Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Fernando del Pino Calvo-Sotelo: Der Niedergang der Vernunft im Westen

17.10.2022  |  Claudio Grass
Es wird Freunde und reguläre Leser nicht überraschen, dass ich in Anbetracht des gegenwärtigen Zeitgeistes, des aktuellen Zustands des staatlichen Bildungswesens und des Niveaus des öffentlichen Diskurses nur eine Handvoll zeitgenössischer Intellektueller hoch schätze. Es wird noch weniger überraschen, dass Fernando del Pino Calvo-Sotelo einer von ihnen ist. Er ist ein freier und unabhängiger Denker, dessen originelle, unverfälschte und ungetrübten Ideen ich oft als inspirierend und anregend empfunden habe, und dessen Schriften seit langem als Denkanstoß und für aufgeklärte Debatten dienen, die diejenigen, die sich darauf einlassen, stets geistig reicher oder zumindest neugieriger zurücklassen als zuvor.

Die folgende Analyse mit dem Titel "Der Niedergang der Vernunft im Westen", die ich Ihnen dringend empfehle, vollständig zu lesen, hat mich besonders berührt. Auch ich habe in den letzten Jahren viel über die Vernunft, ihre Bedeutung und ihren Niedergang im Westen nachgedacht, geredet und geschrieben, und ich halte dieses Thema für eines der bestimmenden für diese Generation.

Der Mangel an Vernunft zeigt sich heute im Bildungswesen, in der Regierung, in den Medien und sogar an den Märkten - jenen "Wahl-" und "Wiegemaschinen", über die Benjamin Graham so ausführlich geschrieben hat. Leider hat keines dieser Systeme eine Chance, ohne Vernunft zu funktionieren. Und diejenigen, die versuchen, die Menschen zu regieren, zu kontrollieren und zu beherrschen, wissen das sehr gut.

Indem man die Vernunft aus der Gleichung herausnimmt und die Fähigkeit zu freiem, ungebundenem und unabhängigem Denken, zu kritischer Bewertung und sachlicher Beurteilung unterdrückt oder sogar ganz ausschaltet, wird die Bevölkerung anfällig für Humbug, populistischen Unsinn und leere Versprechungen aller Art - und es spielt wirklich keine Rolle, ob diese Lücke der Rationalität von rechts- oder linksgerichteten Erzählungen gefüllt wird. Das Ergebnis ist immer dasselbe, nämlich eine rasche und unumkehrbare Entzivilisierung.

"Fakten" werden zu subjektiven, bedingten Konzepten oder, noch schlimmer, semantisch gleichwertig mit persönlichen und weitgehend uninformierten Meinungen. Plötzlich gibt es keine Notwendigkeit mehr für eine vermeintliche Autorität, ihre Behauptungen mit Beweisen, überprüfbaren Daten oder Ähnlichem zu untermauern. Allein dadurch, dass man als "Experte" präsentiert wird, entfällt die Notwendigkeit eines objektiven Beweises.

Schon bald entstehen surreale und in sich widersprüchliche Konzepte wie "die" Wissenschaft und "die" Wahrheit, die niemand anfechten oder gar in Frage stellen darf. Natürlich könnten diese politisch bequemen Absolute niemals von einem rationalen, ständig forschenden Geist angenommen werden, und deshalb ist es wichtig, dass diese aussterben, bevor ein aufstrebender Tyrann wirklich gedeihen kann.

Der Optimist in mir hofft zwar, dass wir noch nicht an einem Punkt angelangt sind, an dem es kein Zurück mehr gibt, doch der Realist sieht, dass wir diesem Punkt schon beunruhigend nahe sind. Wie Fernando in seiner Analyse klar darlegt, gibt es zu viele Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die zeigen, was dieser Niedergang der Vernunft wirklich bedeutet, und zwar auf sehr praktische und greifbare Weise.

Wir haben es während der COVID-Pandemie gesehen. Die Massenhysterie und die blinde Angst, die der Bevölkerung eingeflößt wurde, ebneten den Weg für die Akzeptanz der obszönsten irrationalen Maßnahmen. Sie schaffte es sogar, das Gedächtnis der Mehrheit der Öffentlichkeit scheinbar auszulöschen und sie all die Kehrtwendungen, die schmerzlich falschen Vorhersagen und die eklatant trügerischen Ausreden vergessen zu lassen, mit denen all dies vertuscht wurde. Ein gesunder Respekt vor der wissenschaftlichen Methode verwandelte sich fast über Nacht in eine kultähnliche Anhängerschaft "der Wissenschaft".

Dasselbe Phänomen zeigt sich in jeder größeren politischen oder sozialen Frage, mit der wir uns als Gesellschaft heute auseinandersetzen. Und je mehr auf dem Spiel steht, desto heftiger werden die Angriffe auf die Vernunft und auf jeden Einzelnen, der es noch wagt, diese in seiner Kritik am Status quo zu verwenden. Die wenigen, die es wagen, werden zur Zielscheibe, zu "Verweigerern", zu "asozialen" Elementen, und es herrscht Jagdsaison auf diese "verräterischen" Abweichler. Das Schicksal, das ihnen widerfährt, wird zu einer wertvollen Lektion für den Rest der Gesellschaft.

Diese Lektion ist recht einfach und geradlinig: blindlings folgen und keine Fragen stellen. Das scheint der einfachste und müheloseste Weg zu sein. Dieser Weg ist mit Sicherheit sehr gut gepflastert und hell erleuchtet, und er führt zu dem, was viele von uns für erstrebenswert halten – Konformität, soziale Akzeptanz und einem ruhigen Leben. Aber für diejenigen, die nach Aufklärung streben, besteht der einzige Weg dorthin darin, den weniger frequentierten Weg zu nehmen.

Aber natürlich ist es unmöglich, diesen Weg einzuschlagen, ohne ein klares Verständnis davon zu haben, was Aufklärung eigentlich ist, oder besser gesagt, was sie nicht ist. Es ist nicht die Illusion, der so viele innerhalb des Establishments und der Staatsmaschinerie heute anhängen, nämlich die Idee, dass einige wenige gesalbte, "besondere" Menschen wissen, was für alle anderen das Beste ist, und daher die Pflicht haben, sie zu zwingen, ihren Doktrinen und Richtlinien zu folgen, "um ihrer selbst willen".

Im Gegenteil, wahre Aufklärung im kantischen Sinne erkennt an, dass der Geist vor der Materie kommt und dass niemand jemals sicher sein kann, die Wahrheit zu kennen; wir können nur immer wieder nach ihr suchen, sie hinterfragen und debattieren. Sie geht daher Hand in Hand mit Bescheidenheit und mit der Einsicht, dass die Gedanken, Ideen, das Eigentum und die Lebensziele jedes Einzelnen respektiert werden müssen und dass es so etwas wie einen wohlwollenden Diktator nicht gibt.

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch



Dieser Artikel wurde am 10. Oktober 2022 auf www.claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.

Hinweis Redaktion: Herr Grass ist Referent der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 4. & 5. November 2022 in München stattfindet.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"