Goldene Worte von Jürgen Stark und Hermann Burbaum
15.07.2007 | Manfred Gburek
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Beim eingangs erwähnten Rückblick auf die turbulente abgelaufene Woche habe ich zunächst ein Ereignis ausgelassen, das Außenstehenden zwar marginal erschienen sein mag, es aber wahrlich in sich hatte und mehr Schlussfolgerungen für Anleger ermöglicht als noch so langes Nachdenken über Zinsen und Geldmengen. Ich meine den Besuch des Internationalen Clubs der Frankfurter Wirtschaftsjournalisten bei Jürgen Stark, einem der führenden Köpfe der Europäischen Zentralbank (EZB) am 10. Juli. Hier einige Zitate aus seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion: "Das Inflationspotenzial bereitet mir Sorgen. Die Inflationsrisiken bleiben global aufwärts gerichtet. Bei den Löhnen werden wir in den nächsten Monaten und vor allem 2008 eine stärkere Entwicklung nach oben sehen. Die geopolitischen Risiken bleiben bestehen. Die Transmissionsmechanismen verändern sich."Spätestens beim letzten Satz wurde ich stutzig und fragte Stark nach den Risiken der Kreditderivate, ihrem Umfang und bei welcher Institution sie sich befänden. Außerdem wollte ich wissen, wann und wie die so genannte Asset Inflation (steigende Aktienkurse, Immobilienpreise usw.) zu den Verbraucherpreisen überschwappen werde. Also zwei Fragen zur Transmission, weil die weltweit reichlich vorhandene Liquidität, üblicherweise als Geldmenge bezeichnet, in zunehmendem Umfang - außer von den Zentralbanken - auch von Geschäftsbanken mittels Krediten und Kreditderivaten geschöpft wird. Starks Antworten waren interessant. Einerseits sagte er: "Bei der monetären Analyse haben wir ein breites Arsenal von Instrumenten." Andererseits gab er zu: "Wir wollen die Geldnachfragemodelle verbessern." Dann formulierte er zum Thema Kreditderivate noch den bemerkenswerten Satz: "Wir wissen nicht mehr als die BIZ." Sie erinnern sich (s.o.): Die BIZ wusste nichts. Kurz danach: "Wir beobachten die Entwicklung an den Assetmärkten." Und schließlich: "Wir sehen erste Anzeichen, dass die Zinserhöhungen sich auswirken. Es gibt Potenziale an den Finanzmärkten, die zu Korrekturen Anlass geben."
Fazit: Die EZB verfügt, ebenso wie die BIZ, über sehr viele monetäre Daten. Wenn allerdings sogar einer ihrer profiliertesten Vertreter zugibt, in dieser Hinsicht bestehe noch Nachholbedarf ("Geldnachfragemodelle verbessern" und "Wir wissen nicht mehr als die BIZ"), liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die von ihm befürchteten Korrekturen kommen werden und mangels Datensicherheit überraschend hoch ausfallen können. Wodurch sie ausgelöst werden (durch die hohen Zinsen und die ihnen folgenden Immobilienpleiten, durch Kreditderivate, die zu immer häufigeren Schieflagen von Hedgefonds führen, oder durch die Börse in Shanghai) und wann sie zu erwarten sind, bleibt dem gemäß offen. Mein Rat: Halten Sie Ihr frei verfügbares Vermögen halb in Liquidität und halb in Gold.
P.S. Falls Sie im Rückblick auf die turbulente Woche ausgerechnet den Hinweis auf die Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu automatischen Kontenabrufen vermisst haben, handelt es sich meinerseits nicht um Ignoranz. Sie finden dazu eine umfangreiche Pressemeldung und die noch umfangreicheren Leitsätze (ausgedruckt 23 Seiten mit 184 Unterpunkten) im Internet unter www.bundesverfassungsgericht.de - auch für Juristen eine extrem schwere Kost. Wer es leichter und trotzdem kompetent haben will, sollte sich die folgenden Sätze aus der Stellungnahme von Hermann Burbaum einprägen, Vorstandssprecher der Volksbank Raesfeld, dem die Verfassungsbeschwerde gegen die Kontenschnüffelei in erster Linie zu verdanken ist:
"Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung nicht höher bewertet als umfassende Rechercheinteressen staatlicher Stellen in den Kontenbeständen der Banken. Ich bedauere, dass es nicht gelungen ist, die automatisierte Schnittstelle des Staates zu den Banken zu kappen. Wir hätten uns eine Stärkung der bürgerlichen Freiheitsrechte gewünscht. Das Kontenabrufverfahren ist nicht effektiv. Der Staat hat ein riesiges Schleppnetz ausgeworfen, mit dem er bis zum Schluss nur kleine Fische gefangen hat."
Übrigens: Vor gut zwei Wochen bedankte sich Hermann Burbaum bei mir dafür, dass ich ihn in meinem Lexikon erwähnt hatte. "Ich will nicht verhehlen, dass es mich natürlich freut, noch vor George W. Bush aufgeführt zu sein", schrieb er mir in einem netten Brief, als die Hoffnung mitschwang, die Verfassungsrichter könnten nach der ersten abschlägigen Entscheidung doch noch auf seine Linie einschwenken. Ehrensache, dass Hermann Burbaum dank seiner Verdienste bis zur letzten Auflage in dem Lexikon bleibt. Bei George W. Bush bin ich mir nicht so sicher.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. Moderator auf der "Edelmetall- & Rohstoffmesse" am 2.+3.11.2007 in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das 1.000-seitige Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)