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Eisenerz

22.10.2004  |  Ralph W. Stemper
Engpass Eisen und Stahl

Wer hätte das zu denken gewagt? Aktien von Stahlkochern wie Arcelor, Nippon Steel, Salzgitter und Krupp, die noch vor wenigen Jahren nah an der Pleite vorbeigeschlittert sind, stehen heute ganz oben auf den Empfehlungslisten der Banken. Arcelor hat vor kurzem ihre Preise um 20 Prozent erhöht. Das erinnert uns an die sechziger Jahre, als Thyssen und Krupp zu den ertragstärksten Unternehmen zählten und das Ruhrgebiet das Herz des Industriestandortes Deutschland war.

Aber damals war Europa eine große Baustelle: neben dem Boom im Wohnungs- und Bürobau wurden Industrieanlagen neu errichtet, erweitert oder modernisiert und die Infrastruktur neu angelegt. Das Wachstum der westlichen Industrieländer schien keine Grenzen zu kennen. Das gleiche gilt heute für die Schwellenländer China, Indien und zum Teil auch für Lateinamerika. Stahlprodukte, die in den westlichen Industriestaaten nicht verkauft werden können, finden dort reißenden Absatz.


Die Nachfrage

Chinas Eisenerzimporte sind in diesem Jahr bereits um 30 Prozent gestiegen. China hat Japan (als größten Stahlproduzenten der Welt) überholt und ist inzwischen weltweit größter Produzent, aber auch Verbraucher von Stahlprodukten. Das wird auch so bleiben. Man rechnet für die nächsten zehn Jahre mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum der Nachfrage um 10 Prozent. Denn bisher wurden nur Chinas Großstädte versorgt.

Soll auch die große Masse des chinesischen Volkes am Wohlstand partizipieren, sind gewaltige Investitionen erforderlich. Allerdings hatte man in 2004 mit einer Reduzierung der Stahlerzeugung und damit auch der Nachfrage nach Rohstoffen gerechnet, da die chinesische Regierung mit ihrem Konjunkturprogramm auch den Abbau von Stahlkapazitäten beschlossen hatte.

Wie der gewaltige Anstieg der Eisenerzimporte zeigt, ist dies offensichtlich nicht geschehen. Denn betroffen sind vor allem die kleineren Hersteller, die zu Gunsten großer effizienterer Kapazitäten geschlossen werden sollen. Außerdem verlangt die chinesische Regierung den Nachweis langfristiger Verträge mit Rohstofflieferanten, so dass einige rein spekulative Projekte gestoppt werden konnten. Die großen Stahlkocher verfügen jedoch über ausreichende Grundstücke, Lieferantenverträge und vor allem übereinen ständig wachsenden Cash-Flow, um die notwendigen Erweiterungsinvestitionen zu tätigen. So wird die Stahlproduktion wohl in diesem Jahr nochmals um 10 Prozent steigen, allerdings nicht mehr um die 23 Prozent p.a. der letzten drei Jahre. Hinzu kommt die Zunahme der Nachfrage aus dem Rest der Welt, die allerdings nur zusammen mit dem chinesischen Bedarf zu einem Nachfrageüberhang führt.


Das Angebot

Die Lagerbestände an Eisenerz in den chinesischen Häfen nahmen in den ersten 3 Monaten dieser Jahres beträchtlich zu. Dies war auf die Preiserhöhung um 8,5 Prozent zum 1. April zurückzuführen. Allerdings zeigen neuere Statistiken, dass diese Bestände inzwischen weitgehend abgebaut wurden. Dem entspricht auch der Wiederanstieg der Preise des sehr engen Spotmarktes, die vorübergehend um ca. 50 Prozent gefallen waren. Ansonsten bleibt das Angebot knapp. Aufgeschreckt hat in diesem Zusammenhang vor allem eine Meldung aus Indien, das bisher 20 Prozent des chinesischen Eisenerzbedarfs geliefert hat.

Danach will die indischen Regierung Eisenerzexporte stark reduzieren, um den Ausbau der eigenen Stahlproduktion zu fördern. Die Erhöhung des Angebots aus Australien und Brasilien könnte diesen Ausfall nicht wettmachen. Sie entspricht gerade dem Wachstum der Nachfrage. Zwar wurden beträchtliche neue Eisenerzvorkommen aus Brasilien und den USA gemeldet. Bis diese jedoch an den Markt kommen, wird es noch einige Jahre dauern.

Der Engpass liegt nicht bei den Eisenerzvorkommen, sondern in der Erschließung der Transportwege, also der Infrastruktur. Dies gilt nicht nur für neue Vorkommen, sondern auch für bereits gefördertes Eisenerz. So soll BHP Billiton ihre Eisenbahnnetze in Australien für andere Produzenten sperren. Auch die australischen Häfen seien zunehmend überlastet. Hinzu kommt, dass China über eine völlig unzureichende Infrastruktur verfügt, die gerade in den letzten Monaten voll für den Transport von Kohle genutzt wurde, um Energieengpässe zu vermeiden. Es verwundert deshalb auch nicht, dass China um die weltgrößten Logistikunternehmen wirbt, sich verstärkt in China zu etablieren. Ein ausreichendes Angebot wird also weniger von zusätzlichen Eisenerzvorkommen als von beträchtlichen Investitionen in die Infrastruktur abhängen.


Die Preisentwicklung

Da Eisenerz fast ausschließlich im Rahmen langfristiger Lieferverträge verkauft wird, unterliegen Preisanpassungen stets Verhandlungen zwischen Lieferant und Abnehmer, die in der Regel einmal pro Jahr stattfinden. Für den Spitzenbedarf steht ein Spotmarkt zur Verfügung, der allerdings so eng ist, dass dort die Preise - je nach der augenblicklichen Bedarfssituation - sehr starken Schwankungen unterliegen. Eisenerz wird deshalb auch nicht an den organisierten Börsen gehandelt. Wer in den Megatrend Eisenerz investieren möchte, sollte deshalb auch in Aktien der Hersteller investieren.

Die ausgehandelten Preissteigerungen sind in der Tat beträchtlich. 2003 wurde eine durchschnittliche Preiserhöhung von nur 9 Prozent durchgesetzt. Diese stieg im laufenden Jahr schon auf 18,62 Prozent, und Analysten rechnen fest mit einer ähnlichen Preissteigerung für 2005. Eisenerz bleibt Wachstumsmarkt für mindestens zehn Jahre. Die Unternehmensanalysen unseres Reports haben deshalb auch meist mit Gesellschaften zu tun, die einen rheblichen Anteil ihrer Produktion und ihres Umsatzes mit Eisenerz machen. Denn sollten die stark gestiegenen Preise der LME Metalle zurückkommen, bietet Eisenerz den Ausgleich für die Ertragskraft.


© Ralph W. Stemper
www.rohstoff-report.de

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