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Das Futures-Spiel und der Super-Spike

08.05.2008  |  Ronald Gehrt
Bereits gestern wollte ich eine Kolumne zum Thema Rohöl schreiben. Gut, dass mich eine kaputte Festplatte zwang, bis heute zu warten, denn ich hätte einen köstlichen Aufhänger verpasst. Gestern haben die volksnahen Menschenfreunde der US-Investmentbank Goldman Sachs mal wieder zum andächtig zu ihnen aufsehenden Volk gesprochen. Sie wissen, das waren die, die ihre eigenen Subprime-Schieflagen auffingen, indem sie in diesem Bereich Shortpositionen aufbauten, also quasi erfolgreich auf den Absturz ihren eigenen Machwerke spekulierten. Das alleine ist vertrauenserweckend, wie es sich für eine Bank gehört, nicht wahr? Ungefähr so, als würde man jemandem einen Satz Reifen verkaufen und ihm danach erwartungsvoll mit dem Abschleppwagen hinterherfahren.


Der Super-Spike

Eben diese Bank tat gestern kund, dass sie nun einen "Super-Spike" im Ölpreis erwarte, der sich binnen der kommenden 18 Monate ereignen könnte. Kursziel (weil’s so schön rund ist): 200 Dollar das Fässchen. Nun kann man sich lächelnd daran erinnern, dass solche Prognosen immer und überall dort auftauchen, wo sich eine Fahnenstange gebildet hat. Was steil steigt, wird noch steiler weiter steigen, was steil abstürzt, kommt übermorgen bei Null an. Genau den selben Kram haben wir bei VW oder der Deutschen Börse-Aktie, beim HangSeng, bei Gold, dem Euro/Dollar-Kurs etc. gesehen. Da die Begründungen das übliche blabla waren, könnte man diese Geschichte eigentlich einfach abhaken. Aber:

Da sind zwei Aspekte, die man genauer bedenken sollte. Nicht das Kursziel und der Zeitraum. Ich halte das zwar für sehr, sehr unwahrscheinlich. Aber wer die Börse verstanden hat weiß, dass nicht niemals wirklich ausgeschlossen werden kann, denn wir kennen die Verhältnisse und Rahmenbedingungen nicht, die in einem halben oder einem Jahr herrschen werden. Goldman Sachs übrigens auch nicht, weshalb solche Weissagungen ja auch Unsinn sind. Nein, Punkt 1 ist eine Ergänzung zu dieser "Prognose":

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Sie wollen doch nur Ihr Bestes!

"Speculators should be applauded", hieß es da. Sprich, man sollte den Spekulanten, die die Kurse immer weiter nach oben treiben, eigentlich dankbar sein, so Goldman Sachs. Weil, jaja, weil sie so nämlich das Bewusstsein der Konsumenten hinsichtlich des Wertes begrenzter Energieressourcen schärfen und so dazu beitragen, dass die Menschen endlich sparsamer mit dem Öl umgehen. Da ich ein gehorsames Kind bin, habe ich sofort die geliebten Futures-Zocker in Chicago in mein Nachtgebet eingeschlossen. Vielleicht nicht so, wie die Goldman Sachs-Menschen sich das vorstellen ... aber diese Details zu meinem Nachgebet niederzuschreiben wäre womöglich strafbar.

Aber wir lernen: SO ist das also! Die Ölpreis-Explosion hilft uns Durchschnitts-Trotteln also, endlich mal vernünftig zu werden. Die Spekulanten sind demnach Wohltäter. Wer hätte das gedacht? Da werden die 95% der Weltbevölkerung, die nicht im Land mit dem größten Energieverbrauch pro Kopf, sprich den USA, leben, froh sein. Die Länder, die sich Umweltschutz und neue, moderne Industrie nicht leisten können; die Leute, welche die Energiepreise trotz ohnehin extremer Sparsamkeit immer mehr in die Bedrouille bringen, also der überwältigende "Rest" dieser Welt, werden diese weisen Worte mit Wonne hören. Meine Lebensgefährtin sagte auf diese durchdachte Erkenntnis hin: "Diese Typen sollten mal ein Jahr versuchen, mit meinem Gehalt zu leben". Natürlich habe ich sofort energisch für diese armen Schlucker bei Goldman Partei ergriffen. Woher sollen diese bedauernswerten Würstchen mit ihren erbärmlichen paar Millionen Bucks Gehalt (kann man solche Peanuts eigentlich schon Gehalt nennen?) denn wissen, was sich unterhalb ihrer Gehaltsklasse abspielt? Nein, wir sollten diese armen Menschen, die mit einem goldenen Löffel im Hintern leben müssen, ehrlich bedauern und ihnen auf der anderen Seite Lob zollen, wie sehr sie sich dennoch um unser aller Wohl bemühen.


Die Wohltäter machen die Kurse

Nur: Genau diese Klientel, diese massive Mehrheit von 0,01% (oder weniger) der Bevölkerung dieser Welt ist es, die die Kurse in den letzten Tagen "macht". Nicht unmittelbares Angebot und Nachfrage, nicht der Dollar, nicht irgendwelche Lieferengpässe oder Sprüche des US-Präsidenten. Diese schon groteske Aussage passt dazu, wie sich diese Leute rechtfertigen, während eine ganze Welt langsam aber sicher in das Lager derer wechselt, die die Futures-Zocker am nächsten Laternenmast aufhängen möchte. Laut CNBC gestern ist selbst unter den Investoren die Wut und Ablehnung überwältigend. Und dass es die Zocker vor allem der Hedge Funds sind, die nun die Kurse völlig dominieren, kann jeder leicht erkennen, der das Kursverhalten der Rohölpreise ein paar Wochen beobachtet hat UND weiß, wie sich die Kurse normalerweise bewegen.

Und damit kommen wir zum zweiten interessanten Punkt: Goldman Sachs ist der größte Hedge Fund-Betreiber weltweit, zumindest laut Stand 2007. Und Hedge Funds sind es, die für die extremen Kursausschläge der vergangenen Wochen stehen. Und dann kommt Goldman Sachs mit einer solchen, irgendwie komischen "Studie" daher. Ei, warum denn wohl ...? Das hat meiner Ansicht nach sehr triftige Gründe. Sie werden es gleich sehen.

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Ich will Ihnen heute noch mal erklären, wie das Futures-Spiel funktioniert, das hier gespielt wird. Es ist genau das selbe Spielchen wie im letzten Herbst im Dax (Stichwort Société Générale) und im Februar/März im Gold. Gold und Dax bewegen sich momentan wieder völlig frei und normal, jetzt ist der Ölpreis das "Spielfeld". Und leider ist es für die, die spielen, wirklich nichts anderes wie Playstation, denn der Milliarden-Einsatz ist ja nicht das Geld der Spieler selbst, sondern das Geld der Investoren, die überdies - Hedge Funds sind ja meist eine "Black Box" - in aller Regel nicht einmal wissen, was mit ihrem Kapital angestellt wird.




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