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Moderne Geldtheorie: Der Realitätscheck

19.03.2023  |  Claudio Grass
In den letzten Jahren habe ich ausführlich über den Aufstieg der Modernen Geldtheorie (MMT) und all die schwerwiegenden Gefahren geschrieben, die sie von Anfang an mit sich brachte – nicht nur für unsere Volkswirtschaften, sondern auch für unsere Gesellschaften. Obwohl sie damals das Interesse der Medien auf sich zog und viele "Experten"-Debatten monopolisierte, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich dabei lediglich um ein "Strohfeuer" handelte, um eine weitere verrückte Idee, die das Establishment eine Zeit lang unterhielt, um die am stärksten linksgerichteten Elemente in seinen Reihen zu besänftigen, die aber glücklicherweise schnell wieder verpuffte.

Es ist in der Tat schon lange her, dass wir in der Mainstream-Finanzpresse etwas darüber gelesen haben. Wahrscheinlich, so würde der unbedarfte Nachrichtenkonsument denken, ist sie einfach in der Versenkung verschwunden, sie war einfach zu absurd, um sie ernsthaft zu verteidigen. Leider ist diese Annahme vollkommen falsch. Denn anstatt dort zu landen, wo sie hingehört, nämlich im Mülleimer der Geschichte, wird die MMT immer noch als legitime "Alternative" zum konventionellen Denken verteidigt. Sie wird sogar als eine Möglichkeit angepriesen, uns aus dem inflationären Schlamassel zu befreien, in den sie uns überhaupt erst gebracht hat.

Für diejenigen Leser, die sich nicht an die Grundsätze dieser genialen Theorie erinnern, sei gesagt, dass "Defizite keine Rolle spielen", ebenso wenig wie Schulden, und dass Steuern nicht als Einnahmequelle des Staates genutzt werden sollten, sondern nur als Mittel, um die Wirtschaft abzukühlen, wenn sie überhitzt ist. Die MMT lehrt uns, dass Einnahmen im Allgemeinen unwichtig und unnötig sind, da die Regierungen als Emittenten der Währung im Grunde genommen so viel Geld drucken können, wie sie brauchen, daher auch der Spitzname "Magic Money Tree" ("Magischer Geldbaum").

Selbst wenn man die Geduld aufbringt, die Argumente auf einer tieferen Ebene zu erforschen, ist die MMT immer noch genau so verquer, wie sie auf den ersten Blick aussieht, und sie ergibt weder mathematisch noch wirtschaftlich oder rational einen Sinn. Aber andererseits war sie, zumindest aus meiner Sicht, wahrscheinlich nie dazu gedacht, auf irgendeine dieser Weisen Sinn zu ergeben, denn wie ich wiederholt dargelegt habe, ist sie lediglich eine politische Strategie, die als Wirtschaftstheorie getarnt ist.

Und wenn man sie aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist sie wirklich großartig. Sie ermöglicht es, eben doch alles auf einmal zu haben. Wir können im wahrsten Sinne des Wortes Geld machen, indem wir es physisch und auf magische Weise manifestieren. Wir müssen nichts erschaffen oder produzieren und uns auch kein Geld von jemandem leihen, der all diese mühsamen Dinge getan hat. Es ist eine nahezu perfekte Theorie, und ihr einziger Makel ist, dass sie im wirklichen Leben nicht funktioniert.

Wie Jeff Deist in einem kürzlich erschienenen Artikel kurz und bündig erklärte: "Die grundlegende Realität ist, dass mehr Geld keine neuen Waren oder Dienstleistungen in der Wirtschaft erschafft. Geld ist kein Reichtum. Reichtum ist Produktionskapazität; die Fähigkeit, tatsächliche Güter und Dienstleistungen zu schaffen...

Die tatsächliche Produktion erfordert die Zuweisung von realen Ressourcen und realem Kapital. Die Ressourcenzuteilung erfordert Entscheidungen, die entweder durch politische Vorgaben oder auf dem Markt getroffen werden. In beiden Fällen gibt es inhärente Opportunitätskosten, dafür diese Ressourcen und das Kapital nicht anderweitig zuzuweisen. Die Politik kann solche Kompromisse nicht auf magische Weise beseitigen. Ressourcen sind auch dann knapp, wenn das Geld nicht knapp ist."

Die MMT hatte während der Pandemie endlich ihre erste Bewährungsprobe. Nicht, dass ein vernünftig denkender Erwachsener überrascht gewesen wäre, aber es stellte sich heraus, dass Regierungen nicht endlos Geld drucken können, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Ganz vorne steht hier der massive Inflationssprung, den wir derzeit erleben. Bevor die Preise in die Höhe schossen, drehten die MMT-Fans natürlich ihre Siegesrunden und feierten die Tatsache, dass jeder in den USA und die meisten Menschen in anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften Schecks vom "Magischen Geldbaum" erhielten und nichts Schlimmes passiere.

Aber selbst als das Übel unvermeidlich eintrat, veranlasste dieser Realitätscheck die MMT-Befürworter nicht, ihre Haltung zu überdenken. Stattdessen tat Stephanie Kelton, das bekannteste Gesicht der Theorie, die Inflation als vorübergehendes Zeichen für Wachstumsschmerzen der Theorie ab und argumentierte dann, es sei besser, sich damit auseinanderzusetzen, als mit einer schwachen Wirtschaft.

Kürzlich ging sie zu einer noch besseren rhetorischen Taktik über, indem sie behauptete, dass "viele Dinge zum Anstieg der Inflation beigetragen haben" und dass die Ursachen dafür "nicht in absehbarer Zeit geklärt sein werden". Und schließlich bekräftigte sie ihre Position in einem kürzlich erschienenen Artikel der NYT, in welchem sie darauf bestand, dass das MMT-Experiment absolut nicht gescheitert sei.

Das ist das Problem mit dem intellektuellen Stolz und mit jener besonderen Art von Hybris, unter der so viele der heutigen Experten, "Autoritäten" und Politiker zu leiden scheinen. Zuerst weisen sie jede Kritik an ihren Positionen zurück, sie machen unbeirrt weiter, geblendet von Arroganz und dem unerschütterlichen Glauben, dass "sie es am besten wissen", und auch wenn die Realität selbst ihnen das Gegenteil beweist, weisen sie auch das zurück. Das ist traurig genug für sie selbst, aber es ist eine wahre Tragödie für all diejenigen, denen sie in ihrem eitlen Streben, um jeden Preis Recht zu haben, schaden.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Dieser Artikel wurde am 10.03.2023 auf claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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