Präzedenzfall Northern Rock
15.09.2007 | Robert Rethfeld
Es ist der erste Bank-Run, den ich bewusst erlebe. Am Freitag und Samstag bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen der britischen Hypothekenbank „Northern Rock“, vereinzelt kam es zu Schlägereien. Die Server brachen unter der Last der Online-Abbuchungswilligen zusammen. Wenn Kunden glauben, dass Ihr Geld auf der Bank nicht mehr sicher ist, dann entsteht ein großer und medial verstärkter Vertrauensschaden. Was ist das für eine Welt? Diejenigen, die die Geschichte der Boom/Bust-Zyklen studiert haben, fühlen sich immer stärker an frühere Krisen erinnert. Neu im Spiel sind jedoch die Online-Banken. Man kann sich lebhaft vorstellen, was passiert, wenn es zu einem Bank-Run auf eine Online-Bank kommen sollte. Erinnern Sie sich noch an die Situation von Ende Februar dieses Jahres? Hier ist der damalige Bericht von Jochen Steffens, der übrigens sehr gute Verhaltenstipps enthält.
Ist es die Aufgabe einer Zentralbank, angeschlagenen Unternehmen unter die Arme zu greifen? Im Fall Northern Rock ist dies geschehen. Hier wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der anderen Banken und Unternehmen signalisiert: Im Falle des Falles werden wir elegant aufgefangen. Stellen Sie sich vor, die Weltwirtschaft gleitet in eine rezessive Phase ab. Nicht nur Hypothekenbanken, sondern auch Investment- und Geschäftsbanken, ja sogar viele Wirtschaftunternehmen würden in einem solchen Fall Probleme mit ihrer Kreditlinie bekommen. Die Unternehmensleitungen stünden vor der Entscheidung, entweder Insolvenz anzumelden oder zu ihrer Zentralbank zu gehen, um dort eine Kreditlinie anzufragen. Wie werden sich Mervyn King (UK-Zentralbankchef), Claude Trichet oder Ben Bernanke in solchen Fällen verhalten? In England scheint es so gelöst worden zu sein, dass Northern Rock einen "Strafzins" von 7 Prozent bezahlt und mehr Sicherheiten als üblich hinterlegen muss.
Die Zentralbanken übernehmen inzwischen durch ihre fortgesetzte Bereitstellung von Liquidität die Funktion, die Banken untereinander einmal hatten: Nämlich sich gegenseitig Kredite einzuräumen. Ein Pfeiler unseres auf Vertrauen basierenden Finanzsystems ist damit eingeknickt. Der zweite Pfeiler (Vertrauen Kunde zu Banken) ist mit dem Northern Rock Bank-Run weiter angesägt worden. Der zentrale Pfeiler ist jedoch das Vertrauen des Marktes (und auch der Verbraucher) in die Zentralbanken. Dieser Pfeiler steht ungebrochen, muss aber eine höhere Last als noch vor einigen Monaten tragen.
Kurzfristige Belastungsspitzen, die sich über einige Wochen erstrecken, können von den Zentralbanken problemlos abgefedert werden. Eine LTCM-Krise würde heute nicht mehr so viel Aufsehen erregen wie noch 1998. Der Schaden im Finanzsektor ist schon jetzt viel höher als damals, wenn man die Vertrauenskrise, die Hausbaukrise, die Subprime-Krise und die Commercial-Paper-Krise zusammenzählt.
Der Faktor Zeit ist wichtig. Fortgesetzter Dauerdruck über Monate (das gab es 1998 nicht) dürfte auch die Zentralbanken als die letzten Kreditgeber nicht unbeeindruckt lassen. Zinssenkungen wirken sich erst mit Verzögerung positiv auf die Realwirtschaft aus. Man kann sich ziemlich sicher sein, dass die "Northern Rocks dieser Welt" bereits in den Startlöchern stehen, um bei ihren Zentralbanken Kredite einzufordern. Dieses Problem lässt sich nicht durch eine Senkung der Leitzinsen lösen. Auch wirkt sich eine Leitzinssenkung erst mit zeitlicher Verzögerung auf die Realwirtschaft aus.
Ein kleiner Sprung: Nachfolgend zeigen wir den üblichen Verlauf des Dow Jones Index in Rezessionen, die in einem 7er-Jahr beginnen. Durchschnittlich beginnt die Schwäche-phase an den Aktienmärkten (schwarzer Pfeil) drei Monate vor Rezessionsbeginn.
