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"Gold" - Interview mit dem Goldexperten der ERSTE Bank

23.07.2008  |  Rohstoff-Spiegel
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Rohstoff-Spiegel:Wie hoch müsste der Preis steigen, um wieder genug Produktion auf den Markt zu bringen?

R. Stöferle: Eine sehr gute Frage. Meinen Modellen zufolge würde eine deutliche Produktionsausweitung erst bei Kursen von über 1.300 USD stattfinden. Auch hier würden wir jedoch deutliche Verzögerungen von mindestens 2 bis 3 Jahren sehen.


Rohstoff-Spiegel: Die ETFs haben sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Player am Markt entwickelt. Einige Analysten sprechen bereits von der "Privatisierung" des Goldes. Werden diese Bestände bald genauso zum Damoklesschwert für den Goldmarkt wie die Zentralbankbestände?

R. Stöferle: Der Boom an Gold-ETFs hat sicherlich ambivalente Folgen für den gesamten Sektor. Einerseits stellen ETFs für institutionelle Investoren ein kostengünstiges und transparentes Anlagevehikel dar, andererseits strömt nun jedoch auch weniger Kapital in Goldaktien.

Nichts desto trotz wird die Nachfrage deutlich angeregt, nachdem die Fonds physisch Gold hinterlegen müssen. Laut World Gold Council könnte die Gesamtnachfrage nach ETFs in 2008 um knapp 30% steigen, die Deutsche Bank rechnet damit, dass sich das Volumen in Europa bis 2010 auf 150 Mrd. EUR (aktuell 93 Mrd.) erhöht.


Rohstoff-Spiegel: Die Inflation macht sich auch stark bei den Produktionskosten der Goldminen bemerkbar. Einige Experten behaupten sogar, dass der Goldpreis gar nicht mehr unter die 600 USD fallen könnte, ohne ein Massensterben bei den Goldminen auszulösen. Wo sehen Sie die Untergrenze für den Goldpreis? Wie sollten Investoren die steigenden Kosten bei Anlageentscheidungen berücksichtigen? Sollte man von Goldaktien ganz die Finger lassen?

R. Stöferle: Sie haben vollkommen Recht, der Goldabbau ist heute kaum rentabler als in Zeiten, als die Goldnotierungen noch tiefer lagen. Allein seit 2002 haben sich die Abbaukosten verdoppelt, die Gesamtkosten sind noch deutlicher angestiegen. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen die lokale Währung deutlich gegenüber dem Dollar zugelegt hat (z.B. Australien, Kanada). Aufgrund dieser stark gestiegenen Kosten wird der höhere Goldpreis auch kaum zu erhöhter Explorationsaktivität führen, dies stellt einen der Eckpfeiler unseres positiven Goldpreisszenarios dar.

Was Goldaktien betrifft, so sehen wir schönes Potenzial bei Mid-Tier-Produzenten, hier gefallen uns beispielsweise Agnico Eagle (die sich auch auf unserer Empfehlungsliste befindet) oder Yamana. Auch eine Zijin Mining aus Hongkong befindet sich auf unserer Empfehlungsliste. Aktuell attraktiv sehen zudem Jinshan Goldmines sowie einer meiner Favoriten - Silver Wheaton - aus. Wir gehen von einer weiteren Branchenkonsolidierung aus, die Ziele werden hier sicherlich aus dem Mid-Tier-Bereich kommen. Aus etwas spekulativerer Sicht gefallen uns Near-Term-Produzenten gut. Osisko Exploration bleibt hier unser Top-Pick.


Rohstoff-Spiegel: Die westlichen Zentralbanken verkaufen seit Jahren stetig ihre Goldbestände, erst kürzlich meldete die EZB den Verkauf von 30 Tonnen Gold. Ist diese Politik in einem inflationären Umfeld, wie es derzeit herrscht, das richtige Mittel, um das Vertrauen in die Papierwährungen hoch zu halten?

