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Regierungseingriffe und der Kobra-Effekt

05.12.2021  |  Claudio Grass
Vor fast 20 Jahren prägte der deutsche Volkswirtschaftler Horst Siebert den Begriff "Kobra-Effekt", um die realen Konsequenzen "gut gemeinter" Regierungsinterventionen zu beschreiben, die außer Kontrolle gerieten und genau das Gegenteil von dem verursachten, was sie eigentlich bewirken sollten. Der Begriff wurde von einem Ereignis inspiriert, das während der britischen Kolonialherrschaft in Indien stattfand, als die Obrigkeiten versuchten, die Anzahl tödlicher Kobras in Delhi zu reduzieren, indem Bürgern für jede tote Schlange eine Geldprämie geboten wurde.

Wie zu erwarten, dauerte es nicht lange, bis geschäftstüchtige Inder begannen, Kobras zu züchten, um ihr Einkommen aufzustocken. Und als die Obrigkeiten die Torheit ihres Plans erkannten und diesen stoppten, wurden die nun wertlosen Reptilien in die Freiheit entlassen, was wiederum dafür sorgte, dass die Anzahl an Kobras noch höher stieg als vor der Implementierung dieser Strategie.

Diese Begebenheit mag nun fast 100 Jahre her sein, doch der Mechanismus, der dahinter steckt, ist praktisch zeitlos. Er geht immer wieder auf die Überheblichkeit der Zentralbanker zurück, die glauben, sie könnten die Wirtschaft, einen lebendigen Organismus mit zahlreichen Teilnehmern, Kräften und Einzelteilen, zähmen, genauestens verwalten und kontrollieren. Anstatt es dem freien Markt zu erlauben, auf natürliche Weise zu funktionieren, werkeln sie naiv an ihm herum, schränken ihn ein und manipulieren ihn.

Das Ergebnis ist immer das gleiche: Entweder bringen ihre Bemühungen keinerlei Ergebnisse, was in der Regel mit hohen Kosten verbunden ist, oder, was noch öfters der Fall ist, ihre Pläne gehen einfach nach hinten los und verschlimmern die Situation nur weiter. Oder wie Mark Twain so schön sagte: "Der beste Weg, die Anzahl der Wölfe in Amerika, die Zahl der Kaninchen in Australien und die Population der Schlangen in Indien zu erhöhen, ist ein Kopfgeld auf sie auszusetzen."

Im Laufe der Geschichte konnten wir das zahlreiche Male in verschiedenen Ländern, Epochen und unter ganz unterschiedlichen Umständen beobachten. Als die USA in den 1860er Jahren versuchten, ihr erstes transkontinentales Eisenbahnsystem fertigzustellen, finanziert mithilfe von staatlichen und US-Subventionsanleihen, hielt der Kongress es für eine gute Idee, die Vertragsnehmer für jede Meile Bahnschienen zu bezahlen. Die Union Pacific Railroad legte daraufhin die Schienen in Form eines Bogens, um ihren Profit zu maximieren.

Ein weniger amüsantes Beispiel findet man wenig später in Kanada. Mitte des letzten Jahrhunderts dachte sich die Regierung einen inspirierten Sozialhilfeplan aus, um den schwächsten und verwundbarsten Mitgliedern jeder Gesellschaft zu helfen: Waisenkindern und psychisch kranken Menschen. Sie bezahlte den Einrichtungen 70 Cent/Tag für jede Waise und 2,25 Dollar/Tag je Patient. Geschätzte 20.000 Waisenkinder wurden absichtlich fehldiagnostiziert und fälschlicherweise als psychisch krank eingestuft und zwangsweise in staatlichen Einrichtungen untergebracht, bis sie das Erwachsenenalter erreichten und als unprofitabel galten.

Ähnliche Resultate brachte der "Endangered Species Act of 1973" in nicht so ferner Vergangenheit in den USA hervor, ein Statut, das noch immer gilt. Unterzeichnet von Präsident Nixon verhängte das Gesetz strikte Bau- und Entwicklungseinschränkungen für Grundstücksbesitzer, die gefährdete Tierarten auf ihrem Grundstück finden.

Das Gesetz war offensichtlich dazu gedacht, diese Arten sowie deren Lebensraum zu erhalten und schützen, hatte jedoch genau den gegenteiligen Effekt: Die Angst davor, das Recht zu verlieren, das eigene Grundstück zu bebauen und zu nutzen, führte dazu, dass viele Landbesitzer Gebiete, die als attraktive Heimat für derartige Arten gedient hätten, präventiv zerstörten; außerdem sorgte es dafür, dass manche Landbesitzer gefährdete Tierarten, die sie auf ihrem Grundstück fanden, absichtlich ausrotteten.

Für jeden vernünftigen Leser ist klar, dass derartiges Verhalten - so unnatürlich, irrational und sinnlos es ist - niemals ohne Eingreifen der Zentralbanker eingetreten wäre. Es gibt keine derartigen Anreize an einem wirklich freien Markt und würde man seinen Nachbarn bei ähnlichen Aktivitäten beobachten, ohne den vollständigen Kontext und die künstlichen Wirtschaftskräfte zu kennen, die von staatlichen Akteuren erfunden und festgelegt wurden, dann würde man ihn sicherlich für einen Verrückten oder Psychopathen halten.

Und obwohl es offensichtlich ist, dass die Erschaffung derart perverser Anreize vielen Menschen, der natürlichen Umwelt und ganzen Wirtschaftszweigen unmittelbar realen und oftmals unwiderruflichen Schaden zufügen können, sollte man auch die Nebeneffekte dieser Maßnahmen nicht außer Acht lassen. Auch wenn sie zumindest auf den ersten Blick weniger klar erkennbar sind, gibt es langfristige und weitreichende Folgen, die aus der Eitelkeit einiger weniger Menschen hervorgehen, die glauben, sie wüssten, was für Millionen anderer Menschen das Beste ist.


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