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"Gold" - Interview mit dem Goldexperten der ERSTE Bank

23.07.2008  |  Rohstoff-Spiegel
Während seines Studiums der Betriebswirtschaft an der WU-Wien sowie in den USA arbeitete Mag. Ronald-Peter Stöferle im Handel von Kreditderivaten der RZB. Neben diversen wirtschaftsjournalistischen Tätigkeiten galt sein Interesse schon immer den Aktien- und Rohstoffmärkten. Stöferle ist seit 2006 bei der Erste Bank im Internationalen Aktienresearch tätig und hat 2007 und 2008 vielbeachtete Goldreports verfasst. Derzeit absolviert er eine Ausbildung zum CMT sowie ein Doktoratsstudium.


Rohstoff-Spiegel: Der Goldpreis hat in den letzten Tagen wieder deutliche Lebenszeichen von sich gegeben. Was sind derzeit die treibenden Faktoren am Goldmarkt?

R. Stöferle: Der breite Aufwärtstrend, der diesen säkulären Bullenmarkt begründet, wird sicherlich von dem strukturellen Angebots-Nachfragedefizit getragen. Das bedeutet, dass die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage immer größer wird und im Endeffekt nur über Preissteigerungen geschlossen werden kann.

Ein Großteil der jüngsten Preisaufschläge ist allerdings mit der Rückbesinnung auf den monetären Wert des Goldes, die Finanzmarktkrise, die schwelenden Inflationsgefahren sowie die Flucht in den klassischen "safe haven" Gold zu begründen. Einer der wichtigsten Faktoren ist zudem das sinkende Vertrauen in die amerikanische Volkswirtschaft und somit den US-Dollar. Die Subprime-Krise hat sich zu einer Liquiditäts- bzw. Kreditkrise und in weiterer Folge zu einer Vertrauens- und Systemkrise weiterentwickelt. Gold profitierte von dieser Entwicklung.


Rohstoff-Spiegel: Seit den Tiefstständen Anfang des Jahrtausends hat der Goldpreis eine spektakuläre Hausse hinter sich. Was führte zur Wiederentdeckung des Goldes durch die Investoren? Was hat sich fundamental in der Welt geändert?

R. Stöferle: Während Aktien-Rohstoffe für mehr als 20 Jahre klar outperformt haben, hat sich das Bild seit 2000 gewandelt. Die aktuellen Börsenturbulenzen bestätigen dieses Paradigma. So haben die etablierten Weltindizes seit 2000 größtenteils an Wert verloren, während Gold, andere Edelmetalle und Rohstoffe im Allgemeinen sukzessive haussierten. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Einerseits natürlich die massiv gestiegene Nachfrage aus den Emerging Markets, andererseits liegt es in der Natur der Sache, dass sich Trends und Zyklen umkehren. Wir sehen aber auch so etwas wie eine "Remonetarisierung" des gelben Edelmetalls, quasi eine Rückbesinnung auf Werte, die bereits seit tausenden Jahren bestehen.


Rohstoff-Spiegel: Die Inflation im Euroraum liegt mit 4% nun knapp auf dem kurzfristigen Zinsniveau, in den USA und dem asiatischen Raum befinden sich die Realzinsen tief im negativen Bereich. Wie lange wird diese perfekte Situation für Edelmetalle noch anhalten?

R. Stöferle: Die Rede vom Inflationsgespenst ist leider wieder in aller Munde. Verwundert hat mich die Aussage von Jean-Claude Trichet wonach er eine Inflationsexplosion sieht. Eine so extreme Diktion ist für Notenbanker wirklich ungewöhnlich und zeigt, wie prekär die Situation ist. Mittlerweile haben 2/3 der Weltbevölkerung mit zweistelligen Inflationsraten zu kämpfen, der Bedarf für werterhaltende Investments ist somit enorm. Momentan könnten lediglich massive Zinserhöhungen den Goldpreis nachhaltig schwächen.

