Weizen und Inflation
15.10.2007 | Adam Hamilton
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Während ich mir das im letzten Monat überlegte, kam ich immer mehr zu dem Schluss, dass es für alle Investoren wichtig ist, ein gewisses Bewusstsein für diesen Weizen-Bullenmarkt zu schaffen. Wie sieht Weizen technisch gesehen aus? Wohin wird er wahrscheinlich gehen? Wie sieht er historisch und inflationsbereinigt aus? Haben wir wirklich bereits die höchsten Preise aller Zeiten erreicht oder gibt es immer noch genug Raum für weitere Anstiege? Diese Abhandlung wurde geschrieben, um diese wichtigen Fragen für alle Investoren zu behandeln.Beginnen wir mit dem Chart dieses bisherigen Weizen-Bullenmarktes im üblichen Zeal-Format. Für alle Farmer und Interessierten an Weizen möchte ich noch anfügen, dass mir klar ist, dass es hunderte Weizenpreise gibt. Er ist nicht so einfach substituierbar wie Gold. Es gibt verschiedene Sorten, verschiedene Erntezeiten, verschiedene Qualitäten und Proteingehalte sowie verschiedene Lieferregionen. Den Preis für Weizen zu bestimmen ist nicht so einfach.
In diesem Chart verwendete ich die Sorte "US #2 Hard Red Winter", gehandelt in Kansas City. Warum? Weil ich für diese bestimmte Sorte die meisten historischen Daten zur Verfügung habe. Beeindruckenderweise wird dieser Kontrakt seit 1876 gehandelt!
2000 handelte Weizen unter 3 $ pro Scheffel und die Farmer hatten ein schweres Leben. Wie bei den meisten anderen Rohstoffen waren auch bei Weizen die Investitionen in die Produktion seit Jahrzehnten gemeinsam mit den Preisen zurückgegangen. Das Kapital, das mit Technologie-Aktien beschäftigt war, wollte nichts mit einer derart langweiligen Aufgabe wie dem Anbau von Weizen zu tun haben. Genau aus diesen Samen der Verzweiflung erblühte dann aber ein großartiger Bullenmarkt. Kein Preis bleibt für immer niedrig.
Ende 2000 stieg Weizen schließlich über die 3 $-Marke und begann danach seitwärts zu konsolidieren. Während 3,75 $ nicht all zu weit von 2,75 $ entfernt scheint, war es doch ein Anstieg um 25%, der auf diesem niedrigen Preisniveau einen großen Unterschied machte. Als Weizen Mitte 2001 um die 3 $ pendelte, definierte er eine Unterstützungslinie, die bis 2004 weitgehend halten sollte.
Während diesem anfänglichen, moderaten Aufwärtstrend erlebte Weizen eigentlich einen parabolischen Anstieg. Mitte 2002 schoss sein Preis allein zwischen Ende April und Anfang September um 76% nach oben. Bis zur Spitze seiner Parabel im September 2002 war Weizen schon um 107% gestiegen. Der junge Gold-Bullenmarkt war im Vergleich dazu bis zum selben Zeitpunkt erst um 26% gestiegen. Obwohl dies damals unter Gold-Investoren nicht bekannt war, hatte der Weizen-Bullenmarkt jenen von Gold um das 4-fache outperformt! Wer hätte das gedacht?
Nach seinem schnellen, vertikalen Anstieg Mitte 2002 war sicherlich eine Korrektur des Weizenpreises fällig. Er flachte also Ende 2002 ab, bevor er stark abfiel um Mitte 2003 sogar kurzfristig erneut die 3 $-Marke zu erreichen. Der Weizenpreis erholte sich aber rasch und konsolidierte für die nächsten paar Jahre bis Ende 2005 weitgehend seitwärts. Während Weizen vor seiner Parabel im Jahr 2002 nur selten bei 3 $ handelte, waren danach Preise um und über 4 $ ganz normal. Wenn parabolische Anstiege nicht komplett kollabieren, ist dies ein wichtiges Zeichen, dass wirkliche Angebots- und Nachfrageänderungen den Preis steuern.
Ende 2005 hatten sich die Weizen-Trader bereits gut an einen Preis von 4 $ gewöhnt und die lange Konsolidierung hatte die Euphorie von Mitte 2002 aus dem Markt genommen. Dann setzte Weizen zu seinem zweiten großen Aufschwung an, der steiler und aggressiver war als sein Vorgänger. Dieses wichtige Getreide stieg in einem geordneten neuen Aufwärtstrend immer höher. Bald wurde ein Preis von 5 $ als normal betrachtet und alles unter 3 $ war nur noch eine entfernte Erinnerung.
Dieser zweite Aufwärtstrend hielt sich perfekt bis Juni 2007, als Weizen in einem großen Ausbruch über 6 $ anstieg. Die Farmer, die tendenziell einer älteren Generation angehören, da nicht viele junge Leute genug Kapital und Interesse aufbringen, um in dieses harte Geschäft einzusteigen, waren nun ziemlich aufgeregt. Ein Weizenpreis von über 6 $ ließ schöne Erinnerungen an dieses Preisniveau aufleben, das zuvor erst zwei Mal, nämlich Anfang 1974 und Mitte 1996, erreicht worden war. 6 $ sind heute garantiert nicht so viel wert wie vor einem oder drei Jahrzehnten, aber sie sind immer noch weit besser als 3 $.