R. Stöferle: Die Betonung sollte hier auf westliche Zentralbanken liegen. 2007 waren die Nettobanken erstmals Nettokäufer. D.h. während die CBGA- Mitglieder (das Central Bank Gold Agreement reglementiert die Zentralbankverkäufe) weiter verkaufen, treten russische, arabische und zahlreiche südostasiatische und lateinamerikanische Zentralbanken als Käufer auf.

Um auf Ihre Frage zu antworten: Ein Verkauf im aktuellen Umfeld ist sicherlich nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme. Jedoch sind die großen Verkaufsprogramme der CBGA-Mitglieder bereits abgeschlossen, insofern gehen wir davon aus, dass sich das Angebot weiter verknappen wird.

Ein weiterer Eckpunkt unserer positiven Langzeitaussichten sind zudem die geringen Goldbestände der aufstrebenden Wirtschaftsmächte und rohstoffproduzierender Länder. Die etablierten westlichen Industrienationen halten mindestens 50% ihrer Reserven in Gold, während die neuen Wirtschaftsmächte wie China, Russland und Indien sehr geringe Anteile der Gesamtreserven in Gold halten.

Die People´s Bank of China hat bereits 2005 angekündigt, zur Absicherung der Devisenbestände und der eigenen Währung wieder verstärkt auf Goldbarren zu setzen. Ähnliches meldeten russische Behörden, wonach man den Anteil an den Gesamtreserven von 4,2 auf 10% mehr als verdoppeln möchte. Auch die Reaktion auf die Meldung, wonach der IWF 400 Tonnen verkaufen wolle, ist als extrem positiv zu werten. Ich schätze einmal, der IWF-Bestand wird direkt nach Russland oder China wandern.

Die weltweiten Devisenreserven belaufen sich auf etwa. 5.200 Mrd. USD. Hier besteht also ein enormer Absicherungsbedarf seitens der Zentralbanken. Dass das makroökonomische Bild der USA eher trüb ist und sich die Situation eher verschlimmert als verbessert, wird den Dollar langfristig auch nicht gerade unterstützen. Die in den Vorjahren stark aufgeblähte Geldmenge ist unserer Meinung nach ebenfalls ein zentraler Faktor für die Bullenmärkte in Gold und Öl.


Rohstoff-Spiegel: Der Goldpreis hat im März mit über 1.000 USD ein neues nominales Hoch markiert. Real liegt der Goldpreis jedoch noch weiter unter seinen früheren Höchstständen. Wohin kann der Goldpreis Ihrer Meinung nach noch steigen und wie lange wird diese Goldhausse andauern?

R. Stöferle: In unserem Szenario rechnen wir auf 12-Monats-Sicht mit zumindest 1.200 USD. Die Seasonals lassen eine sehr positive Entwicklung ab Beginn oder Ende August erwarten, insofern rechne ich mit einem Überschreiten der "magischen" 1.000 USD im Laufe des Jahres. Unser Kursziel auf Sicht von 3-4 Jahren liegt beim inflationsbereinigten Allzeithoch, das wären aktuell 2.300 USD/Unze.

Oft werde ich gefragt, ob Gold nicht jetzt schon viel zu teuer sei, ob es für einen Neueinstieg nicht bereits zu spät wäre.

Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Dies erkennt man beispielsweise, wenn man den Bullenmarkt der 70er Jahre mit dem aktuellen vergleicht. So sieht man nämlich ganz deutliche Unterschiede. Eine Trendbeschleunigung hat noch nicht stattgefunden, die typische "5th Wave extension" lt. Elliott Wave Analyse (das ist der parabolische Anstieg am Ende eines Aufwärtstrends) hat noch nicht annähernd stattgefunden. Zudem beruht die aktuelle Goldhausse auf einer wesentlich breiteren Basis als in den 70er und 80er Jahren.

Fazit: Wir sehen für Goldinvestments nach wie vor ein höchst attraktives Chance/Risikoverhältnis und rechnen somit mit "Glänzenden Aussichten" für Goldinvestoren.


© Rohstoff-Spiegel
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