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Der Weg für ein 2008-Déjà-vu wird bereitet

28.08.2022  |  Claudio Grass
Es scheint als hätten die Zentralbanker der Bank of England ein sehr kurzes oder zumindest sehr selektives Gedächtnis. Nachdem sie präzedenzlose Lockerungsmaßnahmen während der COVID-Krise eingeführt und die Regierung in ihren Bemühungen, die Wirtschaft in der gleichen Zeitspanne mit frischem Bargeld zu überfluten, unterstützt hat, hat sich die Zentralbank nun in eine sehr wenig beneidenswerte Lage gebracht.

Da die Inflation in die Höhe schoss und die Lebenshaltungskosten für die meisten Verbraucher und Steuerzahler explodierten, gab es keine andere Wahl als die Zinsen zu erhöhen.

Doch diese Entscheidung hatte eine sehr wichtige Kehrseite: Sie war politisch nicht vertretbar und die Auswirkungen würden sich unweigerlich bald als extrem unpopulär erweisen, vor allem für Kreditnehmer. Das könnte eine verheerende Wirkung auf den Immobilienmarkt haben, der sich bereits seit längerer Zeit in einer Blase befindet. Und somit war die Lösung klar. Um diese Herausforderung zu handhaben, erschien es der Zentralbank wohl der verantwortungsvollste Weg zu sein, einen "frag nicht, sag nichts"-Ansatz im Hinblick auf Hypotheken zu pflegen und nicht zu hinterfragen, wer sich diese auch wirklich leisten kann.

Die BBC berichtete wie folgt: "Die Regulierungen für die Aufnahme von Hypotheken wurden gelockert, nachdem die Bank of England eine Erschwinglichkeitsprüfung abgeschafft hat. Der 'Stresstest' verpflichtete Kreditgeber zu kalkulieren, ob potenzielle Kreditnehmer einen Zinssatz von bis zu 3% verkraften könnten. Diese Prüfung abzuschaffen könnte es einigen möglichen Kreditnehmern erlauben, Kredite zu erhalten, wie z. B. Selbstständigen oder Freiberuflern."

Dieser Test, der seit dem 1. August nicht mehr erforderlich ist, wurde erstmals 2014 eingeführt, um sicherzustellen, dass sich das Dominodesaster fauler Kredite, das wir 2008 erlebten, nicht wiederholt. Mit einem ähnlichen Ansatz der "mutwilligen Ignoranz" vergaben Banken in den USA damals Kredite an Menschen, die es sich niemals leisten würden können, diese zurückzuzahlen. Die damalige Strategie bestand nicht darin, Geld mit den Krediten an sich zu machen, sondern diese aufzuarbeiten und weiterzuverkaufen. Das funktionierte wunderbar, bis es schließlich dazu führte, dass die gesamte Wirtschaft implodierte. Diesmal sind die Risiken deutlich höher.

Den Banken rechtlichen Spielraum zu geben, Kredite mit lockereren Bedingungen zu vergeben, wird unausweichlich zur Ansammlung fauler Kredite führen. Nach sechs aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen ist das Kreditbusiness endlich wieder profitabel, also ist es offensichtlich, dass die Banken mehr als froh darum sein werden, ihren Kundenstamm zu erweitern, selbst wenn es sich nicht alle wirklich leisten können, ihre Schulden vollständig zu tilgen.

Weiterhin verstärkt wird die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios durch die Tatsache, dass die Banken wissen, dass man sie im Falle einer 2008-ähnlichen Krise retten wird. Nachdem Steuerzahler für ihre Fehler damals geradestehen durften und nachdem die Regierung während der COVID-Krise klar demonstriert hat, wie weit sie gewillt ist zu gehen, um künstliche Unterstützung für die Wirtschaft zu leisten - mit Maßnahmen wie der Ausgabe von Schecks an geschlossene Unternehmen und die Einführung eines dreimonatigen "Hypothekenzahlungsurlaubs" - können die Banken heute darauf vertrauen, dass ihnen wieder geholfen werden wird, sollten sie mehr Risiko eingehen, als sie tatsächlich verkraften können.

Des Weiteren wird das Abschaffen der Hypothekenerschwinglichkeitsprüfung die Immobilienblase weiter anschüren. Da nun mehr Menschen in der Lage sind, Hypotheken aufzunehmen, werden die Immobilienpreise zwangsläufig weiter ansteigen. Laut dem Office for National Statistics (ONS): "Ein durchschnittliches Eigenheim in England kostet etwa das 8,7-fache des durchschnittlichen jährlichen verfügbaren Haushaltseinkommens. Das ist das höchste Verhältnis von Einkommen zu Hauspreis seit 1999.“

Zum derzeitigen Zeitpunkt erscheint ein Zusammenbruch des Immobilienmarktes unausweichlich, wenn man den wirtschaftlichen Abschwung und die akute Lebenshaltungskostenkrise bedenkt, die die meisten Haushalte heimsucht. Und obgleich es schwer zu sagen ist, wann es passieren oder was genau es auslösen wird, so ist sicher, dass die kürzliche Entscheidung der Bank of England die Auswirkungen dieser Krise verstärken wird.

Wenn wir von der Lebenshaltungskostenkrise sprechen, ist es wichtig zu verstehen, wie schlimm die Situation im Vereinigten Königreich gerade ist. Die Preise steigen derzeit schneller als je zuvor in den letzten 40 Jahren und die Löhne können einfach nicht mithalten. "Mehr als ein Drittel der Menschen in England, Wales und Schottland reduzieren ihren Verbrauch an Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs, um ihre Lebenshaltungskosten zu reduzieren.", heißt es in einer aktuellen ONS-Umfrage.

Und während sich der Sommer langsam dem Ende zuneigt, steht den Haushalten ein sehr teurer Winter bevor. Prognosen gehen davon aus, dass die durchschnittliche inländische Stromrechnung mehr als 3.600 Pfund betragen könnte, und die Bank of England warnt, dass die Inflation im späteren Verlauf des Jahres auf über 13% ansteigen könnte.

Angesichts dieser düsteren Prognose ist schwer vorstellbar, dass Kreditnehmer, die bereits finanziell unter Druck stehen, das Abbezahlen einer Hypothek, die sie sich von vornherein nicht leisten konnten, priorisieren werden, wenn sie zeitgleich Probleme haben, Essen auf den Tisch zu bringen oder ihre Häuser zu heizen, insbesondere mit steigenden Zinsen. Alles in allem ist diese vollkommen vermeidbare und absolut selbstverschuldete Krise eine weitere Erinnerung an die Kurzsichtigkeit, den Leichtsinn und die Verantwortungslosigkeit der Politiker und Zentralbanker.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Dieser Artikel wurde am 16.08.2022 auf claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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