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Bankenkrise: Die neue Bail-out-Strategie

10.04.2023  |  Claudio Grass
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Im kommenden zweiten Teil werden wir die Probleme im Zusammenhang mit den jüngsten Rettungsaktionen und die großen Gefahren, die die neue, indirekte Rettungsstrategie mit sich bringt, genauer unter die Lupe nehmen.

Fairerweise muss man sagen, dass es dieses Mal wirklich anders ist. In der Tat ist der Rettungsplan für die bankrotten Banken diesmal nicht mit dem von 2008 zu vergleichen. In den USA stammt die Garantie für Einlagen bis zu 250.000 Dollar aus Fonds, die von den teilnehmenden Banken unterhalten werden, und nicht vom Steuerzahler. Auch die offizielle Antwort auf die Frage, wie sie alle zurückgezahlt werden sollen, ist plausibel und machbar: Ein Teil oder sogar der größte Teil des Geldes kann und wird durch die Abwicklung des Geschäfte der gescheiterten Bank und den Verkauf von Vermögenswerten zurückgewonnen werden.

Und wenn all das noch immer nicht ausreicht, dann kann die Fed im Grunde einfach Geld drucken, um die Differenz zu decken. Natürlich könnte dies aufgrund der inflationären Auswirkungen, die es hätte, als letztlich kostspielig für den Steuerzahler ausgelegt werden. Realistisch betrachtet wäre diese Auswirkung jedoch wahrscheinlich vernachlässigbar im Vergleich zu dem, was die regelmäßigeren Druckoperationen ausgelöst haben, oder zu dem, was die "Notfallmaßnahmen" (geld- und fiskalpolitische "COVID-Hilfsmaßnahmen") der letzten drei Jahre bewirkt haben.

Im Fall der Credit Suisse ist es sogar noch einfacher, den Standpunkt zu verteidigen, dass es sich nicht um ein Bail-out handelt. Ein privater Kreditgeber hat einen anderen Kreditgeber aufgekauft, der in Schwierigkeiten war, Ende der Geschichte. Sicher, die Regierung und die Schweizer Zentralbank haben viel Druck ausgeübt und der UBS viele Zusicherungen und Sonderkonditionen gegeben, um den Deal zu "versüßen" und eine rasche Rettung zu gewährleisten, die die Märkte beruhigen würde, aber in der Praxis wurden keine Steuergelder direkt eingesetzt.

Bedeutet das, dass der Staat endlich andere Möglichkeiten hat, um scheiternde Privatunternehmen zu retten, die (entweder aus systemischen oder aus politischen Gründen) als unverzichtbar gelten, ohne die Bürger dafür zahlen zu lassen? Trotz der oberflächlich überzeugenden und bequem verpackten Rhetorik könnte in Wirklichkeit nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn die Kosten für den Bürger müssen nicht direkt und offensichtlich entstehen, um ungerecht und marktverzerrend zu sein.

Die Kosten der Rettungsmaßnahme sind in diesem Fall viel subtiler und viel schwerer zu erkennen, zumindest in Echtzeit, und daher ist es viel schwieriger, ein allgemein getragenes Argument gegen sie vorzubringen. Sie sind sehr gut getarnt, und die finanziellen Auswirkungen, die sie unweigerlich mit sich bringen, sind so raffiniert gestreut, dass die meisten Menschen sie selbst dann nicht erkennen, wenn es an der Zeit ist, sie tatsächlich zu bezahlen.

Das Problem liegt im Kern der Intervention: die Idee der "Rettung" eines scheiternden Privatunternehmens an sich. Die meisten Kunden der gescheiterten Banken hatten Einlagen, die über die gesetzlich garantierten Beträge hinausgingen, nämlich 250.000 USD in den USA und 100.000 CHF in der Schweiz, und sie kannten die Grenzen der Einlagensicherungssysteme in diesem Land.

Alle diese Kunden wählten diese Banken zudem aus freien Stücken, niemand hat sie dazu gezwungen oder genötigt, und sie taten dies – davon kann man ausgehen –, weil sie in ihrer Entscheidung, diese Bank einer anderen vorzuziehen, einen Vorteil oder das Potenzial für einen relativen Vorteil sahen. Einfach ausgedrückt: Sie haben sich aus freien Stücken für ein Produkt und gegen ein anderes entschieden, so wie wir alle es jeden Tag tun, und zwar auf der Grundlage der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Informationen und in dem Bestreben, ihren eigenen Gewinn zu maximieren.

Wie aus heutiger Sicht deutlich wird, haben sie einen Fehler gemacht. Sie haben ein schlechtes Produkt gekauft. Das kann jedem von uns passieren. Wenn der Verkäufer dieses Produkts den Käufer betrogen, belogen oder abgezockt hat, auch wenn er dies nicht beabsichtigt hat, dann ist es allgemein anerkannt, dass der Verkäufer verpflichtet sein sollte, dem Geschädigten auf die eine oder andere Weise Schadenersatz zu leisten.

Aber wie wir alle wissen, ist das in der unvollkommenen Welt, in der wir leben, nicht immer möglich. Und hier kommt das Konzept des Gegenparteirisikos ins Spiel. Manchmal kommt die andere Partei in einer Transaktion ihren Verpflichtungen einfach nicht nach, und was normale Bürger in diesem Fall tun, ist, in den sauren Apfel zu beißen, den Verlust hinzunehmen und hoffentlich beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein, wem sie vertrauen.

Im Falle dieser indirekten Rettungsaktionen spielt es also nicht einmal eine Rolle, woher das Geld kommt. Was zählt, ist die Verdrehung der Dynamik des freien Marktes. Warum sollten diese Kunden von den Folgen ihrer Entscheidungen und von den Risiken, die sie eingegangen sind, befreit werden? Und wenn wir dies akzeptieren, warum sollte dann nicht auch jeder, der eine Aktie gekauft hat, die schließlich abgestürzt ist, entschädigt werden? Was ist mit all jenen, die mit Schrottanleihen spekuliert haben, um Geld zu machen, und dann feststellen mussten, dass es zu einem Default kam?

Als letzten Gedanken sollten wir das Argument, dass bestimmte Unternehmen "systemrelevant" oder "zu groß zum Scheitern" sind, aus rein moralischen Gründen zurückweisen. Die Vorstellung, dass irgendjemand, egal wie gebildet, wie mächtig oder wie beliebt, bestimmen kann, wer es wert ist, gerettet zu werden, und wer entbehrlich ist, widerspricht allem, was uns menschlich macht. Das liegt schmerzlich und offensichtlich auf der Hand, wenn es darum geht, politisch nützliche Unternehmen als rettungswürdig zu betrachten und ihre Fehler zu "löschen", und nicht kleine Unternehmen, die es hart arbeitenden Menschen ermöglichen, ihren Familien Essen auf den Tisch zu bringen.

So verwerflich dies auch ist, so erleben wir dies auch heute noch: Die "Regeln des freien Marktes" gelten nur für diejenigen, die als entbehrlich gelten. Wenn sie scheitern, gibt es keine Hilfe, weil ein Eingreifen die Marktkräfte verzerren würde. Aber für die wenigen Glücklichen, die gut Vernetzten, die wirklich "Unverzichtbaren" gibt es keinen Fehler, der zu groß wäre, und keine falsche Entscheidung, die nicht rückgängig gemacht werden könnte.


© Claudio Grass
www.claudiograss.ch


Teil 1 dieses Artikels wurde am 27.03.2023 auf www.claudiograss.ch und Teil 2 am 30.03.2023 auf www.claudiograss.ch veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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