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Interview mit Simon Hunt: Wetterverlauf, Hungersnöte und die menschliche Gier

19.02.2022  |  Claudio Grass
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Claudio Grass: Um noch einmal auf die Situation in der Ukraine zurückzukommen: Wir haben viele Drohungen und "rote Linien" von Seiten der USA und der NATO vernommen, während die Haltung Russlands unerschütterlich oder zumindest schwerer zu durchschauen zu sein scheint. Was sind die Hauptgründe für den Konflikt und welches Ergebnis erwarten Sie am ehesten?

Simon Hunt: Die Ukraine ist nur ein, wenn auch wichtiger, Teil des größeren Problems, nämlich der Sicherheit der russischen Grenzen. Trotz der 1990 unterzeichneten Vereinbarungen zwischen Gorbatschow, Bush und anderen Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder, sich keinen Zentimeter nach Osten zu bewegen, ist es zu einem ständigen Vordringen an die Grenzen Russlands gekommen.

Hätten sich die NATO und die Ukraine an das Minsker Abkommen gehalten, gäbe es keine Probleme in oder mit der Ukraine, aber keine der beiden Parteien hatte die Absicht, dies zu tun. Es waren Obamas Kriegstreiber, die den Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten im Jahr 2014 initiiert haben.

Jetzt tummelt sich dieselbe Meute von Kriegstreibern auf Bidens Koppel. Es wird schwierig sein, sich ihres Einflusses zu entledigen. Überließe man es den professionellen Diplomaten, würde eine Lösung gefunden, um den Krieg und Russlands Ängste um seine Grenzsicherheit zu beenden.

Russland hat nicht die Absicht, das Land zu übernehmen; die Ukraine ist verarmt, ein zerrüttetes und durch und durch korruptes Land, das nur ein Klotz am Bein Russlands wäre.

In Moskau wird befürchtet, dass die USA eine "False-Flag-Operation" starten, die an das Vorgehen in Syrien erinnert, indem sie beispielsweise chemische Kampfstoffe gegen die Zivilbevölkerung einsetzen und die Operation Russland in die Schuhe schieben, wie es der russische Verteidigungsminister angedeutet hat.

Sollte dies geschehen, wäre Russland gezwungen, in die Donbass-Region einzumarschieren, und zwar nur bis zur Grenze zu dem, was ich die Kiewer Ukraine nenne. Russland betrachtet den Donbass ebenso wie die Krim als russisches Territorium.

Die Lage ist angespannt. Die Ukraine verfügt über eine Armee von über 100.000 Mann, die an den Grenzen des Donbass stationiert ist und von der NATO massiv unterstützt und bewaffnet wird, während Russland etwa 130.000 Mann 100 bis 400 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt stationiert hat.

Wenn die Kriegstreiber davon abgehalten werden können, eine False-Flag-Operation zu starten, dann kann eine diplomatische Lösung gefunden werden, in deren Mittelpunkt ein langes Moratorium steht, wonach es weder der Ukraine noch Georgien erlaubt ist, Mitglied der NATO zu werden. Eine Begrenzung der Menge der militärischen Ausrüstung und der Raketen in einer ausgehandelten Entfernung von Russlands Grenzen wäre der Anfang jeder erfolgreichen Verhandlung - so würde ich vermuten.

Die gestrige Ankündigung Moskaus, einige der russischen Truppen und Ausrüstungen auf ihre Stützpunkte zurückzuziehen, sollte nicht als Ende der Krise verstanden werden, wie manche meinen. Das ist eine typische Putinsche Taktik.

Der Schlüssel zur Lösung der Verhandlungen liegt tatsächlich darin, dass weder die NATO noch ein einzelnes Land Raketen in Osteuropa stationiert. Alles andere ist ein Nebenschauplatz. Das ist der Kern von Russlands Forderungen.

