Im Fokus: Rohöl und Erdgas aktuell
20.10.2004 | Peter Boehringer
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zu 5.) Welche Preise werden künftig Angebot und Nachfrage zur Deckung bringen?
Obwohl ein genaues Timing in einem so komplexen und intransparenten Rohstoffmarkt sehr schwierig ist, wollen wir doch folgende Prognosen wagen, wobei wir klar zwischen kurz- und mittel-/langfristiger Entwicklung unterscheiden. Zahlenangaben beziehen sich auf das Barrel Rohöl der Sorte WTI.
a.) Kurzfristig (bis Mitte 2005)
Wir sehen die Möglichkeit relativ leichter Preisrückgänge von den derzeitigen nominalen Höchstständen um 54 Dollar/Barrel auf bis etwa 40 bis 45 Dollar/Barrel. Hierfür sprechen:
Quelle: www.seasonalcharts.com
b.) Mittel- und langfristig (ab spätestens 2006)
Ab spätestens 2006 werden die Ölpreise vielleicht unter gewisser Volatilität – aber dauerhaft immer höher tendieren und immer neue nominale und reale Allzeithochs markieren. Eine Preisobergrenze ist heute nicht seriös berechenbar; schon ab 2007 sind aber Preise über 90-100 Dollar pro Barrel wahrscheinlich.
Gründe:
zu 6.) Gibt es gleichwertige und verfügbare alternative Energieformen?
a.) Erdgas
Dass die Nachfrage bei Produkten zur Deckung von Grundbedürfnissen extrem preisunelastisch ist, zeigte sich 2000 im mit dem Ölmarkt verwandten Gasmarkt der USA: Erhöhte Nachfrage bei zunächst nur kurzfristigen Versorgungsengpässen führten im harten Winter 2000 zu einem Gaspreisanstieg von über 150% in nur wenigen Monaten.
Quelle: Yardeni 6-2004
Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass die US-Nachfrage nach Gas dauerhaft höher als das verfügbare Angebot liegt, was bereits seit drei Jahren zu ständig steigenden Preisen führt. Wir rechnen damit, dass dieser Trend auch weiterhin anhält, weil die USA im Gegensatz zu Europa kein russisches Erdgas per Pipeline beziehen können (vergleiche dazu auch die Folgegrafik "Trade Flows"). Russland nimmt im Gasmarkt jedoch als größtes Reserveland und größter Produzent die Stellung ein, die der Nahe Osten beim Öl innehat. Der Erdgasmarkt unterliegt wegen der komplizierteren Transportmöglichkeiten noch mehr als der Ölmarkt regionalen Besonderheiten.
Quelle: BP - Statistical Review of World Energy, 2004
Da die Liquefied Natural Gas (LNG) - Transporttechnologie von Erdgas in verflüssigter Form sehr aufwändig und teuer ist, werden die USA noch vor Europa ein Erdgasknappheitsproblem bekommen, obwohl der voraussichtliche Förder-Peak bei Gas erst etwa 2030 erreicht werden wird. Die deutsche Energiepolitik wird derzeit (da Gas relativ emissionsarm ist und da Kernenergie oder verstärkter Kohleeinsatz nicht durchsetzbar erscheinen) sehr stark in Richtung russisches Erdgas abgestellt, was zwar einige Jahrzehnte funktionieren kann - aber auch erhebliche Abhängigkeiten von nur einem Lieferanten mit sich bringt.
Neben Erdgas werden im Hinblick auf eine weitere Verknappung von Öl folgende Energieformen und -träger gefördert, technologisch weiterentwickelt oder "wiederentdeckt":
b.) Kernenergie (Spaltung, Fusion) | c.) Kohle |
d.) Wasserkraft | e.) Windkraft |
f.) Solarenergie | g.) Biomasse |
h.) Fernwärme | i.) Wasserstofftechnologie / Brennstoffzellen |