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Luftschlösser und Hirngespinste

16.06.2007  |  Claus Brockmann
Steuerschätzer erwarten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik dauerhafte Haushaltsüberschüsse.


Zweifel erlaubt

Eröffnet wurde der Reigen erfreulicher Nachrichten über unsere Staatsfinanzen mit der Verkündung der erstmaligen Einhaltung der Kriterien von Maastricht seit Jahren. Über die Überschreitung der Gesamtverschuldungsgrenze, immerhin eine von zwei maßgeblichen Bedingungen, wurde dabei nicht gesprochen. Wenig später prognostizierten bereits die führenden Wirtschaftsinstitute, die im Übrigen derzeit bei den Politikern um die Gunst weiterer finanzieller Mittel buhlen, einen ausgeglichenen Haushalt für 2008. Und dieser Tage setzte der Arbeitskreis Steuerschätzung noch einen oben drauf und sieht bis 2011 Mehreinnahmen von stolzen 180 Mrd. € kommen, wobei die großen Stücke von jeweils gut 50 Mrd. € in 2010 und 2011 erwertet werden.

Risiken, wie zum Beispiel eine Abschwächung der Weltkonjunktur oder einen Verfall beim US-Dollar werden von vornherein ausgeschlossen und somit der regen Diskussion landauf landab über die Verwendung der Mittel freien Lauf gelassen. Ganz so, als wäre das Geld in den Kassen schon eingegangen.

Weil nun aber offensichtlich gar keine Zweifel erlaubt sind, ist genau deswegen Vorsicht geboten. Nicht umsonst sind Phrasen wie zu früh gefreut oder zu früh gejubelt beliebt im Volksmund. Könnte doch alleine schon die Inflation den Kuchen, den es zu verteilen gibt, kleiner ausfallen lassen. Denn auch ohne Neuschulden müssen in den nächsten Jahren jeweils 350 Mrd. € umgeschuldet werden. Dabei würden ein Prozent höhere Zinsen in 4 Jahren bereits weitere 14 Mrd. € Ausgaben bedeuten.


Geschichte gegen Überschüsse

Skepsis bezüglich des optimistischen Ausblicks darf aber auch deswegen angebracht sein, weil zumindest in der Nachkriegsgeschichte der Nachweis dauerhafter Überschüsse bislang nicht erbracht wurde. Selbst in der wirtschaftlich so starken Phase des Wirtschaftswunders reichte es nur zu einem einzigen positiven Saldo, nämlich 1969.

Und selbst dieses Jahr sollte nicht als Vorbild dienen, da die Staatsschuld anschließend mit Rekordtempo explodierte. Die Regierung Schmidt versuchte nämlich ganz nach der Theorie Keynes den stotternden Motor mit aufwendigen Konjunkturprogrammen wieder in Schwung zu bringen. Entgegen der Lehre des Ökonomen wurden die Kredite im kommenden Aufschwung jedoch nicht wieder zurückgezahlt, so dass neben der hohen Teuerungsraten und Arbeitslosigkeit auch ein viermal so hoher Schuldenberg zurückblieb.

Dass nach einem vollen Schluck aus der Lohnpulle auch der große Kater folgen kann, daran sollten sich insbesondere die Gewerkschaften dieser Tage erinnern. Denn mit der Vernunft verschwanden damals auch die Tankwarte, Straßenbahnschaffner und Wagenwäscher, da nun zu teuer und deshalb durch Automaten und Maschinen ersetzt, auf nimmer Wiedersehen in die Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfestatistik. Aber auch eine andere Entwicklung nahm damals seinen Anfang, der Rückgang der Geburtenraten. Im Übrigen ein Phänomen, welches in der Geschichte sämtliche niedergehender Kulturen begleitete.

Obwohl es bereits vor 35 Jahren abzusehen war, dass eines Tages auf die Sozialkassen große Belastungen zukommen würden, versäumten es seitdem sämtliche Regierungen mit geeigneten Maßnahmen entgegen zu wirken. Anstatt langfristige Ziele zu verfolgen wurden die Wähler auf die Funktion der Stimmenmaximierung beschränkt, nicht selten mit Lügen oder gebrochenen Versprechen. Durch dieses kurzfristige Handeln blähten sich nicht nur Verschuldung, Bürokratie und Staatsumfang auf, sondern es entwickelten sich auch starke Einzelgrupierungen.

So entstand in Deutschland eine Demokratie, bei der diejenigen auch ihren Willen bekommen, die nur am lautesten schreien. Und die Regierungen wurden in diesem Umfeld zunehmend handlungsunfähiger. Zum Bedauern der Zukunftsfähigkeit Deutschlands, da mit der demographischen Entwicklung Probleme auf uns zu kommen, die nur schwer zu schultern sein dürften.


Mehrwert- und Mineralölsteuer ausschließlich Wohlfahrtsausgaben

Die Unterschiede zwischen einer vor Kraft nur so strotzender Volkswirtschaft der 60er Jahre und jener der vergangenen Jahre liest man am besten bei Haushalt und Sozialsystemen ab. Denn neben den 70 Mrd. € für Zinszahlungen und 50 Mrd. € Sozialhilfe müssen vom Bundeshaushalt auch noch Zuschüsse in Höhe von 45 bzw. 20 Mrd. € an Rentner und Arbeitslose überwiesen werden. Alles in allen Aufwendungen, die vor 4 Jahrzehnten noch kaum der Rede Wert waren.

Finanzierbar wurde dies im Übrigen zum großen Teil durch die 1968 eingeführte Mehrwertsteuer. Mit einem anfänglichen Satz von 10% wurde es dem Fiskus dadurch möglich, am einsetzenden Massenkonsum teilzuhaben. Inzwischen ist die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer bei 19% angekommen und mit einem Volumen von 130 bis 150 Mrd. € noch vor der Lohnsteuer die größte Einnahmequelle des Staates.

Des Weiteren besaßen lediglich ein Fünftel der Menschen in den 60er Jahren ein Fahrzeug. Heute säumen dagegen über 40 Millionen Autos Deutschlands Straßen. Somit überrascht es nicht, dass die 1930 eingeführte und seitdem zahlreiche Mal erhöhte Mineralölsteuer weitere 50 bis 60 Mrd. € in die Staatskassen spülen und zur drittwichtigsten Steuer aufstieg.

Ferner erhöhte sich seit 1970 der Anteil der Erwerbstätigen in der Bevölkerung von 27% auf heute 47% an. Damals kümmerten sich viele Frauen ausschließlich um Haushalt und Kinderbetreuung. Da zudem die Beitragssätze in 40 Jahren von 26% auf rund 40% anstiegen, wird ersichtlich, wie neben der Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe durch die Einführung neuer Steuern samt Abgabenerhöhungen auch die Kosten der demographischen Entwicklung finanziert wurde.

Gleichzeitig wird es aber auch vorstellbar, dass unser Sozialsystem, welches in der Spitze jeweils 5 Millionen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger finanzieren musste, auch ordentliche Gewinne erwirtschaften kann. Zumindest dann, wenn wie von den Steuerschätzern vorausgesetzt, aus 2 bis 3 Millionen Nehmern von Leistungen nun selbst Einzahler würden.



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