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1939 und die Verträge

08.08.2003  |  Dr. Bruno Bandulet
Die Besprechung des Buches von Gerd Schultze-Rhonhof ("Der Krieg, der viele Väter hatte") ist bei unseren Lesern auf großes Interesse gestoßen. Besonders der Hinweis, daß sich die Bundesregierung zweimal (1954 und 1990) verpflichtet hat, Gerichtsurteile der Siegermächte (darunter auch Nürnberg) als nach deutschem Recht rechtswirksam zu behandeln. Inzwischen haben uns mehrere Leser mitgeteilt, daß sie im Internet und in anderen Publikationen vergeblich nach den zitierten Vertragstexten gesucht haben. Tatsächlich sind diese auch auf den offiziellen Seiten der Bundesregierung (www.auswaertiges-amt.de) nicht zu finden. Wir gehen deswegen noch einmal auf das Thema ein, diesmal en detail:

Zunächst das Urteil der Siegermächte, das am 30. September und 1. Oktober 1946 in Nürnberg verkündet wurde. Zitat aus der deutschsprachigen Originalfassung, wie sie von den Richtern unterschrieben wurde:

"Diese Anklage legt den Angeklagten Verbrechen gegen den Frieden zur Last, die durch Planen, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung von Angriffskriegen, die zugleich auch Kriege unter Verletzung internationaler Verträge, Vereinbarungen und Zusicherungen waren, begangen wurden; ferner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Wie man sieht, konzentrierte sich die Anklage auf die Vorgeschichte und Auslösung des Zweiten Weltkrieges. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (darunter die Kapitel "Zwangsarbeit" und "Judenverfolgung") nehmen im Urteil erheblich weniger Platz ein. Dafür wird die Vorgeschichte des Krieges in allen Einzelheiten aufgerollt, wobei die Rolle der Siegermächte, aber auch anderer Beteiligter wie Polen selbstverständlich ausgeblendet wird. Das Nürnberger Urteil hat den Umfang eines Buches, es liest sich wie ein Kriminalroman.

Wer den Text des Nürnberger Urteils studiert, wird entdecken, daß dieser im Tenor und in vielen Einzelheiten identisch ist mit der Darstellung, wie sie später in deutschen Schulbüchern und in der zeitgeschichtlichen Literatur verbreitet wurde. Man muß ganz nüchtern feststellen: Die Deutschen haben die Version der Siegermächte zur Vorgeschichte des Krieges übernommen. Da wurde auf breiter Front abgeschrieben.

Dabei hatte Nürnberg, immerhin der größte Strafprozeß der Weltgeschichte, eklatante juristische Mängel:

1.) Einerseits wurde das Verfahren im wesentlichen dem anglo-amerikanischen Prozeßrecht nachgebildet, womit die Verteidiger nicht vertraut sein konnten.

2.) Andererseits wurden amerikanische Rechtsprinzipien kraß verletzt, weil in Nürnberg Verteidigung und Anklagevertretung nicht gleichgestellt waren.

3.) Der in Nürnberg zu Gericht sitzende Internationale Militärgerichtshof war nach Art. 19 seines Statuts an Beweisregeln nicht gebunden. Nach Art. 20 konnte der Gerichtshof Beweismaterial zulassen oder zurückweisen. Dementsprechend wurden zahlreiche Beweise der Verteidiger in der Urteilsbegründung nicht berücksichtigt.

4.) Zum Teil wurde Recht angewandt, das erst nach Vollendung der Tat geschaffen worden war. Hauptbeispiel: das Verbrechen der Beteiligung an der Entfesselung eines Angriffskrieges.

5.) In Nürnberg wurden nur Deutsche vor Gericht gestellt, nicht jedoch Aggressoren und Kriegsverbrecher der anderen Seite. (Vollständiger Text des Urteils in: Das Urteil von Nürnberg 1946, dtv dokumente, München 1962.)

Gerade weil das Nürnberger Urteil rechtsstaatliche Grundsätze verletzt hat, ist es um so erstaunlicher, daß sich die Bundesrepublik Deutschland noch viele Jahre später vertraglich daran binden mußte. So im "Überleitungsvertrag", der genau genommen ein Zusatzabkommen zum "Deutschlandvertrag" war, den Konrad Adenauer am 26. Mai 1952 unterzeichnet hatte, der aber zunächst nicht wie vorgesehen in Kraft treten konnte. (Insofern ist uns in Nr. 6 ein Fehler unterlaufen: Der zitierte Art. 7 steht nicht im Deutschlandvertrag selbst, sondern im Überleitungsvertrag.)

Die offizielle Bezeichnung des Deutschlandvertrages (der manchmal auch "Generalvertrag" genannt wird) lautet: "Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten".

Die offizielle Bezeichnung des Überleitungsvertrages lautet: "Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen".

Wichtig ist nun: Die für Deutschland unangenehmen und nachteiligen Bestimmungen finden sich eben nicht in dem überall in der Literatur zu findenden Deutschlandvertrag, sondern im Überleitungsvertrag. Also in einem Zusatzabkommen, das nicht in der ursprünglichen Fassung vom 26.5.1952 in Kraft trat, sondern in der geänderten Fassung, die am 23.10. 1954 in Paris unterzeichnet wurde. Dort heißt es in Art. 7 Absatz 1:

"Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln."




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