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Greenspan´s Bubbles

25.03.2008  |  Mag. Gregor Hochreiter
- Seite 3 -
Hinter der auf die Ideenwelt übertragenen Vorstellung, daß ein Kind, das sich einmal an der Herdplatte die Finger verbrannt hat, niemals mehr auf eine heiße Platte greifen wird, steckt der naive Glaube, daß der Mensch von Natur aus das Richtige und Wahre in allen Dimensionen sofort erkenne. Drückt man auf den Knopf, indem man beispielsweise eine veritable Wirtschaftskrise provoziert, würden die Menschen gleichsam über Nacht zur Vernunft gelangen und imstande sein, in allen Fragen nunmehr nicht nur das Richtige vom Falschen, das Gute vom Schlechten scheiden zu können, sondern dies auch zu verwirklichen. Das Paradies auf Erden wäre - endlich - verwirklicht.

Doch nicht nur die Geschichte lehrt uns, daß dieser Automatismus nicht zu erwarten ist. Wie bereits angedeutet, verursacht die Inflationierung des Geldes nicht nur ökonomische, sondern insbesondere auch moralische Verwerfungen. Darauf weist u.a. Guido Hülsmann in seinem Buch "Die Ethik der Geldproduktion" nachdrücklich hin. Eine inflationistische Lebensauffassung ist geprägt von einem in allen Lebensbereichen dominierenden Konsumerismus, an den sich die Bevölkerung über die Zeit gewöhnt. Wie bei jeder Droge ist die Entwöhnung deutlich langwieriger als der Gewöhnungsprozeß, weswegen es keine Selbstverständlichkeit ist, daß nach der Im- oder Explosion des Dollars das inflationistische Spielchen nicht wieder von Neuem in Gang gebracht wird. Tugendhaftes wie untugendhaftes Verhalten ist, wie wir seit Aristoteles wissen, eine Frage der Haltung, der Gewöhnung. Und es spricht absolut nichts dafür, daß die Gewöhnung an die kurzfristigen Verlockungen der Inflation mit dem unausweichlichen Zusammenbruch der Währung abrupt einer vernünftigeren Einstellung weichen würde.

Gerade weil die konkreten Auswirkungen auf die zukünftigen menschlichen Präferenzen unter keinen Umständen voraussagbar sind, dürfen wohlstandsgefährdende und freiheitserodierende Institutionen wie Ideen nicht aus utilitaristischen Überlegungen gestützt werden. Schon gar nicht auf Kosten jener Mitbürger, die die Zeche dieser verantwortungslosen Geldpolitik zu bezahlen haben. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel, unabhängig davon wie nobel der Zweck auf den ersten Blick auch scheinen mag.

Zu guter Letzt sei noch auf ein besonderes Verdienst von "Greespan’s Bubble" verwiesen - die Enttarnung des amerikanischen Produktivitätswunders, das diesseits des Atlantiks die Wirtschaftspolitiker jahrelang auf Trab gehalten hat. Fleckenstein und Sheehan belegen mit einigen Statistiken, daß die vermeintlichen Produktivitätsgewinne durch die IT-Revolution maßlos übertrieben worden sind. Und selbst wenn man die Zahlen für bare Münze nähme, wäre das Produktivitätswachstum nicht signifikant höher ausgefallen als in den Jahrzehnten davor. Die Autoren beschließen ihre Ausführungen zu diesem Thema mit einer Schlußfolgerung, die Kennern der auf Ludwig von Mises zurückgehenden Konjunkturzyklustheorie bekannt vorkommen dürfte:

"Während die technologische Entwicklung und die Produktivitätsgewinne dem Vorsitzenden [Alan Greenspan] den Atem raubten, zeichnete eigentlich seine Geldpolitik in erster Linie für diese Euphorie verantwortlich, nicht die technologische Entwicklung oder die Produktivität - diese dienten bloß als Rationalisierungen“ (S. 164).

In anderen Worten: der Überoptimismus - in den Worten von Greenspan "irrational exuberance" - ist nicht der Grund des Booms, sondern dessen Folge. Dasselbe gilt für den Pessimismus in der Rezessionsphase, der wiederum die wirtschaftlichen Realitäten abbildet und nicht verursacht. Diese Interpretation steht in eindeutigem Widerspruch zu den heute so populären und auf J.M. Keynes zurückgehenden psychologischen Erklärungen für den Konjunkturzyklus. Die Zentralbanker sehen es deswegen als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an, die Stimmung in der Wirtschaft mit allen erlaubten und unerlaubten Tricks hochzuhalten.

Das endgültige Urteil über die wahre Persönlichkeit von Alan Greenspan und seine eigentlichen Absichten ist mit "Greenspan’s Bubbles" noch nicht gesprochen. Dies war auch gar nicht die Intention der beiden Autoren. Ihnen ging es lediglich darum, die janusköpfige, ja fast schon schizophrene Lebenswelt Greenspans anhand unzähliger trockener Sitzungsmitschriften aufzuzeigen. Diese mühselige Arbeit gelang ihnen in einem bewundernswert entkrampften Stil und leisten mit ihrem Buch somit einen lesenswerter Beitrag zur Entmystifizierung jenes durch und durch widersprüchlichen Geldpolitikers.


© Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen



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