Natürlich ist die Sicherheit der russischen Grenzen Teil des globalen Bildes: die Entwicklung einer landesweiten Struktur, die eine andere Regierungsführung und andere Werte vertritt als die USA, was durch Putins angebliche Bemerkung gegenüber Macron gut beschrieben wird: "Die Bürger des Irak, Libyens, Afghanistans und Jugoslawiens haben gesehen, wie friedlich die NATO ist.


Claudio Grass: Eine weitere Nation, die oft als unmittelbare Bedrohung für den Westen angesehen wird, ist natürlich China. Obwohl sich das Wirtschaftswachstum des Landes etwas abgekühlt hat, da es von seinem aufstrebenden Status und dem beispiellosen Wachstum des letzten Jahrzehnts "gereift" ist, ist seine geopolitische Agenda für viele außenstehende Beobachter immer noch beunruhigend. Sollten seine territorialen Streitigkeiten und massiven Auslandsinvestitionen als Zeichen der Expansion gewertet werden und im Westen die Alarmglocken läuten lassen?

Simon Hunt: China ist natürlich ein Land, das ich ein wenig kenne, da ich es seit 1993 besuche. In den darauf folgenden 15 Jahren besuchte ich jedes Jahr etwa 80 Fabriken in rund 50 verschiedenen Städten und Gemeinden. Seitdem beschränken sich meine Besuche auf einige alte und neue Freunde, deren Portfolios breit gefächert genug sind, um mir einen guten Einblick in die Wirtschaft zu geben.

Chinas Ambitionen bestehen nicht darin, die Welt zu beherrschen, indem es die Vorherrschaft Amerikas verdrängt. Es will eine multinationale Welt, in der die einzelnen Länder Regierungen schaffen können, die mit ihrer Kultur und Geschichte im Einklang stehen. Die Entwicklung der BRI, die strategische Allianz mit Russland, das neue 25-Jahres-Abkommen mit dem Iran, die mit anderen Staatsoberhäuptern angestrebte Vermittlung von Frieden zwischen den Ländern des Nahen Ostens und Asiens sind Teil dieses Bestrebens. Ziel ist es, eine Welt außerhalb der Reichweite von Amerikas langem Arm zu schaffen.

Die Bedeutung des 25-jährigen Abkommens mit dem Iran wird vielleicht am wenigsten verstanden. Teil dieses Pakets sind Chinas Investitionen in den Aufbau von Produktionskapazitäten im Iran unter der Kontrolle chinesischer Staatsunternehmen. Auf diese Weise wird der Iran mit seinen billigeren Arbeitskräften, Energiepreisen und seiner Lage zu Chinas neuer Exportproduktionsbasis.

Bemerkenswert ist, dass der Iran etwa 20% seines BIP für Bildung ausgibt. Die Alphabetisierungsrate liegt bei über 96%. Die Universitäten haben jährlich etwa 700.000-750.000 Absolventen, von denen etwa die Hälfte einen Abschluss in Natur- oder Ingenieurwissenschaften hat. Das ist eine gute Grundlage für chinesische Investitionen in die verarbeitende Industrie.

Ein Schlüsselthema ist natürlich Taiwan. Die chinesische Führung glaubt, dass im Laufe der Zeit Kompromisse erzielt werden können, die eine friedliche Eingliederung der Insel in das Festland ermöglichen. Deng soll immer gesagt haben, dass das Jahr 2028 das Jahr ihres Schicksals sein würde. Taiwan ist natürlich der größte Investor in China mit über 1 Million Taiwanern, die auf dem Festland arbeiten.

Aber China darf nicht in Ruhe gelassen werden. Die Kriegstreiber in Washington bestehen auf ihren Anteil, denn sie haben weitaus engere Beziehungen initiiert, als unter dem Gesetz von 1992 vereinbart wurde. Der neue National Defense Authorization Act 2022, der am 27. Dezember 2021 unterzeichnet wurde, ist ein weiteres Beispiel für die Politik der USA, China mit einem Kreis von Militärbasen zu umgeben, von denen sich eine in Taiwan befinden wird.


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