Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Julien Chevalier: Schulden, 1789 und 2023: Wiederholt sich die Geschichte?

06.08.2023
- Seite 2 -
Statt eine Reform des Geld- und Währungssystems auszuklügeln und obwohl weiterhin eine frappierende Ungleichheit herrscht, werden neue Steuererhöhungen beschlossen. Die Mehrheit der Bürger wird noch stärker finanziell ausgequetscht, während eine Minderheit an Adligen von Ausnahmen profitiert. Die Ungleichheit nimmt zu, die Preise steigen weiter und Missernten infolge von Trockenheit lassen die Preise für Brot förmlich explodieren.

Mit leerem Magen geht das Volk auf die Straße, um ein gerechtes Steuersystem zu fordern, insbesondere einen Beitrag der Reichen zum Steueraufkommen. Im Jahr 1988 brechen die ersten Unruhen und Aufstände aus. Das sind die Vorboten der Französischen Revolution.

In dieser Zeit schlägt ein Literat namens Linguet, der die enge Verbindung zwischen dem Finanzsystem und dem Beginn der sozialen Unruhen erkennt, die Annullierung eines Teils der Schulden vor. Doch gegen seine Lösung regt sich heftiger Widerstand und er wird während der Terrorherrschaft durch die Guillotine hingerichtet. Ohne es zu ahnen, riet er zu einer Maßnahme, die einige Jahre später, nach einer blutigen Dekade, schließlich doch ergriffen wurde.

Es beginnt das Jahr 1789. Im Januar fordern die wütenden Franzosen als ersten Punkt aus dem Beschwerdekatalog eine Steuersenkung. Doch die Minister sind machtlos angesichts der sich überschlagenden Ereignisse. Die Zinszahlungen steigen unaufhörlich weiter und der Staat ist bankrott. Die Generalstäbe werden einberufen, um die Frage zu regeln. Die Situation verschärft sich. Am 14. Juli greifen 900 Personen das Gefängnis der Bastille an, um sich neue Waffen zu besorgen.

Vor diesem Hintergrund ruft Finanzminister Necker zur Einführung einer Sondersteuer auf.

Der Revolutionspolitiker Mirabeau, dem nachgesagt wird, dem französischen Volk "nahezustehen", unterstützt den Vorschlag und erklärt im September 1789 in einer berühmt gewordenen Rede: "Zwei Jahrhunderte der Plünderungen und Raubzüge haben den Abgrund ausgehoben, in dem das Königreich nun zu versinken droht. Dieser schreckliche Abgrund muss gefüllt werden! Hier ist eine Liste französischer Grundbesitzer. Wählen Sie unter den Reichsten, um weniger Bürger zu opfern. Diese zweitausend Standespersonen besitzen genug, um das Defizit auszugleichen. Doch heute ist der Staatsbankrott, der abscheuliche Staatsbankrott, eingetreten; er droht Sie, Ihre Besitztümer und Ihre Ehre zu verschlingen."

Selbst hoch verschuldet, erhält er einen Monat später vom König heimlich 200.000 Francs und anschließend einige Tausend monatlich, um zugunsten der Interessen des Adels zu stimmen…

Im Herbst 1789 herrscht eine Atmosphäre des Schreckens in Frankreich. Die Finanzkrise verschlimmert sich zusehends und es kommt zu neuen Aufständen. Necker glaubt, dass die galoppierende Inflation das Staatsschuldenproblem lösen und die Situation entspannen kann. Angesichts der Knappheit von Gold und Silber nimmt er dennoch einen weiteren Kredit über 30 Millionen Pfund zu sehr hohen Zinsen auf, die nunmehr infolge einer Reform vom Markt festgelegt werden.

Ein Jahr später trifft die Verfassungsgebende Versammlung die Entscheidung, die nach dem Scheitern des Systems von John Law im Jahr 1720 abgeschafften Assignaten wieder einzuführen, eine Papierwährung. Dieses Geld wird in großen Mengen basierend auf konfiszierten Besitztümern des Adels und des Klerus geschöpft. 1790 werden mehr als eine Milliarde Pfund in Form von verzinsten Assignaten gedruckt. Anschließend gibt der Staat noch mehr heraus und versucht auf diese Weise, seine Schulden abzubezahlen und den Krieg gegen Österreich zu finanzieren, der 1792 von den Girondisten ausgelöst wurde.

Doch zahlreiche Assignaten sind gefälscht und es wird viel auf ihren Wert spekuliert. Im politischen und sozialen Chaos geht das Vertrauen verloren und die neue Währung entwertet rasch. Im gleichen Jahr 1793 kommt es im Land zu einer Hyperinflation und König Ludwig XVI. wird auf Befehl der Montagnards (unter ihnen Robespierre, Danton und Marat) durch die Guillotine hingerichtet. Unter der Schreckensherrschaft kommt es zu neuen Aufständen. In diesen mengen sich nun Franzosen aller Klassen, nicht nur die Vermögenden und die Bourgeoisie.

Frankreich gelingt es nicht, die finanzielle und monetäre Krise zu bewältigen. Manch einer verweigert die Annahme von Assignaten. Das Vertrauen ist endgültig zerstört und die Druckerpresse wird im Februar 1796 auf dem berühmten Place Vendôme verbrannt.

Open in new window
Assignat mit einem Wert von 10 Pfund @istock


Auch als Ende 1795 das Direktorium eingerichtet wird, findet das Land nicht aus der Krise. Die neue Regierung, unter der Leitung eines fünfköpfigen Staatsorgans, will reinen Tisch machen. Die von den Thermidorianern angeregten Reformen werden fortgeführt.

1797, als die Aufstände beendet und Hunderttausende tot oder verschwunden sind, werden schließlich fast 70% der Staatsschulden annulliert. Der Finanzminister Dominique Ramel erklärt: "Ich tilge die Fehler der Vergangenheit, um dem Staate die Mittel für seine Zukunft zu geben."

Als Napoleon Bonaparte zum Konsul gewählt wird, ist die französische Wirtschaft am Tiefpunkt angelangt: Die Produktion läuft auf Sparflamme und der Konsum bleibt extrem schwach. Im Rahmen einer neuen Währung, dem Franc, werden Gold- und Silbermünzen wiedereingeführt. Im Jahr 1800 gründet Napoleon die Zentralbank Banque de France auf Vorschlag des Schweizer Financiers Perregaux, der mit Spekulationen auf die Assignaten ein Vermögen gemacht hatte. Die Notenbank wird als private Institution gegründet und gehört Napoleon persönlich.

Basierend auf dem englischen und schwedischen System soll sie den Banken im Falle einer Krise Liquidität zur Verfügung stellen. Anfang des 19. Jahrhundert ist das Vertrauen nach einem revolutionären Jahrzehnt mehr oder weniger wieder hergestellt. Der Handel erholt sich, die Währung stabilisiert sich und ein neuer langfristiger Wirtschaftszyklus beginnt.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"