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Versteckte Nichterfüllung beim Silber?

18.06.2008  |  Theodore Butler
- Seite 2 -
Hier hatten wir also Hinweise auf Lieferverspätungen beim Silber für den Einzelhandel und auch für den Großhandel. Viele haben im Bezug auf Silber eine Abneigung gegenüber dem Wort "Knappheit". Sie glauben, das sei einfach nicht möglich oder aber sie denken, dass "Knappheit" Nichterhältlichkeit zu jedem Preis bedeutet. Diese Definition ist aber Unsinn, da immer bestimmte Mengen zu einem bestimmten Preis erhältlich sein werden. Eine Rohstoffknappheit heißt nicht, dass das gesamte Silber (oder jeder andere Rohstoff) in der gesamten Welt plötzlich verschwunden sei. Die korrekte Definition einer Rohstoffknappheit würde sich eher mit Lieferverzögerungen auseinandersetzen und nicht mit der Nichterhältlichkeit. Eine Lieferverzögerung beim Silber für die Formen des Einzel- und Großhandels würde, anders ausgedrückt, einer Knappheit beim Silber entsprechen. Vielleicht keiner heftigen Knappheit, aber immerhin einer Knappheit. Hinweise für Lieferverzögerungen vor dem Hintergrund fallender Preise, sollten die Verfechter der Prinzipien eines freien Marktes beunruhigen.

Auch wenn mich die Lieferverzögerungen beim SLV, lange nachdem die Aktien schon verkauft waren, störten, so wollte ich mich nicht darüber beschweren. (Übrigens kann man dieses anhand der unregelmäßigen Einlagerungsmuster im SLV ablesen, wenn man sie mit dem Handelsvolumen des ETF vergleicht.) Was mich wirklich störte: Die Anteile wurden somit in jedem Fall leerverkauft.

Ich werde jetzt eine sehr direkte Aussage machen. Ich denke nicht, dass man Leerverkäufe bei den Anteilen des SLV erlauben sollte, gleiches gilt für die Anteile der börsengehandelten Gold-ETFs – GLD und IAU. Von den Zehntausenden unterschiedlichen Stammaktien sowie anderen gehandelten Wertpapieren, die unter der Aufsicht der US Securities and Exchange Commission (SEC) stehen, sind diese drei Metall-ETFs etwas ganz Besonderes und sie unterscheiden sich deutlich vom Rest. Von den Zehntausenden von unterschiedlichen Wertpapieren fordern nur SLV, GLD und IAU eine strenge Deckung durch Metallbestände – 10 Unzen Silber hinter jedem Anteil im SLV, eine Zehntelunze Gold hinter jedem Anteil im GLD oder IAU. Investoren kaufen Anteile dieser ETFs, weil sie sicher gehen können, dass diese spezifische Deckung durch Metalle existiert. Investoren kaufen Anteile im Wissen, dass Sponsoren und Verwalter die Garantie für die Existenz des Metalls übernehmen.

Was aber passiert, wenn jemand Anteile an diesen ETFs kauft und der Verkäufer diese Anteile leerverkauft? Hinterlegt der Leerverkäufer Metall, um den Kauf zu decken? Nein. Der Leerverkäufer verkauft ausschließlich Anteile leer, ohne Metall zu hinterlegen, vielleicht leiht er sich zuvor auch die Anteile – vielleicht auch nicht. Der Käufer weiß nicht, von wem er kauft, er bekommt nur eine Kaufbestätigung von seinem Broker, er zahlt und nimmt, aufgrund der im Emissionsprospekt stehenden Angaben, an, dass er neue Anteile gekauft hat, die von einem Sponsor, der Metall hinterlegt hat, herausgegeben werden oder von einem schon existierenden Anteilseigner stammen, der sich zur Liquidierung seiner Anteile entschlossen hat. Der Käufer kommt gar nicht erst darauf, dass er von einem Leerverkäufer gekauft hat, der das Metall nicht hinterlegt hat. Zusammengefasst heißt das, dass der Leerverkäufer das, was im Prospekt zugesichert wird, umgeht. Diese Partei durchkreuzt und zerstört das klar im Prospekt gegebene Versprechen, dass jeder verkaufte Anteil durch physisches Metall gedeckt wird.

Und hier kommt die beunruhigende Frage: Welcher Käufer besitzt nun die Anteile, die nicht durch Silber gedeckt sind, wenn man davon ausgehen muss, dass Leerverkäufer in die Transaktionen verwickelt sind? Nur der unglückselige und nichtsahnende Käufer, der leider zufällig einen Leerverkauf kaufte – oder werden alle Anteilseigner des SLV anteilsmäßig geschröpft – ähnlich den abgeschnittenen Münzecken von anno dazumal? Schauen Sie nicht in den Prospekt, dort werden sie keine Antwort bekommen.

