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Die Wölfe kommen näher

10.03.2008  |  Ronald Gehrt
- Seite 3 -
Hier ist der Markt enger, ähnlich übrigens sieht es bei Platin aus. Der Kursanstieg war daher noch irrsinniger - über 55% in sechs Wochen - und auf einmal macht es Patsch! Seit Montag fiel der Kurs in nur fünf Handelstagen um 16% - von oben gerechnet. Ärgerlich für diejenigen, die (haben wir das nicht alle, haha) Palladium physisch im Keller liegen haben. Aber wer hier mit Optionen agiert, muss schon ein Näschen gehabt haben, um nahe der Hochs auszusteigen. Denn, wie es eben bei allen Fahnenstangen typisch ist: Es gibt keine Vorwarnung, keine Wendeformation, kein gar nichts. Das zum Vergleich abgebildete Gold hat seitdem nur stagniert ... aber dafür, dass doch angeblich alle die 1.000 sehen wollen, ist dieses Zögern genau unter dieser Marke verdächtig genug.

Zum Sentiment noch einen Gedanken. Viele argumentieren, dass die Hausse erst zu Ende gehen könne, wenn wirklich jeder eingestiegen sei, sprich es eine Milchmädchen-Hausse wie 2000 am Neuen Markt gebe. Dem widerspreche ich, denn es gibt zum Aktienmarkt einen ganz entscheidenden Unterschied:

Die Milchmädchen konnten damals recht einfach Aktien kaufen. Das war kein großer Aufwand, ein Aktiendepot war damals binnen zwei Tagen eröffnet. Aber bei den Rohstoffen kann sich das Milchmädchen zwar ein wenig Gold physisch erstehen oder ggf. einen ETF an der Börse kaufen (gerade kam es mit der Post: Gold-Euros soll ich kaufen, schreibt man mir), aber an den Options- und Futuresmarkt kommt Otto Normalverbraucher ja nicht so leicht heran. Und dort, nicht in der physischen Nachfrage, werden diese haussierenden Kurse gemacht. Bei den anderen Rohstoffen ohnehin. Dort tummeln sich die Profis und die Spekulanten ... und dass die offenbar extrem bullish sind, ist in der Kursentwicklung nicht zu übersehen. Auch, wenn das Flötenspiel der Rattenfänger viele unerfahrene Anleger nun zu locken versucht, für eine vergleichbare lang andauernde Welle wie damals fehlt die Basis. Hier ist der Pool möglicher Käufer schneller erreicht und ausgeschöpft und die Käufe schneller umgesetzt als damals.


Fahnenstangen, so weit das Auge reicht

Und wir haben in nahezu allen Rohstoffen Charts, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Fahnenstangen, so weit das Auge reicht. Und dass diese nicht einfach in einen sanfteren Steigungswinkel oder eine gemütliche Seitwärtsbewegung übergehen, ist jedermann wohl nach all den Beispielen der letzten Jahre klar. Egal in welchem Bereich und egal ob im Januar bei Aktien, im letzten Sommer bei Nickel und VW, 1980 bei Gold oder vor 80 Jahren am Aktienmarkt: Fahnenstangen brechen zusammen. Ohne Vorwarnung, aber brutal. Wenn die, die Bescheid wissen und mit ihren Föten die Fäden ziehen, draußen sind. Niemand kann ermessen, ob wir schon heute das Ende der Fahnenstange erreicht haben oder erst in einer Woche, in einem Monat. Aber dass wir diesem Moment schnell näher kommen, zeigt ein weiteres Beispiel:


Divergenzen ... "the smart money" steigt aus

Unten sehen Sie den Vergleich des Ölpreises zu einer Öl-Aktie, nämlich Exxon. Jahrelang existierte ein auch logisch nachvollziehbarer Gleichlauf zwischen der Aktie des Ölkonzerns und dem Ölpreis selbst. Doch jetzt, nachdem die Kurssteigerungen des Öls nur durch die Spekulation der Futuresmärkte und nicht durch die Nachfrage getrieben werden, dreht Exxon langsam nach unten und bildet sukzessive eine Topformation aus.

