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Die BIZ und das Monstrum - und warum den Zentralbanken die Hände gebunden sind

27.11.2007  |  Dr. Bruno Bandulet
Wer sich über den Zustand der Weltwirtschaft und des Weltfinanzsystems zuverlässig informieren möchte, findet kaum eine bessere Quelle als den Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Im Juni erschien er zum 77. Mal - 252 Seiten voller Zahlen, Fakten und Meinungen, die nach Art von Zentralbankiers dezent und diplomatisch vorgebracht werden. Schließlich fungiert die in Basel domizilierte BIZ als Bank der Zentralbanken. Sie weiß sehr viel, kann aber nicht alles sagen. Wenn sie immer wieder von "Ungleichgewichten" spricht, meint sie in Wirklichkeit hochgefährliche Schieflagen, die zwar immer noch in einer prekären Balance gehalten werden, die aber nicht von Dauer sein können.

Die größte aller Schieflagen ist das amerikanische Leistungsbilanzdefizit, das bisher nur deswegen nicht zu einem unkontrollierten Dollar-Crash geführt hat, weil es auf Grund der "Erwartung einer sehr begrenzten Abwertung des Dollars" (so die BIZ) nach wie vor vom Rest der Welt finanziert wird. Insgesamt ergibt sich aus dem BIZ-Bericht das Bild eines Monstrums - eines durch ständige Geldvermehrung und Schuldenausweitung gestützten und hochgradig fragilen Finanzsystems. Im einzelnen:


1. Die Leistungsbilanzen

2006 verharrte das Außendefizit der USA bei 6,5% des Bruttoinlandsproduktes - ein historischer Spitzenwert, der die amerikanischen Defizite der siebziger Jahre, als der Dollar abstürzte, bei weitem übersteigt. Dementsprechend groß sind die Leistungsbilanzüberschüsse Chinas (9,1% BIP), Japans (3,9% BIP) und übrigens auch Rußlands (9,8% BIP). Es ist ein paradoxer und geschichtlich einmaliger Zustand, daß die führende Wirtschafts- und Militärmacht nicht etwa den Gläubiger der Welt spielt (wie zuletzt England), sondern sich von Ländern aushalten läßt, von denen manche, wie z.B. China, immer noch Entwicklungshilfe beziehen, jedenfalls aus Deutschland. Auch 2006 lag die Sparquote der Chinesen auf Rekordniveau, auch 2006 war sie in den USA negativ. Mit anderen Worten: der amerikanische Verbraucher ist heillos überschuldet, er bildet die Achillesferse der Weltkonjunktur.

Der Euro-Raum ist 2006 leicht ins Minus gerückt. Die deutschen Überschüsse im Außenhandel können die Leistungsbilanzdefizite der anderen Euro-Länder nicht mehr ganz kompensieren. Würde Deutschland zur D-Mark zurückkehren, wäre der Euro umgehend eine Schwachwährung. Wahrscheinlich kann sich der Dollar auch deswegen (bisher) leidlich halten, weil der Euro keine wirklich überzeugende Alternative darstellt. Es ist nicht einmal sicher, ob er auf Dauer Bestand hat. Auf absehbare Zeit freilich gilt, daß eine Finanzkrise oder ein Aktiencrash nicht von Europa, sondern von den USA oder allenfalls von China ausgehen würde.

Ein anderer wichtiger Punkt: Im Falle einer neuen Krise an den Währungsmärkten werden kleinere Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten besonders betroffen sein. Beispiele dafür sind Südafrika und die Türkei. Verblüffend war 2006 und 2007 der Gleichlauf zwischen Wechselkurs und Ölpreisen bei den Energieproduzenten Norwegen und Kanada. Die beiden Währungen folgten dem Ölpreis erst nach unten, dann nach oben.


2. Der Wert der Währungen

Seit dem Ende der Goldbindung sind die Währungen eigentlich nie korrekt bewertet. Sie bewegen sich statt dessen einmal in Richtung Unterbewertung, ein andermal in Richtung Überbewertung. Ist der US-Dollar jetzt schon stark unterbewertet? Laut BIZ: Nein. Gemessen am Durchschnitt der realen effektiven Wechselkurse im Zeitraum Januar 1973 bis April 2007 (also unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Inflation) war der Dollar in den Monaten seit Jahresanfang 2007 um 7% zu billig, der Euro etwa um 7% zu teuer. Das war keine besonders krasse Abweichung vom Durchschnitt.

Stark unterbewertet um bis zu 20% sind hingegen der Japanische Yen, die Schwedische Krone und der Taiwan-Dollar. Der Singapur-Dollar ist immerhin um mehr als 10% unterbewertet. Am anderen Ende der Skala finden wir mit dem Neuseeland-Dollar und dem Britischen Pfund zwei deutlich überbewertete Währungen, die allein deswegen mit Vorsicht zu genießen sind - jedenfalls auf längere Sicht. In der Nordsee fällt die britische Ölproduktion. Wie steht England da, wenn die Quellen erschöpft sind?


3. Die Devisenreserven

Die Höhe der Währungsreserven ist ein wichtiger Maßstab für die internationale Liquidität (vulgo: Geldschwemme) und übrigens auch ein wichtiger Faktor für den Goldpreis. Die Goldhausse der letzten Jahre wäre ohne die schier unglaubliche Aufblähung der Devisenreserven schwer vorstellbar gewesen. Noch 2001 wuchsen sie um bescheidene 113,2 Milliarden Dollar, 2006 aber um 859,8 Milliarden auf einen Höchststand von 5034,2 Milliarden.

Winzig sind die Reserven der USA mit lediglich 40,9 Milliarden. Womit wollen sie im Ernstfall den Dollar verteidigen? Mit den mehr als 8.000 Tonnen Gold, die in den 40 Milliarden nicht enthalten sind? Den Fehler werden sie nicht machen.

Andere Frage: Was tun die Asiaten mit ihren riesigen Reserven? Sie benötigen sie nicht in dieser Höhe. Die chinesischen Währungsreserven reichen laut BIZ aus, um 16 Monate lang die Importe zu bezahlen, die Rußlands sogar für 20 Monate. Zum Vergleich: die Devisenreserven der Industrieländer reichen nur für einen Monat.



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