Dies scheint jedoch - konträr zur Situation im Jahre 1980 - unwahrscheinlich. Ende der 70er Jahre konnte die Hochinflationsperiode in den USA durch massive Zinserhöhungen des damaligen Fed-Vorsitzenden Paul Volcker gezügelt werden. Die Zinsen lagen nominell bei 20% (real 8%). Während die USA 1980 Netto-Gläubiger waren und eine positive Handelsbilanz aufwiesen, hat sich dieses Bild jedoch komplett gedreht. Die Schuldenstände der privaten Haushalte, aber auch der öffentlichen Hand erreichen mittlerweile besorgniserregende Dimensionen. Somit scheinen baldige starke Zinserhöhungen unter der aktuellen Führung unwahrscheinlich, was ein positives Fundament für künftige Goldpreisanstiege bilden sollte.


Rohstoff-Spiegel: Kommen wir zur Angebots-Nachfrage-Situation bei Gold. In den vergangenen Monaten haben einige bedeutende Goldproduzenten mit Prognosen einer rückläufigen Goldproduktion überrascht, das ehemalige größte Goldförderland Südafrika dürfte in diesem Jahr sogar drastisch weniger produzieren. Gleichzeitig steigt die Nachfrage aus den aufstrebenden Schwellenländern und von verängstigten Investoren. Sie warfen in einem Research-Report die Frage nach Peak-Gold auf. Stehen wir wirklich vor dem Höhepunkt der Goldproduktion?

R. Stöferle: Den Höhepunkt der Goldproduktion haben wir vermutlich schon längst gesehen. In 2007 sahen wir beispielsweise die geringste Produktion seit 11 Jahren. Die Goldproduktion sinkt bzw. stagniert in 8 der 12 wichtigsten Fördernationen, die insgesamt mehr als 50% des Primärangebots produzieren. Dazu zählen die traditionellen "Big Four" Goldabbauregionen Kanada, Australien, die USA und natürlich Südafrika, die unisono mit stagnierenden bzw. rückläufigen Kapazitäten zu kämpfen haben. Nachdem die rückläufige Produktion auf strukturelle Probleme zurückzuführen ist, rechnen wir zumindest bis 2011 mit fallenden Minenproduktionen.

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Die Gründe dafür sind vielfältig: Während des 20jährigen Bärenmarktes wurden zahlreiche kleinere Goldminen geschlossen, hunderte Gold-Aktien verschwanden vom Kurszettel. Wegen der großen Vorlaufzeiten von 5 bis 8 Jahren ist eine rasche Produktionsausweitung nicht möglich.

Aufgrund der Jahrzehnte langen Vernachlässigung von Investitionen in Exploration, Humanressourcen, Förderanlagen und Material dürften die Produktionssteigerungen erst mit einer deutlichen Verzögerung eintreten, sodass eben erst ab 2011 mit einer steigenden Primärproduktion gerechnet werden kann. Barrick Gold überraschte mit der Aussage, wonach man den Goldpreis innerhalb der nächsten 5 bis 7 Jahre deutlich höher sehen würde, nachdem die Minenproduktion wesentlich stärker als angenommen sinken werde.

Überraschend war dies insofern, weil Barrick Gold traditionell verhaltene Prognosen bezüglich des Goldpreises abgab. CFO Sokalsky rechnet mit einem Rückgang der Minenproduktion von 10 bis 15% während der nächsten 5 Jahre. Dies bestätigen auch Aussagen aller anderen Major-Produzenten, nachdem man unisono weiter fallende Förderzahlen prognostiziert. So merkte Pierre Lassonde von Newmont Mining an, dass es seit vielen Jahren kaum Funde über 30 Mio. Unzen gab. Aufgrund dessen erwartet auch Lassonde in den nächsten 5 bis 10 Jahren rückläufige Primärproduktion.

Kehren wir zu unserem Peak-Gold Szenario zurück: Analog zum Ölsektor sind die einfach und kostengünstig abzubauenden Ressourcen weitgehend erschöpft. Der Abbau von geringhaltigen oder sehr tief gelegenen Erzen scheitert oft an technischen oder wirtschaftlichen Hürden. So muss beispielsweise für jedes Gramm Gold, das gefördert wird, im Schnitt eine Tonne Gestein (im Open-Pit Verfahren) verarbeitet werden.



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