Davon abgesehen, dass schwindende Nachfrage und die extremen Preise den Ölfirmen nun immer mehr schaden denn nützen und dieses Kursverhalten damit nachvollziehbar ist, zeigt der Exxon-Chart auch, dass die erfahrenen Investoren, die über die Aktien den sichereren Weg, an der Rohstoff-Hausse zu profitieren, gewählt haben, nun langsam aussteigen.

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Pulver trocken halten, vorsichtig werden ...

Zum Abschluss möchte ich noch mal unterstreichen, bevor ich wieder in wütenden Mails ersticke: Ich bezweifle nicht, dass ein Gut sukzessive im Preis steigt, je knapper es wird. Und da sich unser Planet zusehends füllt, gilt das womöglich für alle Rohstoffe. Die langfristigen Aufwärtstrends werden voraussichtlich intakt bleiben. Und ... keine Frage ... diese Fahnenstangen könnten sich trotz aller bereits sichtbaren Warnsignale noch ein paar Tage oder Wochen fortsetzen - das kann keiner vorhersagen.

Aber ich bezweifle, ja negiere steif und fest, dass der Kurs eines Rohstoffs, der sich nur deswegen verdoppelt hat weil alle mangels Alternative oder gelockt durch das leichte Geld in diese engen Märkte hineindrängen ohne dass die physische Nachfrage entsprechend steigt, einfach so auf diesem Level bleiben wird, weil es die gerne so hätten, die gerade erst eingestiegen sind und darauf warten, dass nun noch jemand kommt und ihre Position in die Gewinnzone treibt!

Ich meine: Rohstoffe werden sicher langfristig steigen. Aber erfahrene Investoren wissen: Kaufen, wenn die Kanonen donnern und verkaufen, wenn jeder einsteigen will. Die Angst, die große Rallye zu verpassen, die Furcht, die Kurse werden nie mehr so "billig" werden, blendet die Ratio aus und treibt viele ausgerechnet jetzt in die Rohstoffe, genauso, wie die Euphorie im Dax bei 8.000 am größten war. Alle Fahnenstangen brechen, auch diese.

Wer langfristig in Rohstoffe investieren will, wird meiner Ansicht nach sehr bald gute Gelegenheit bekommen, deutlich günstiger einzusteigen. Es gibt immer Korrekturen ... und dann sollte man beginnen zu kaufen. Wer aber meint, es jetzt tun zu müssen, wird bald wieder vergeblich den Klang der Flöten suchen, wenn die Rattenfänger den Wölfen weichen. Bei aller Polemik, die aus dieser Formulierung scheint: Bitte seien Sie gewarnt. Für eine langfristig positive Entwicklung spricht vieles, aber das ist kein Argument für die kurzfristige Fortsetzung dieses Hypes. Das sind Investment auf der einen und Spekulation auf der anderen Seite - zwei völlig verschiedene Ebenen. Ich rate daher: Auf diesen Levels nicht neu einsteigen, Positionen an festen Tagen in kleinen Stückchen abbauen und für den Rest Stoppkurse setzen.


... aber auch nicht Short spekulieren

Und eines noch: Mein Fazit läuft nicht darauf hinaus, dass ich raten würde, Short zu spekulieren! Ein plötzlicher Einbruch wie bei Palladium schadet denen, die erst ein paar Tage vorher glaubten, es gehe ewig weiter rauf. Aber genauso dürften auch nur wenige Baissiers da wirklich verdient haben, denn diese Fahnenstangen haben nun mal die Tücke, dass es keine Anhaltspunkte gibt, wo das Ende derselben sein könnte. Nur wenige dürften wirklich "oben" Short gegangen sein. Im SYSTEM22 kann es für solche Shortpositionen ohnehin keine Basis geben, weil in solch rapide steigende Kurse natürlich kein Baissesignal eines Systems erzeugt werden kann, erst recht nicht, wenn es wie dieses auf Wochenbasis arbeitet. Doch hier haben wir nun ein Mauseloch gefunden, um schon jetzt zu beginnen, auf einen Zusammenbruch der Fahnenstangen zu setzen - indem die entsprechenden Flagschiffe des Aktienmarkts wie z.B. die oben gezeigte Exxon als Put ins Depot wandern. Denn sacken die Rohstoffkurse nun bei ohnehin stagnierender/fallender Nachfrage durch, leiden solche Titel doppelt.

Herzliche Grüße!


© Ronald Gehrt
www.system22.de



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