Julien Chevalier: Schwache Wirtschaft lässt China über seine Grenzen hinausblicken
18.09.2023
China wird nicht die führende Macht der Welt von morgen werden, das zeichnet sich immer klarer ab. Nach der Pandemie stecken die Wirtschaft und der Bankensektor des Landes in großen Schwierigkeiten. Man sucht nach Wachstumsträgern. Beim Gipfeltreffen der BRICS-Staaten vom 22. bis 24. August in Johannesburg hat sich die Regierung von Xi Jinping als Anführer der Bewegung positioniert und die Erweiterung der Gruppe um sechs zusätzliche Länder unterstützt.
Die Jahre des explosiven Wachstums gehören in China längst der Vergangenheit an. Nachdem sich das mittlere Einkommen je Einwohner um das 25-fache erhöht hat und mehr als 800 Millionen Chinesen der Armut und dem Hunger entkommen sind, ist für die chinesische Wirtschaft eine neue Ära angebrochen.
Im Quartalsvergleich konnte das BIP im zweiten Dreimonatszeitraum dieses Jahres nur 0,8% zulegen. Dem Außenhandel geht die Luft aus, die Investitionen sinken und die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen liegt bei über 20%. Da eine robustes Sozialnetz fehlt, ist es dem Land nicht gelungen, sein Wirtschaftsmodell, wie seit 2008 angestrebt, stärker auf den inländischen Konsum auszurichten. Die privaten Haushalte sind verschuldet und geben nur sehr wenig aus. Die Preise beginnen mittlerweile sogar zu sinken: Im Juli wurde ein Rückgang um 0,3% verzeichnet.
Eine einfache Analyse zeigt, dass sich das Land in einer ähnlichen Situation befindet wie Europa Anfang der 2010-er Jahre: Hohe private und staatliche Schulden, träges Wachstum, rückläufiger Verbrauch, sinkende Produktivität, eine ungünstige Demografie, der Immobiliensektor in der Krise, steigende Arbeitslosenzahlen und äußerst schwache Inflation (in diesem Fall Deflation). Oder in einer Situation wie die UdSSR in den 1950-er Jahren, oder auch wie Japan in den 1980-ern und 1990-ern.
Der Immobiliensektor steckt infolge der Pandemie und der beschleunigten demografischen Alterung der Bevölkerung in einer tiefen Krise. Den Bauträgern gelingt es nicht mehr, sich von ihren kolossalen Schulden zu befreien. Nach den zahllosen Infrastrukturbauten und Wohngebäuden, von denen so manche ungenutzt und unbewohnt bleiben, häufen sich ihre Verluste.
Die Giganten des Sektors, allen voran Evergrande (das in den USA als insolvent erklärt wurde), sehen ihre Kurse an der Börse abstürzen. Diese Unternehmen haben zahlreiche riskante Hypothekenschulden, die teilweise in die Kategorie Subprime fallen. Die Turbulenzen wirken an den Aktienmärkten fort: Die wichtigsten Börsenindices (SSE Composite Index und CSI 1000) liegen seit Jahresbeginn etwa 10% im Minus. Doch auch die Einnahmen der privaten und staatlichen Unternehmen (die bereits seit 2018 kontinuierlich abnehmen) werden in Mitleidenschaft gezogen. Eine überwältigende Mehrheit der Privatunternehmen hat Probleme bei der Rückzahlung ihrer kurzfristigen Schulden (80% nach Angaben eines New Yorker Research-Anbieters).
Wie Europa und die USA zu Beginn der 2010-er Jahre reagiert auch die Regierung von Xi Jinping mit Zinssenkungen auf diese Situation. Die Chinesische Volksbank hat ihren Leitzins in diesem Jahr mehrmals gesenkt. Sie hat die staatlich kontrollierten Banken (die vier größten Banken des Landes sind in öffentlicher Hand) zudem angewiesen, Aktien aufzukaufen und am Devisenmarkt einzugreifen, um den Wertverlust des Yuan zu begrenzen. Die Steuer auf Börsentransaktionen wurde um 50% gesenkt. Anfang August hat die Zentralbank die Wirtschaft mit 400 Milliarden Yuan (rund 50 Milliarden Dollar) unterstützt, ohne jedoch ein massives Konjunkturprogramm zu starten.
Diese Maßnahmen führen auch und in erster Linie zu einer weiter steigenden privaten und öffentlichen Verschuldung. Ein Zeitgewinn zum Schein also, denn die Krise ist vorprogrammiert und fast unausweichlich.
Die Turbulenzen betreffen bislang hauptsächlich Asien und die Schwellenmärkte. In Zukunft werden sie sich infolge der Interdependenz der internationalen Finanzinstitute auf alle Länder der Welt mehr oder weniger stark auswirken. Mit einem Volumen von fast 60 Billionen Dollar besitzt China das größte Bankensystem der Welt. Diese Situation entsteht nun vor dem Hintergrund einer anhaltenden Inflation in den westlichen Staaten (obgleich der Abschwung in China die Rohstoffpreise sinken lässt) und dem unentwegten Anstieg der langfristigen Zinssätze. Die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum bleiben trübe.
