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Financial Sense: Steht der Dollar vor einem mehrjährigen Abwärtstrend?

06:43 Uhr
Der US-Dollar hat einen bemerkenswerten Lauf hinter sich und hat ein Niveau der Überbewertung erreicht, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Nach Ansicht des bekannten Währungsstrategen Marc Chandler, Chefmarktstratege bei Bannockburn Global Forex und regelmäßiger Autor bei MarctoMarket.com, könnte dieser Trend jedoch bald zu Ende gehen. In einem kürzlich geführten Interview mit Financial Sense erläuterte Chandler seine Argumente für einen Rückgang des Dollar und führte eine Kombination von Faktoren an, die für einen potenziellen mehrjährigen Rückgang sprechen.


Der sich verändernde Policy Mix

Im Mittelpunkt von Chandlers Argumentation steht das Konzept des "Policy-Mix" - die Kombination aus Geld- und Finanzpolitik, die die Stärke einer Währung maßgeblich beeinflussen kann. Historisch gesehen war der günstigste Policy-Mix für eine starke Währung eine straffe Geldpolitik (Anhebung der Zinssätze) in Verbindung mit einer lockeren Finanzpolitik (Staatsausgaben). Dies war das Szenario Mitte der 1980er Jahre unter Präsident Ronald Reagan, als Steuersenkungen und höhere Ausgaben zu großen Haushaltsdefiziten führten, während der Vorsitzende der Federal Reserve Paul Volcker die Geldpolitik straffte.

Das Ergebnis war eine erhebliche Dollarübertreibung. Jetzt, so Chandler, stehen wir kurz vor einem Wechsel in diesem Politikmix. Es wird erwartet, dass die US-Notenbank die Zinssätze senken wird, möglicherweise schon im September, wobei zwei bis drei Zinssenkungen in diesem Jahr prognostiziert werden. In der Zwischenzeit bleibt die Fiskalpolitik locker, da keine der großen politischen Parteien ernsthaft große fiskalpolitische Probleme anspricht.

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Quelle: CME Group FedWatch Tool


"Wir sollten ab September mit Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte rechnen - vielleicht zwei Senkungen in diesem Jahr, möglicherweise drei... Wir werden also zu einer lockeren Geldpolitik übergehen, und die Fiskalpolitik ist immer noch ziemlich locker. Ich denke, das wird das Ende des Superbullenmarktes sein, den wir beim Dollar erlebt haben."


Überbewertung und Mean Reversion

Ein weiterer Schlüsselfaktor für Chandlers pessimistische Aussichten ist das derzeitige Ausmaß der Überbewertung des Dollar. Unter Verwendung des OECD-Modells der Kaufkraftparität stellt Chandler fest, dass der japanische Yen gegenüber dem Dollar um mehr als 60% unterbewertet ist, selbst nach einer jüngsten Erholung. Der Euro ist in ähnlicher Weise unterbewertet, nämlich um etwa 55%.

Diese extreme Schieflage deutet darauf hin, dass der Dollar möglicherweise vor einer Korrektur steht. Chandler vergleicht ihn mit einem überdehnten Gummiband und stellt fest, dass sich die OECD-Währungen in der Regel nicht über plus oder minus 20% des fairen Wertes hinaus bewegen. Die Kombination aus dieser Überbewertung und dem sich ändernden Policy-Mix könnte eine deutliche Umkehr des Dollarwertes auslösen.

"Auf den Devisenmärkten können Trends manchmal fünf oder zehn Jahre andauern, und das ist es, was wir hier wirklich beenden. Ich denke, wir beenden im Grunde eine Rally des Dollar - eine Superzyklus-Rally des Dollar, wenn man so will - die bis zum Ende der großen Finanzkrise zurückreicht. Und natürlich ging es nicht geradlinig nach oben. Es gab einige tiefgreifende Korrekturen... und es ist wirklich eine Frage der Überwachung, des Managements und der Vorbereitung auf das, was meiner Meinung nach ein schwächerer Dollar auf Trendbasis sein wird."



Zyklische vs. säkulare Trends

Es ist wichtig zu beachten, dass Chandler einen zyklischen, mehrjährigen Rückgang des Dollar vorhersagt, nicht einen säkularen oder strukturellen. Er unterscheidet zwischen dem Preis des Dollar und seiner Rolle in der Weltwirtschaft. Er geht zwar davon aus, dass der Wert des Dollar in den nächsten Jahren sinken wird, sieht aber keine grundlegende Änderung der Funktion des Dollar als wichtigste Reservewährung der Welt voraus.

Chandler wehrt sich gegen den Begriff der "Entdollarisierung" und argumentiert, dass sich die Grundlage für die Rolle des Dollar in der Weltwirtschaft in naher Zukunft wahrscheinlich nicht grundlegend ändern wird. Er weist darauf hin, dass, selbst wenn alternative Zahlungssysteme entstehen und einige Länder versuchen, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, die schiere Größe und Liquidität der auf Dollar lautenden Märkte es schwierig machen, ihn zu ersetzen.

Laut Chandler werden auf dem Devisenmarkt täglich etwa 7,5 Billionen Dollar gehandelt - das übersteigt bei weitem das weltweite Handelsvolumen und sogar das weltweite BIP. Daher stellt jede Bewegung, die den Dollar im Welthandel ersetzen will, nur einen kleinen Bruchteil der Verwendung des Dollar auf dem viel breiteren und größeren Devisenmarkt dar. Diese immense Liquidität in Verbindung mit der anhaltenden Verwendung des Dollar im Rohstoffhandel und bei der internationalen Kreditvergabe untermauert seine globale Rolle, so Chandler.


Blick in die Zukunft

Chandler ist zwar zuversichtlich, was die Vorhersage eines zyklischen Dollarverfalls angeht, weist aber auch auf die damit verbundenen Unwägbarkeiten hin. Die ungewöhnliche Natur des derzeitigen Wirtschaftszyklus mit seinen pandemiebedingten Störungen und beispiellosen politischen Reaktionen macht Prognosen besonders schwierig. Dennoch ist Chandler der Ansicht, dass die Kombination aus einem überbewerteten Dollar, einer sich verändernden Geldpolitik und einer möglichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zwingende Gründe für eine Dollarschwäche in den kommenden Jahren liefert.

Wie immer ist es wichtig, dass der Einzelne bei seinen Anlageentscheidungen seine eigene finanzielle Situation und Risikotoleranz berücksichtigt. Expertenanalysen können zwar wertvolle Erkenntnisse liefern, aber die komplexe und oft unvorhersehbare Natur der globalen Märkte bedeutet, dass keine einzelne Sichtweise als Evangelium angesehen werden sollte. Diversifizierung, sorgfältiges Risikomanagement und ständige Weiterbildung bleiben die wichtigsten Grundsätze, um sich in der sich ständig verändernden Welt der internationalen Finanzen zurechtzufinden.


© Financial Sense



Der Artikel wurde am 15. August 2024 auf www.financialsense.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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