Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Der Cantillon-Effekt: Wer zahlt den höchsten Preis?

10.04.2022  |  Claudio Grass
Jedes Mal, wenn Regierungsbeamte ihre großen Ausgabenpläne, neuen Sozialprogramme und ihre ehrgeizigen "Jobschaffungspläne" ankündigen, werden sie immer in Verteidigung der ärmsten und am Rande unserer Gesellschaft stehenden Mitglieder präsentiert. In Koordination mit ihren Zentralbankern drucken und geben sie willkürlich neues Geld aus, behaupten, es sei zum Vorteil der Schwächsten unter uns und dass all diese neu geschaffenen Mittel sie unterstützen würden, ohne damit den Steuerzahler weiter zu belasten.

Das ist ihrer Meinung nach der beste Weg hin zum Wohlstand - und er ist ganz einfach: Wenn wir denjenigen helfen, die nicht genug Geld haben, warum drucken wir dann nicht einfach welches und geben es ihnen?

Während der Denkfehler in diesem Gedankengang selbst für ein Kind offensichtlich sein dürfte, scheinen die meisten Bürger und Wähler ihn dennoch nicht zu erkennen. Denn schließlich mag es niemand, höhere Steuern zu zahlen, und wenn es eine schmerzlose "Win-Win"-Möglichkeit gibt, um den Notleidenden zu helfen, würden sich die meisten rationalen Akteure natürlich dafür entscheiden.

Das Problem ist, dass in dieser Annahme kein Fünkchen Wahrheit steckt. Zum einen ist dieser Prozess sicherlich nicht schmerzlos. Wenn mehr Geld derselben Menge Waren gegenübersteht, dann werden die Preise zwangsläufig steigen und jeder verliert. Doch es gibt eine sehr wichtige Unterscheidung, die wir hier machen müssen, welche das gesamte Argument für das Drucken und Ausgeben von Geld, um den Armen zu helfen, außer Kraft setzt: Während es stimmt, dass am Ende alle verlieren, so erleiden wir diese Verluste nicht alle zeitgleich oder im selben Ausmaß.

Dieses Phänomen wurde erstmals vor einigen Jahrhunderten von Richard Cantillon, einem großartigen Volkswirtschaftler, der seiner Zeit voraus war, beschrieben und erklärt. Wie Murray Rothbard sagte: "Die Ehre als "Vater der modernen Volkswirtschaft" bezeichnet zu werden, gebührt also nicht dem üblichen Titelträger Adam Smith, sondern einem französisierten, irischen Händler, Banker und Abenteurer, der seine erste Wirtschaftsabhandlung mehr als vier Jahrzehnte vor der Publikation von Wealth of Nations schrieb. Richard Cantillon (ca. frühe 1680er Jahre bis 1734) ist einer der faszinierendsten Charaktere in der Geschichte der sozialen und wirtschaftlichen Denkschule."

Er befasste sich mit der Frage, was in einer Wirtschaft geschieht, wenn plötzlich neues Geld injiziert wird. Seine sehr aufschlussreiche Schlussfolgerung war, dass die Wirkung davon abhing, wer die Kontrolle über dieses neue Geld hatte und an welchem Punkt es in die Wirtschaft gelangte. Auch wenn die Zufuhr von genug neuem Geld letztlich zu inflationären Szenarien führt, so betreffen diese Effekte nicht jeden zur gleichen Zeit. Tatsächlich gereichen sie einer Minderheit der wirtschaftlichen Akteure zum Vorteil, bevor sie alle anderen negativ beeinflussen.

Der Hauptgedanke hinter diesem Argument ist ziemlich unkompliziert: Nachdem das neue Geld geschaffen wurde, können es diejenigen, die es zuerst erhalten, ausgeben und Dinge auf demselben Preisniveau wie zuvor erwerben. Doch sobald das neue Geld weiter zirkuliert, beginnen diese Preisniveaus zu steigen, und es sind letztlich diejenigen, die das Pech haben, "die Letzten in der Reihe" zu sein, die am meisten unter den Preiszunahmen leiden. Wenn die neuen Finanzmittel bei ihnen ankommen, sind bereits die grundlegendsten Dinge deutlich teurer geworden, üblicherweise um eine viel größere Spanne, als dass sie das neue Geld abdecken könnte.

Und wer sind diejenigen, die das Glück haben, sich immer in vorderster Reihe wiederzufinden, und die die Preise für alle anderen nach oben treiben? Nun, wie wir während der Großen Rezession beobachten konnten, doch wie wir auch jetzt in Echtzeit, nach dem Fiasko mit den COVID-Hilfen und präzedenzlosen Mengen neuen Geldes, die ins System geschleust wurden, sehen, sind es die Banken, der Finanzsektor im Allgemeinen, und all die kapitalistischen Unternehmen mit enger Verbindung zu Regierungen.

Auf diese Weise geriet die Immobilienblase außer Kontrolle und gewöhnliche Bürger und Steuerzahler mussten diejenigen retten, die das System ausgenutzt hatten. Und aktuell spielt der Cantillon-Effekt auch eine große Rolle in der Energiekrise. Es sind die ärmsten und die am meisten am Rande stehenden unter uns, die dazu gezwungen werden, sich zwischen dem Heizen ihres Zuhauses und dem Kauf von Lebensmitteln zu entscheiden.

Zwar ist es richtig, dass die Inflation, als allgemeines Phänomen, für die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt toxisch ist, so ist es wichtig, diese Nuancen im Gedächtnis zu behalten. Die politische Rhetorik, die verwendet wird, insbesondere im Westen, um fiskalpolitische Freizügigkeit und geldpolitische Leichtsinnigkeit zu rechtfertigen, verlässt sich stark auf die Tatsache, dass die meisten Bürger das "Kleingedruckte" nicht verstehen. Deshalb wird so stark an die Emotionen appelliert und so viele "Argumente" aufgeführt, die im Grunde jeden, der mit derartigen Maßnahmen nicht einverstanden ist, als Misanthropen, der sich nicht um seine weniger wohlhabenden Nachbarn schert, verurteilen.

Scheinbar ehrenwerte Ziele wie das "Allgemeinwohl", "Mitleid" oder "Solidarität" zu propagieren, ist schließlich der älteste Trick der Welt, auf den Politiker aller Couleur und Auffassungen zurückgreifen können. Es ist unsere Pflicht als unabhängige Denker und vernünftige Bürger, diesen sich widersprechenden Unsinn durch Fakten und Vernunft zu zerstreuen. Wie die Geschichte klar gezeigt hat, wird dem "Allgemeinwohl" niemals so schlecht gedient, wie wenn der Staat versucht, in die Wirtschaft einzugreifen, um dieses Ziel zu erreichen.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Dieser Artikel wurde am 06.04.2022 auf claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"