Dieser Ausbruch erreichte auch die Aufmerksamkeit von Spekulanten und Hedge-Fonds, die sich für Getreide-Futures interessieren. Die Spekulanten hatten bereits Kapital in harte Rohstoffe wie Metalle und Energie gepumpt, warum also nicht das gleiche Spiel mit weichen Rohstoffen spielen? Die neuen, nominalen Allzeithochs von Weizen erzeugten viel Interesse und Weizen schoss in seinem zweiten parabolischen Aufschwung dieses Bullenmarktes vertikal nach oben. Sein Preis stieg von 3. April bis 1. Oktober dieses Jahres um unglaubliche 89%! Solche Gewinne in nur sechs Monaten sind atemberaubend und stellen bis auf die chinesischen Aktienmärkte praktisch alles Andere in den Schatten.
Bis zu seinem letzten Hoch war Weizen in diesem seit Anfang 2000 laufenden Bullenmarkt um 262% gestiegen. Genau am gleichen Tag erreichte auch Gold ein neues Hoch in seinem eigenen Bullenmarkt. Das altertümliche Metall der Könige war aber bis zu diesem Punkt nur um 191% gestiegen, womit es von Weizen um ein Drittel übertroffen wurde. Unser aktueller Weizen-Bullenmarkt ist also nicht nur sehr präsent und mächtig, er sticht sogar unter den beeindruckenden Gewinnen anderer Rohstoffe heraus.
Das bringt uns zur Frage meines Freundes zurück. Wohin werden sich die Weizenpreise kurzfristig bewegen? Sollte er seinen Weizen sofort verkaufen, ihn mit Put-Optionen absichern oder darauf spekulieren, dass der Preis sogar noch höher steigt? Dieser Chart bietet uns sicherlich einige technische Einsichten zu dieser wichtigen Frage.
Wann immer ein Preis parabolisch ansteigt und vertikal nach oben schießt, um innerhalb kurzer Zeit massive Gewinne zu erreichen, erzeugt er unter seinen Tradern eine gewisse Euphorie. Bei einem Anstieg um 89% in nur sechs Monaten ist es also wahrscheinlich, dass der Großteil des Kapitals, das in diesen Sektor wollte, bereits darin investiert ist. Wie jede andere Parabel in der Geschichte der Märkte wird also auch Weizen seine hohen Preisniveaus mittelfristig wahrscheinlich nicht halten können. Da alle interessierten Käufer vermutlich schon investiert sind, gibt es ganz einfach nicht genug neue Käufer, um den Verkaufsdruck jener Trader, die Gewinne mitnehmen wollen, zu kompensieren. Es ist also wahrscheinlich, dass Weizen an dieser Stelle korrigieren wird.
Die gute Nachricht ist, dass eine Korrektur klar von einem Crash zu unterscheiden ist. Allerdings haben solche Mini-Manien die Eigenschaft, dass sie unberechenbar sind. Wenn wir irgendwelche Angebotsschocks erleben würden, über die viel berichtet wird, sodass noch etwas mehr Kapital in diesen Markt fließt, könnte der Weizenpreis auch noch höher steigen, bevor es zur Korrektur oder Konsolidierung kommt. Wie immer ist es unmöglich, die Zukunft vorherzusagen.
Wenn ich also meine Scheunen voll Weizen hätte, würde ich Put-Optionen auf Weizen kaufen, um einen Floor für die nächsten sechs Monate bis zur Anbauzeit im Frühjahr zu sichern. Obwohl Puts teuer sind, bieten sie die beste Kombination aus Schutz vor einem Preisverfall bis zu ihrem letzten Ausübungsdatum und der Möglichkeit, trotzdem von möglichen Preisanstiegen zu profitieren, sollte diese Parabel noch weiter ansteigen. Hedging mit Futures ist hingegen während eines starken Bullenmarktes riskant, da Überraschungen nach oben viel wahrscheinlicher sind als jene nach unten und daher die Opportunitätskosten für den Fall, zu einem bestimmten Preis verkaufen zu müssen, während eines starken Preisanstiegs ebenfalls schnell steigen. Anders als Futures bieten Put-Optionen den Farmern die Option, nicht aber die Verpflichtung, zu einem bestimmten Preis zu verkaufen.
Auch die bullischen Fundamentaldaten von Weizen sprechen für generell höhere Preise, wenn auch vermutlich keine parabolischen Anstiege. In den USA, dem nach China und Indien drittgrößten Weizenproduzenten der Welt, haben viele Farmer beschlossen, dieses Jahr Mais statt Weizen zu pflanzen. Dank der Ethanol-Euphorie wurde Mais stark nachgefragt und letzten Herbst schien es, als wäre es profitabler, Mais statt Weizen anzubauen. Wo also die Feuchtigkeit hoch genug war, wechselten viele US-Farmer vom traditionellen Weizenanbau auf Mais, um die Ethanol-Nachfrage zu bedienen.
Dazu kommt, dass Dürreperioden und schlechtes Wetter den Weizenfeldern auf der ganzen Welt zusetzten, wodurch das Angebot verringert wurde. In Australien, dem siebent-größten Produzenten, schränkt eine brutale Dürre die Produktion immer noch ein. Allein in diesem letzten Monat sind die Schätzungen für die diesjährige Weizenernte in Australien um 20% gefallen. Kanada, die Ukraine und Europa, ebenfalls riesige Produzenten, hatten dieses Jahr alle Probleme mit dem Wetter.
Außerdem steigt die weltweite Nachfrage nach Weizen. Brot schmeckt einfach herrlich und macht uns glücklich. Die Asiaten, die beginnen, unsere westliche Ernährung zu übernehmen, fragen mehr Weizen nach, den sie sich aufgrund eines erhöhten Lebensstandards leisten können. Ja, Kohlehydrate sind wie eine Droge und zu viel davon kann alle möglichen gesundheitlichen Probleme hervorrufen. Nichtsdestotrotz lieben es die Menschen auf der ganzen Welt und sie werden das essen, was ihnen schmeckt. Weizen steht auf dieser Liste weit oben.