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Börsenkrise: Die Geister die man rief...

23.03.2008  |  Markus H. Schiml
"Gewinne privatisieren, Verluste verstaatlichen!" Das ist die freie Übersetzung der jüngsten Aufforderung von Deutsche-Bank-Chef Ackermann, als die Subprime-Krise letzte Woche mit Bear Stears in eine neue Runde ging. Er fordert die staatlichen Entscheidungsträger auf, dem Bankensystem beizustehen. Allerdings heißt dies nichts anderes, als dass der Steuerzahler die Fehler privater Banken bezahlen soll. Und dies ganz gegen die sonst so liberalen Ansichten der Wirtschaftseliten und Global Player. Man läuft dabei starke Gefahr, den Globalisierungskritikern, der Linken Phalanx und der staatlichen Regulierungswut in die Hände zu spielen. Und diesen Präzedenzfall will ein Anhänger der Marktkräfte sicherlich nicht für sich in Anspruch nehmen.

Man sollte sich in Erinnerung rufen, wie diese Krise überhaupt ein makroökonomisches und globales Ausmaß erreichen konnte. Am Anfang standen findige Immobilienmakler, die bei der Vergabe von Immobilienkrediten an sog. NIN-JA-Kunden vorsätzlich spätere Zahlungsunfähigkeit einkalkulierten. Denn NINJA steht für "No-Income-No-Job-No-Asset". Also "Risiken", denen man unter normalen Umständen keine Kredite geben würde. Dass deren "Sicherheiten" nur durch die Erwartungen weiter steigender US-Immobilienpreise und weiterhin niedriger Zinsen ihren Namen auch verdienten, störte diese nur wenig. Denn diese Kredite wurden wie eine heiße Kartoffel ja sofort wieder an andere Makler, Banken und Kredithändler weiterverkauft, mit anderen Krediten wieder zu anderen Finanzprodukten mit weniger Risiko gebündelt wieder weiterverkauft und dort durch Risiko minimierende Streuung portfolio-theoretisch entschärft- theoretisch.

Denn all diese Berechnungen, Risikostreuung und all die komplexen Modelle haben wohl nicht berücksichtigt, dass diese kurzfristig sehr lukrative Geschäftspraxis stark überhand nahm und der drastische Einbruch der Immobilienpreise in den Modellen der Finanzmathematiker nicht als Szenario berücksichtigt wurde. Man rechnete wohl mit ewig steigenden Immobilienpreisen. Erschwerend hinzu kamen die verminderten Anfangszinsen zur Bedienung der Kredite, die später, wenn die Forderungen bereits verkauft waren, erst bedrohlich anstiegen. Und das war durchaus einkalkuliert. Denn bei einem von Beginn an normalen Marktzins, wäre die Immobilienkreditnachfrage sicher nicht so einträglich gewesen. So avancierte dieser Zahlungsverzug, im Grunde nur Einzelschicksale auf der mikroökonomischen Ebene betreffend, zu einem globalen Dominoeffekt in der Finanzindustrie. Und weil nun durch die Fehler im Risikocontrolling der privaten Banken das internationale Finanzsystem gefährden, soll der Staat, also der Steuerzahler, den Karren wieder flott machen. Dass derartige Krisen - wie das Beispiel Japan 1990 zeigt - auch noch nach zehn Jahren Bankenzusammenbrüche bedingen können, unterstreicht den Ernst der Lage.

Aber wenn der Staat und die Notenbanken nun wieder schützend ihre Hand über die Banken halten, ist dies eine Bekräftigung des institutionellen Freifahrtscheins für zukünftige Krisen. So erweckt es den Eindruck, dass private Banken mit Netz und doppelten Boden spielen können, ohne sich der normalen marktwirtschaftlichen Abstrafung stellen zu müssen. Zusätzlich könnte dem FED bald der Zinssenkungsspielraum nach unten ausgehen. Vor allem verbreiten ihre Zinssenkungsorgien nicht gerade großes Vertrauen in das internationale Finanzsystem. Denn die Märkte reagieren nicht mehr stabilisierend auf geldpolitische Maßnahmen. Irgendwann scheinen die Waffen der Notenbanken ihre Wirkung zu verlieren und stumpf zu werden, so dass eine Sättigung eintritt. Und das trotz negativer Realzinsen, die theoretisch eigentlich Investitionen fördern sollten. Notenbankpolitik ist also doch mit einem Seil zu vergleichen: Man kann zwar über Zinserhöhungen daran ziehen und die Konjunktur bremsen. Aber durch Zinssenkungen die Wirtschaft "anschieben" kann man nicht. Die Kreditaufnahme bedarf der Freiwilligkeit der Wirtschaftssubjekte. Und deren Optimismus ist im Moment alles andere als groß.

Das Ausmaß der Signalwirkungen kommender Eingriffe ist weitreichend. Und darüber sollte man sich sowohl bei Aussagen wie Herrn Ackermann als auch bei der Umsetzung bei Regierungen und Notenbanken bewusst sein. Vielleicht ist es an der Zeit, ein Exempel zu statuieren und eine abgefederte und reinigende Korrektur zuzulassen und nicht durch direkte Markteingriffe, sondern durch eine weitere Verbesserung des institutionellen finanzpolitischen Rahmens in Form von Prinzipien wie Transparenz, Einheit von Handlung und Haftung und Eigenverantwortung reagieren. So würde die Glaubwürdigkeit steigen und die Krisen der Vergangenheit hätten auch endlich einen Sinn. Leider wird der seit Jahrzehnten eingeschlagene Pfad wohl auch während der weiterhin zu erwartenden Turbulenzen nicht verlassen werden. Zu dominierend sind kurzfristige (geld)politische Eigeninteressen. Die Geister die man rief schweben wohl noch eine Weile über dem finanzpolitischen Firmament.


© Dipl.-Volkswirt Markus Schiml
www.oeconomy.com

Der Autor ist unter redaktion@oeconomy.com erreichbar.



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