. Soll die Kluft zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander klaffen, muss die chinesische Regierung ihr Bauprogramm trotz konjunktureller Überhitzung zügig vorantreiben. Gleichzeitig boomt der industrielle Bedarf. Immer mehr energieintensive Industrien werden nach China verlagert.

Dabei gibt es für die traditionellen Kohlekraftwerke (ca. 75% der Energieversorgung) keinen Ersatz: Zwar sind 23 neue Kernkraftwerke in Planung, wovon das erste allerdings wohl erst 2010 in Betrieb gehen wird. In der Zwischenzeit werden neue Kohlekraftwerke gebaut. Das geht schneller und ist auch die einzige Möglichkeit dem rasanten Wachstum der Energienachfrage zu folgen. Dabei ist China schon heute der größte Umweltverschmutzer, worunter bereits die Nachbarn Hongkong, Korea, Japan und andere Länder, angeblich auch schon die USA leiden. Trotz aller Bemühungen und sogar vorübergehender Erfolge in den Jahren 2000 bis 2002 wird China dieses Problem nicht in den Griff bekommen.

Nach bisher noch moderateren Äußerungen sind sich deshalb die meisten Analysten einig, dass die chinesische Nachfrage nach Kohle jährlich um 15% steigen wird. Das wird sich auch mittelfristig nicht ändern, es sei denn, China wird von der Weltgemeinschaft gezwungen, den Schadstoffausstoß herunterzufahren. Das könnte dann auch zu dem allgemein befürchteten Hard-Landing führen.

Auch in den westlichen Industriestaaten ist Kohle als Energieträger wieder in Mode gekommen, nachdem die Gaspreise so kräftig angezogen sind. Hier wird mit einem Nachfragewachstum in den nächsten Jahren von 7% gerechnet.


Das Angebot an Heizkohle

Es gibt zur Zeit noch genug Kapazitäten, um die Produktion von Heizkohle zu erhöhen, zumal auch die Preise mit dem Gaspreis kräftig gestiegen sind. Bisherige Grenzanbieter können inzwischen wieder gewinnbringend produzieren. Allerdings rechnen Analysten bei dem vorhersehbaren Wachstum der Nachfrage schon im nächsten Jahr mit Engpässen, da die Erschließung neuer Kapazitäten mit hohen Investitionskosten verbunden ist.

Wichtiger sind noch Engpässe in den Transportkapazitäten. Schon heute deuten sich diese bei Zügen und Häfen in Australien und Südafrika an. Dies kann zu einem Sinken des Angebots führen, da die bestehenden Frachtkapazitäten für Produkte mit höherer Wertschöpfung genutzt werden. Ein erneuter Preisschub für Heizkohle wäre dann unausweichlich.


Die Nachfrage nach Industriekohle

China muß 2004 erstmals mehr Koks und Steinkohle importieren als exportieren. Nach einem Exportüberschuss von 11 Mio. Tonnen 2003 rechnet man mit einem Importüberschuss von 5 Mio. Tonnen 2004 und von 10 Mio. Tonnen 2005. Innerhalb von zwei Jahren hätte dann der Bedarf um mindestens 20 Mio. Tonnen p.a. zugenommen, obwohl die chinesische Regierung angeblich alles tut, um die Kapazitäten der Stahlverhüttung zu reduzieren.

Diese Bemühungen sind in der Tat halbherzig. Stillgelegt werden vor allem kleine und veraltete Stahlwerke, während einige Großunternehmen offensichtlich kräftig, allerdings in modernste Technologie, investieren. Die Koksnachfrage wird also weiter wachsen, im Gleichschritt mit dem Bauboom und dem Ausbau des industriellen Umfeldes. Dabei können Engpässe in Zukunft nicht mehr mit Kohle niedriger Qualität überbrückt werden. Moderne Anlagen benötigen Koks der besten Qualität. Obwohl China die Koksnachfrage inzwischen gebremst hat, - immerhin wuchs sie in den letzten drei Jahren um 23% p.a. - rechnen Analysten nahezu übereinstimmend mit einem jährlichen Wachstum von mindestens 10% in den nächsten drei Jahren.


Das Angebot an Industriekohle

Das Angebot an Kokskohle ist heute schon sehr eng. Australien und Kanada zusammen könnten ihr Angebot vermutlich um maximal 20 Mio. Tonnen bis 2006 erhöhen. Nur die USA verfügen zur Zeit über zusätzliche abbaubare Kapazitäten, die allerdings höchstens bei 10 Mio. Tonnen liegen und auch erst in einigen Jahren an den Markt kämen. Das Angebot wird einem Mammutwachstum in den Schwellenländern nicht folgen können. Ein struktureller Nachfrageüberhang ist unausweichlich.


Die Preissituation

Die Preise für Kohle haben sich im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Natürlich besteht hier eine Korrelation zu anderen Energieträgern wie Erdöl und Gas. Kohle wird sich jedoch von dieser Parallelität lösen, da es, wie erläutert, spezifische Gründe für ihre strukturelle Engpass-Situation gibt. Mittelfristig wird der Preis weiter steigen. Analysten rechnen für die nächsten drei Jahre für alle Kohlesorten mit einem Preisanstieg von mindestens 10% p.a.. Kurzfristig ist der Preis allerdings sehr großen Schwankungen ausgesetzt.


© Ralph W. Stemper
www.rohstoff-report.de

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