In der Phase drei Monate vor bis fünf Monate nach Rezessionsbeginn kommt es mehrheitlich zu Kursverlusten im Bereich von 20 bis 25 Prozent. Danach beruhigt sich der Aktienmarkt und steigt deutlich an, noch bevor die Rezession ihr Ende findet. Jede Rezession läuft anders ab, so dass dieser Durchschnittsverlauf nur Anhaltspunkte für einen - wahrscheinlich bevorstehenden - Rezessionsablauf liefern kann.
© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de
P.S.: Wir schauen hinter die Märkte und betrachten diese mit exklusiven Charts! Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.
Ist es die Aufgabe einer Zentralbank, angeschlagenen Unternehmen unter die Arme zu greifen? Im Fall Northern Rock ist dies geschehen. Hier wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der anderen Banken und Unternehmen signalisiert: Im Falle des Falles werden wir elegant aufgefangen. Stellen Sie sich vor, die Weltwirtschaft gleitet in eine rezessive Phase ab. Nicht nur Hypothekenbanken, sondern auch Investment- und Geschäftsbanken, ja sogar viele Wirtschaftunternehmen würden in einem solchen Fall Probleme mit ihrer Kreditlinie bekommen. Die Unternehmensleitungen stünden vor der Entscheidung, entweder Insolvenz anzumelden oder zu ihrer Zentralbank zu gehen, um dort eine Kreditlinie anzufragen. Wie werden sich Mervyn King (UK-Zentralbankchef), Claude Trichet oder Ben Bernanke in solchen Fällen verhalten? In England scheint es so gelöst worden zu sein, dass Northern Rock einen "Strafzins" von 7 Prozent bezahlt und mehr Sicherheiten als üblich hinterlegen muss.
Die Zentralbanken übernehmen inzwischen durch ihre fortgesetzte Bereitstellung von Liquidität die Funktion, die Banken untereinander einmal hatten: Nämlich sich gegenseitig Kredite einzuräumen. Ein Pfeiler unseres auf Vertrauen basierenden Finanzsystems ist damit eingeknickt. Der zweite Pfeiler (Vertrauen Kunde zu Banken) ist mit dem Northern Rock Bank-Run weiter angesägt worden. Der zentrale Pfeiler ist jedoch das Vertrauen des Marktes (und auch der Verbraucher) in die Zentralbanken. Dieser Pfeiler steht ungebrochen, muss aber eine höhere Last als noch vor einigen Monaten tragen.
Kurzfristige Belastungsspitzen, die sich über einige Wochen erstrecken, können von den Zentralbanken problemlos abgefedert werden. Eine LTCM-Krise würde heute nicht mehr so viel Aufsehen erregen wie noch 1998. Der Schaden im Finanzsektor ist schon jetzt viel höher als damals, wenn man die Vertrauenskrise, die Hausbaukrise, die Subprime-Krise und die Commercial-Paper-Krise zusammenzählt.
Der Faktor Zeit ist wichtig. Fortgesetzter Dauerdruck über Monate (das gab es 1998 nicht) dürfte auch die Zentralbanken als die letzten Kreditgeber nicht unbeeindruckt lassen. Zinssenkungen wirken sich erst mit Verzögerung positiv auf die Realwirtschaft aus. Man kann sich ziemlich sicher sein, dass die "Northern Rocks dieser Welt" bereits in den Startlöchern stehen, um bei ihren Zentralbanken Kredite einzufordern. Dieses Problem lässt sich nicht durch eine Senkung der Leitzinsen lösen. Auch wirkt sich eine Leitzinssenkung erst mit zeitlicher Verzögerung auf die Realwirtschaft aus.
Ein kleiner Sprung: Nachfolgend zeigen wir den üblichen Verlauf des Dow Jones Index in Rezessionen, die in einem 7er-Jahr beginnen. Durchschnittlich beginnt die Schwäche-phase an den Aktienmärkten (schwarzer Pfeil) drei Monate vor Rezessionsbeginn.
In der Phase drei Monate vor bis fünf Monate nach Rezessionsbeginn kommt es mehrheitlich zu Kursverlusten im Bereich von 20 bis 25 Prozent. Danach beruhigt sich der Aktienmarkt und steigt deutlich an, noch bevor die Rezession ihr Ende findet. Jede Rezession läuft anders ab, so dass dieser Durchschnittsverlauf nur Anhaltspunkte für einen - wahrscheinlich bevorstehenden - Rezessionsablauf liefern kann.
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