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S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein: “Die echte Gefahr geht von massiver staatlicher Abhängigkeit aus”

16.01.2021  |  Claudio Grass
2020 neigt sich dem Ende zu und damit ein Jahr, das höchstwahrscheinlich einen ganz besonderen Platz in den Geschichtsbüchern finden wird. So ist der Rückblick auf das vergangene Jahr wohl auch geprägt von Befürchtungen und Unsicherheit hinsichtlich des Kommenden. Wirtschaftlich, sozial und politisch hat sich vieles verändert, und auch im nächsten Jahr wird das Ausmaß an Veränderungen und Herausforderungen wahrscheinlich nicht geringer werden. Ob damit der Weg in eine dunklere Zukunft geebnet wird oder aber mächtige, positive Entwicklungsimpulse Raum bekommen, die uns zur mehr Dezentralisierung und individueller Freiheit führen - das ist die wesentliche Frage.

Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mich an S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein gewandt, einen Mann, dessen Intellekt, Erfahrung und scharfsichtige Analyse ich seit langem bewundere und zum Zweck der Lagebestimmung und Zukunftseinschätzung hinzuziehe. Freundlicherweise hat er dem folgenden Interview zugestimmt, dessen zeitlicher Rahmen besonders passend und interessant war.

Unser letztes Interview führten wir zu Beginn der Pandemie, als führende globale Politiker gerade die ersten Maßnahmen einleiteten, welche damals noch als extrem und beispiellos galten - zu einer Zeit, in wir nur über ganz frühe und beschränkte Informationen und Daten zum Virus hatten. Aus jenem Interview stammt auch die erste Warnung Prinz Michaels: “Eine Krise darf keinesfalls zu einer Ausweitung staatlicher Macht genutzt werden”. Heute sind all jene Maßnahmen, Lockdowns, Reisebeschränkungen, staatlichen Prüfungen sowie zahllosen Restriktionen, denen unser Leben aktuell unterworfen ist, Teil unseres “neuen Normalzustands” geworden.

Viele Bürger haben sich schon daran gewöhnt und sind kaum noch überrascht; einige fordern sogar Verschärfung. Trotzdem kommen zunehmend Fragen, Zweifel und auch schwere Bedenken auf unter dem produktiven Teil der Bevölkerung sowie Menschen, die Eigenständigkeit und Selbstverantwortung achten und schätzen: Wie lange lassen sich staatliche Standardreaktionen aufrechterhalten? Welche Nebeneffekte und Auswirkungen hat all das auf die Realwirtschaft, auf arbeitende Menschen und auf die Gesellschaft im Ganzen?

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Chairman von Industrie- und Finanzkontor Etablissement, einem führenden liechtensteinischen Treuhandunternehmen mit Tradition und Expertise im langfristigen und generationenübergreifenden Vermögenserhalt. Prinz Michael ist zudem Gründer und Chairman des in Vaduz ansässigen geopolitischen Beratungs- und Informationsdienstes Geopolitical Intelligence Services AG, Präsident des Stiftungsrates des liberalen Think Tanks European Center of Austrian Economics Foundation sowie Vorstandsmitglied der liechtensteinischen Treuhandkammer. Des Weiteren ist er Chairman des International Institute of Longevity.


Claudio Grass: Ein außergewöhnliches Jahr geht zu Ende. Wenn Sie Bilanz ziehen, aus all dem, was sozial, politisch und wirtschaftlich passiert ist, würde Sie das optimistisch stimmen für das Jahr 2021? Oder fürchten Sie eher, dass all das, was uns – im übertragenen wie im wortwörtlichen Sinn – aktuell plagt, auch im neuen Jahr weiter belasten wird?

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein: Ich bin im Allgemeinen ein optimistischer Mensch. Die Menschheit ist an und für sich eine sehr widerstandsfähige und resiliente Spezies. Sie hat schon größere Krisen als diese überstanden, und man könnte sich fragen, ob das Problem tatsächlich die Epidemie ist oder aber die Art und Weise, wie Gesellschaften auf Krisen insgesamt vorbereitet sind. Liegt das Problem im Krisenmanagement oder in der Tatsache, dass Gesellschaften, verwöhnt durch einen lange präsenten Sozialstaat, nicht mehr mit Risiken und Gefahren umgehen können? In Anbetracht solcher Zweifel und Bedenken kann ich die Frage nicht mit einem Ja oder einem Nein beantworten.


Claudio Grass: Wir bekommen nach und nach einen besseren Eindruck von den ökonomischen Zerstörungen, die durch Lockdowns und Shutdowns enstanden sind. Jetzt verschärfen viele Nationen, vor allem in Europa, diese Strategien erneut. Wir nachhaltig wird dieser Ansatz tatsächlich sein?

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein: Nachhaltig ist dieser Ansatz sicherlich nicht. Die größere Gefahr liegt aber in einer globalen Bürokratie, die sich in nationalen Regierungen, supranationalen Organisationen und NGOs festgesetzt hat und den Ausnahmezustand nutzt, um persönliche Freiheiten, Entscheidungsfreiheit sowie “Selbstentfaltung und Glücksstreben” zu begrenzen - zugunsten stark geplanter Ökonomien und Gesellschaften.

Der “Neue Normalzustand” (New Normal), der beispielsweise im Positionspapier des Weltwirtschaftsforum (WEF) mit dem Titel “The Great Reset” vorgeschlagen wird, geht genau in diese Richtung. Es ist schon interessant, wie einige der amerikanischen Oligarchen, verschiedene Regierungen und das WEF einer technokratischen Weltregierung aufgeschlossen gegenüberstehen. Die Auswirkungen der in diesen Papieren erklärten Absichten ließen sich vielleicht sogar mit den Vorstellungen Lenins von den zukünftigen Errungenschaften der marxistischen Weltrevolution vergleichen.


Claudio Grass: Geldschöpfung, massive staatliche Ausgaben oder blinde Vergabe von Barmitteln - das sind die am weitesten verbreiteten Maßnahmen gegen die Schäden, die bislang aufgrund ökonomischer Restriktionen entstanden sind. Beobachten Sie derartige Maßnahmen mit Sorge? Sehen Sie durch solche politischen Entscheidungen - die unter anderem auch die Abhängigkeit der Massen vom Staat fördern - inflationsbezogene Probleme aber auch politische und soziale Gefahren auf uns zukommen?


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