Diejenigen, die davon bislang noch keine Ahnung hatten und nicht verstehen, wie Anteile ohne Metalldeckung verkauft werden können (oder die an meinen Anschuldigungen zweifeln), kann hier ein handfester Beweis geliefert werden. Es gibt eine Auflistung von Leerverkäufen, die belegt, dass Leerverkäufe existieren. Derzeit weist der SLV öffentlich eine kleine Short-Position an der American Stock Exchange aus, sie beläuft sich auf ca. 250.000 Anteile, äquivalent zu 2,5 Millionen Unzen. Am 11.März erreichten diese Leerverkäufe fast die Menge von 1 Million oder ca. 10 Millionen Unzen. Es kann also kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Leerverkäufe existieren, was zu einer ganzen Palette an unangenehmen Fragen führt. Ich gehe davon aus, dass dieser Aspekt vor der Einführung der ETFs nicht gründlich durchdacht wurde. Leider könnte es damit viel ernstere Probleme geben, als was diese Anzahl an Leerverkäufen betrifft – vielleicht viel ernstere Probleme.

So ca. um den 15.April herum bemerkte ich nun, dass die Verspätungen bei den Silberlieferungen im SLV viel ausgeprägter wurden. Es ging auch um viel größere Mengen Silber, als ich zuvor beobachtet hatte. Die Menge an leerverkauften Anteilen am SLV begann tatsächlich extrem zu werden.

Nur kurz zu den Leerverkäufen: Bitte verwechseln Sie diese Diskussion um Leerverkäufe von SLV-Anteilen (im GLD und IAU ebenfalls) nicht mit den Leerverkäufen, über die ich regelmäßig schreibe, wenn es um die Silber-Futures an der COMEX geht. Ich weiß, dass das kompliziert scheinen kann, aber es ist wichtig für Sie, dass Sie es verstehen. Bei den Futures muss es für jeden Leerverkauf einen Verkauf einer Long-Position geben. Daher liegt das Problem bei den Silber-Futures nicht bei der Existenz der Shorts im Allgemeinen, sondern beim (dokumentierten) konzentrierten Auftauchen dieser Short-Position – nämlich daran, dass diese sehr große Short-Position von nur wenigen Händlern gehalten wird. In den Augen der CFTC haben schon weniger extreme Konzentrationsniveaus bei anderen Rohstoffen als manipulativ gegolten; aber jetzt ist das beim Silber (und Gold) aus irgendeinem Grund nicht mehr der Fall.

Da die SEC über das vergangene Jahrzehnt die Einschränkungen bezüglich des Verkaufs von Short-Positionen gelockert hat, hat sich das neue Phänomen der nackten Leerverkäufe explosiv entwickelt. Zum Verkauf von nackten Short-Positionen braucht man sich gar nicht erst die Anteile, die man short verkaufen will, leihen. Die nackten Leerverkäufer gehen einfach short, ohne sich die entsprechenden Anteile vorher geliehen zu haben. Der Leerverkäufer kann schließlich dem Käufer am Abrechnungstag keine Anteile liefern. Und die Strafe, für das, was man im Grunde einen Lieferverzug nennt? Die SEC holt eine lange Liste hervor, auf der schon viele Aktien stehen, die nicht ausgehändigt werden konnten. Das ist alles – sie machen eine Liste. Keine Strafen, keine erzwungenen Rückkäufe, keine Identifikation desjenigen, der nackte Leerverkäufe gemacht hat, kein Nachsitzen nach Schulschluss. Und ja, auch der SLV steht von Zeit zu Zeit auf dieser Liste. Diejenigen, die Anteile am SLV besitzen, sollte das mehr als nur zu denken geben.

Und noch ein Tritt ins Gesicht für den SLV und die Silberinvestoren: Alle Investoren, die SLV-Anteile kaufen, müssen ihre Anteile voll und ganz bezahlen (oder sie leihen sich das Geld zu horrenden Zinsspannen von ihrem Broker). Nicht nur, dass die nackten Leerverkäufer nicht einen Cent für ihre Leerverkäufe hinterlegen müssen oder auch nur eine Unze Silber einlagern, sie erhalten auch die gesamte Bareinzahlung, die der Käufer aufgebracht hat, sie können Zinsen einstreichen und über das Geld solange frei verfügen, bis sie ihren Leerverkauf zurückkaufen. Was möglicherweise auch nie der Fall sein kann, da sie keiner dazu drängt. Das ist Wall-Street-Schwindelei und Abzocke erster Ordnung.





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