Kaiserin Xiaoqinxian, das letzte Oberhaupt der Qing-Dynastie
Die Jahre des explosiven Wachstums gehören in China längst der Vergangenheit an. Nachdem sich das mittlere Einkommen je Einwohner um das 25-fache erhöht hat und mehr als 800 Millionen Chinesen der Armut und dem Hunger entkommen sind, ist für die chinesische Wirtschaft eine neue Ära angebrochen.
Im Quartalsvergleich konnte das BIP im zweiten Dreimonatszeitraum dieses Jahres nur 0,8% zulegen. Dem Außenhandel geht die Luft aus, die Investitionen sinken und die Arbeitslosenquote unter jungen Menschen liegt bei über 20%. Da eine robustes Sozialnetz fehlt, ist es dem Land nicht gelungen, sein Wirtschaftsmodell, wie seit 2008 angestrebt, stärker auf den inländischen Konsum auszurichten. Die privaten Haushalte sind verschuldet und geben nur sehr wenig aus. Die Preise beginnen mittlerweile sogar zu sinken: Im Juli wurde ein Rückgang um 0,3% verzeichnet.
Eine einfache Analyse zeigt, dass sich das Land in einer ähnlichen Situation befindet wie Europa Anfang der 2010-er Jahre: Hohe private und staatliche Schulden, träges Wachstum, rückläufiger Verbrauch, sinkende Produktivität, eine ungünstige Demografie, der Immobiliensektor in der Krise, steigende Arbeitslosenzahlen und äußerst schwache Inflation (in diesem Fall Deflation). Oder in einer Situation wie die UdSSR in den 1950-er Jahren, oder auch wie Japan in den 1980-ern und 1990-ern.
Der Immobiliensektor steckt infolge der Pandemie und der beschleunigten demografischen Alterung der Bevölkerung in einer tiefen Krise. Den Bauträgern gelingt es nicht mehr, sich von ihren kolossalen Schulden zu befreien. Nach den zahllosen Infrastrukturbauten und Wohngebäuden, von denen so manche ungenutzt und unbewohnt bleiben, häufen sich ihre Verluste.
Die Giganten des Sektors, allen voran Evergrande (das in den USA als insolvent erklärt wurde), sehen ihre Kurse an der Börse abstürzen. Diese Unternehmen haben zahlreiche riskante Hypothekenschulden, die teilweise in die Kategorie Subprime fallen. Die Turbulenzen wirken an den Aktienmärkten fort: Die wichtigsten Börsenindices (SSE Composite Index und CSI 1000) liegen seit Jahresbeginn etwa 10% im Minus. Doch auch die Einnahmen der privaten und staatlichen Unternehmen (die bereits seit 2018 kontinuierlich abnehmen) werden in Mitleidenschaft gezogen. Eine überwältigende Mehrheit der Privatunternehmen hat Probleme bei der Rückzahlung ihrer kurzfristigen Schulden (80% nach Angaben eines New Yorker Research-Anbieters).
Wie Europa und die USA zu Beginn der 2010-er Jahre reagiert auch die Regierung von Xi Jinping mit Zinssenkungen auf diese Situation. Die Chinesische Volksbank hat ihren Leitzins in diesem Jahr mehrmals gesenkt. Sie hat die staatlich kontrollierten Banken (die vier größten Banken des Landes sind in öffentlicher Hand) zudem angewiesen, Aktien aufzukaufen und am Devisenmarkt einzugreifen, um den Wertverlust des Yuan zu begrenzen. Die Steuer auf Börsentransaktionen wurde um 50% gesenkt. Anfang August hat die Zentralbank die Wirtschaft mit 400 Milliarden Yuan (rund 50 Milliarden Dollar) unterstützt, ohne jedoch ein massives Konjunkturprogramm zu starten.
Diese Maßnahmen führen auch und in erster Linie zu einer weiter steigenden privaten und öffentlichen Verschuldung. Ein Zeitgewinn zum Schein also, denn die Krise ist vorprogrammiert und fast unausweichlich.
Die Chinesische Volksbank (@istock)
Die Turbulenzen betreffen bislang hauptsächlich Asien und die Schwellenmärkte. In Zukunft werden sie sich infolge der Interdependenz der internationalen Finanzinstitute auf alle Länder der Welt mehr oder weniger stark auswirken. Mit einem Volumen von fast 60 Billionen Dollar besitzt China das größte Bankensystem der Welt. Diese Situation entsteht nun vor dem Hintergrund einer anhaltenden Inflation in den westlichen Staaten (obgleich der Abschwung in China die Rohstoffpreise sinken lässt) und dem unentwegten Anstieg der langfristigen Zinssätze. Die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum bleiben trübe.