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Das Rätsel der Elektron-Münzen

07.08.2019  |  John Paul Koning
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Francois Velde, ein Volkswirtschaftler der Federal Reserve, der sich mit der Numismatik beschäftigt, katalogisierte tausende von lydischen Münzen, die sich im Besitz von privaten Sammlern und Museen auf der ganzen Welt befinden. Unter Verwendung dieser Daten kann man die unglaubliche Präzision des lydischen Münzgeldes (siehe obiger Chart) sehen. Das Gewicht der größten Münzen - Stater und Trite - ist üblicherweise genau an das Standardgewicht angeglichen.

Interessant ist, dass die kleineren Nennwerte - der 1/96-Stater - in einem lockereren Verhältnis zum Standardgewicht (siehe dunkelblaue Linie) stehen. Velde begründet die geringere Präzision der kleineren Nennwerte damit, dass diese länger zirkuliert und demnach rascher an Wert verloren hätten.


Die Unbequemlichkeit der Elektron-Münzen

Durch vorsichtige Kalibrierung der Gewichte jeder Münze und durch Aufprägung eines Siegels qualifiziert sich Lydien sicherlich als die erste Gesellschaft, die einen derartig technologischen Fortschritt gemacht hat. Doch an dieser Stelle bricht die Geschichte zusammen.

Ein interessanter Fakt der frühen lydischen Münzen ist, dass sie aus einem Material gefertigt wurden, dass Elektron hieß. Elektron ist eine natürlich vorkommende Legierung aus Silber und Gold, die man oft in Bächen und Flüssen findet. Das Problem mit natürlichem Elektron ist die Tatsache, dass die Mischung aus Gold und Silber variabel ist. Der Silbergehalt kann zwischen 10% und 30% liegen, so Numismatiker Robert Wallace.

Angesichts dieser Variabilität müssen Lyder Schwierigkeiten dabei gehabt haben, Elektron einen Wert zuzuordnen. Eine Elektron-Münze konnte nicht gegen andere Elektron-Münzen eingetauscht werden. Eine Münze mit mehr Gold hätte eine etwas andere Farbe gehabt als eine Münze mit weniger Gold, wie die untere Darstellung andeutet. Und da Gold in der Antike wahrscheinlich etwa 10-mal so viel Wert war wie Silber, hätten Elektron-Münzen mit mehr Gold einen höheren innewohnenden Wert besessen als die Münzen mit weniger Goldanteil. Doch wie viel mehr wären sie wert gewesen? Laut Wallace hätte die fehlende Sicherheit "endlose Zweifel und Debatten über bestimmte Münzen" verursacht.

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Die Farbvarianten der Gold-Silber-Legierungen

Was für ein Widerspruch diese lydischen Münzen doch sind! Die Lyder haben sich offensichtlich sehr darum bemüht, das Gewicht der Münzen genau zu kalibrieren, nur um dann alle Vorteile der Standardisierung zunichte zu machen, indem sie die Münzen mithilfe einer arbiträren Gold- und Silbermischung herstellten. Nun mussten Käufer und Verkäufer mühsame Maßnahmen ergreifen, um die Mixtur einer Münze festzustellen - sie mussten beispielsweise einen Probierstein verwenden - bevor der Handel durchgeführt werden konnte.

Die Lyder hätten dieses Problem von Vornherein vermeiden können, indem sie für die Herstellung der Münzen Silber anstatt Elektron verwendet hätten. Denn Silber wurde schließlich schon in Barrenform gehandelt. Mit Silbermünzen hätte es zumindest keinerlei Verwirrung über den innewohnenden Wert gegeben. Doch die Lyder entschieden sich dagegen, diesen Pfad einzuschlagen.

Das führt uns zur populärsten Theorie bezüglich der Elektron-Münzen, die ich selbst als "Scheidemünzentheorie" bezeichne.


Elektron-Münzen als Wertmarken

Robert Wallace war derjenige, der die populärste und am häufigsten vorkommende Theorie aufgestellt hat. Wallace stellte sich zu Beginn vor, er sei der Besitzer einer Sammlung von Elektron-Münzen im Jahr 640 v. Chr. Diese Person hatte das folgende Problem: Seine Sammlung an Metall war nicht uniform und die anderen Lyder vertrauten somit nicht auf dessen Qualität. Wie hätte unser Elektron-Besitzer seine argwöhnischen Mitmenschen dazu bringen können, sein Metall zu dessen vollen Wert zu akzeptieren?

Die einfachste verfügbare Lösung wäre die Verfeinerung des Elektrons zu Silber- und Goldkomponenten gewesen, um diese dann separat zu verkaufen. Doch Wallace erzählt uns, dass die Technologie, um Gold und Silber zu "trennen" - Zementierung - erst hundert Jahre später verfügbar gewesen wäre, etwa 550 v. Chr. Also blieb unser Elektron-Besitzer auf seinem Metall sitzen.


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