Buy - and - Hold DAX?
15.11.1999 | Dipl.-Kfm. Robert Bock
1. Einleitung
Die Lieblingsstrategie der Langfristinvestoren - nach dem Vorbild eines Warren Buffet oder André Kostolany- besteht darin, Aktien zu kaufen, ein Schlafmittel zu nehmen, nach Jahren wieder aufzuwachen und sich über immense Reichtümer zu freuen. So zumindest formulierte es Herr Kostolany. Der idealtypische Langfristinvestor ist überzeugt, daß eine tradingorientierte Strategie seiner Buy-and-Hold-Politik unterlegen sein muß, da es unmöglich sei, die Hoch- und Tiefpunkte von Kurszyklen zu antizipieren. Außerdem, stellt man Transaktions- und Informationskosten zusätzlich in die Vergleichsrechnung, so sieht die Bilanz des Traders nach Meinung des Langfristinvestors noch trauriger aus.
Die gesamte Fondbranche lebt von dem Argument, das den Kleinanlegern, wann immer diese es hören wollen odern auch nicht, gebetsmühlenhaft ins Ohr geträufelt wird: Auf Sicht von 10 Jahren könne man mit einem gut diversifizierten Portfolio von Blue Chips nichts verlieren, im Gegenteil, die Aktie schlage auf lange Sicht jede andere Geldanlage und Durchschnittsrenditen von 12% p.a. seien, wenn man nur lange dabei bleiben würde, in jedem Falle realistisch. Einen medienpopulären Fürsprecher dieser Theorie hat man hierbei in Raimund Brichta, dem Chefkommentator der n-tv-Telebörse gefunden, der diese Thesen scheinbar ebenso unreflektiert nachbetet, wie viele Berater am Bankschalter.
Doch ist dies wirklich so? Erzielt der Langfristanleger die höheren Durchschnittsrenditen? Tendiert sein Verlustrisiko nach ca. zehn Jahren tasächlich gegen Null? Sind 12% Rendite p.a. realistisch, wenn man länger als 10 Jahre investiert bleibt? Wieviel hiervon ist Wunsch, wieviel ist Wirklichkeit?
Die folgende Analyse wird diesen Fragen nachgehen, indem Buy-and-Hold-Strategien im DAX seit 1959 bis Ultimo Oktober 1999 mit unterschiedlichen Haltedauern zugrundegelegt werden. Das Ergebnis wird Sie vielleicht überraschen, evtl. nachdenklich stimmen, evtl. sogar erbost zu Ihrem Anlageberater am Bankschalter laufen lassen, denn man hat Ihnen in nicht unerheblichem Maße einen Bären aufgebunden.
2. Analysedesign
Der Analyse zugrundegelegt wurden die Tagesschlußkurse des DAX (resp. rekonstruierter DAX für die Zeit vor Einführung des DAX) vom 29.09.1959 bis 29.10.1999, also ein Zeitraum von über 40 Jahren.
Im nächsten Schritt wurde ein Investment in ein hypothetisches Indexzertifikat bzw. einen die Benchmark 1:1 abbildenden Fonds (Indexfonds) mit Haltedauern zwischen 1 Jahr und 40 Jahren mit börsentäglich beliebigem Einstieg und korrespondierendem Ausstieg nach Ablauf der geplanten Haltedauer auf die erzielten Renditen (börsentäglich genau!) hin analysiert. D.h. es wurde die ´Frage beantwortet, welche annualisierte Rendite ein Einstieg in den DAX zu jedem beliebigem Börsentag bei einer Haltedauer von x Tagen erbracht hätte und diese, mehreren hunderttausend Renditekennziffern mit deskriptiven und induktiven Methoden statistisch analysiert.
3. Analyseergebnisse
3.1. Durchschnittliche Renditeverteilung
Die erste Grafik gibt Auskunft darüber, wie sich in Abhängigkeit von der Haltedauer des Indexinvestments, die mittlere annualisierte Rendite darstellt:
Siehe da: Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als ob der Kurzfristinvestor (1 Jahr Haltedauer, durchschnittlich 8,2% Rendite) in der Vergangenheit die bessere Performance erzielt hat, während derjenige Investor, der einen beliebigen 21 Jahre dauernden Zeitraum im Markt war, mit gut 5,3% p.a. am schlechtesten abschnitt, der 40-Jahre-Investor mit knapp 6,2% jährlicher Rendite ebenso meilenweit von den in der Werbung ausgelobten 12% p.a. entfernt ist, wie der Spekulant, der sich gerademal an der heute gültigen steuerlichen Spekulationsfrist orientiert. Auffällig: Wer zwischen 7 und 36 Jahren ununterbrochen im Markt gewesen wäre, lag im Mittel relativ gleichmäßig zwischen 5,3 und 5,8% jährlicher Rendite! Legt man also den historischen Datenrückblick seriöserweise weit zurückreichend aus, so relativieren sich die 12%-Versprechen der Werbung als Bauernfängerei!
3.2. Durchschnittliche Rendite und Streuung
Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als würde man mit einer lediglich einjährigen Haltedauer die bessere Performance erzielen - im Mittel ist dies korrekt, aber erstens muß man praktischerweise die Frage nach der Investmentalternative stellen, wenn man nicht im DAX steckt und zweitens, das ist der springende Punkt, das Risiko eines Verlustes, das sog. Shortfall-Risk in Betracht ziehen.
In der folgenden Grafik ist die durchschnittliche Rendite sowie die sog. empirischen und theoretischen 2-Sigma-Bereiche abgetragen, die entstehen, wenn man jeweils die doppelte Standardabweichung zum Mittelwert hinzuzählt und abzieht. Unterstellt man eine Normalverteilung der Renditen, so würde die "wahre" mittlere Rendite eines theoretisch unbegrenzten Betrachtungszeitraumes von diesem Intervall mit einer Wahrscheinlichkeit von 95,45% umschlossen. Dies bedeutet im Umkehrschluß (vereinfacht formuliert), daß die Wahrscheinlichkeit eine Rendite außerhalb des theoretischen 2-Sigma-Bereiches zu erzielen, wenn die Renditen normalverteilt sind, nur 4,55% beträgt.
Den theoretischen 2-Sigma-Bereich erkennen Sie in hellblauer Farbe, den empirischen aus den, auf den Daten basierenden Extremwerten, in rot.
Man erkennt sofort, daß die Bandbreite der wahrscheinlichen Ergebnisse bei kurzer Investitionsdauer beträchtlich größer ist und empirisch Werte zwischen -39% und +83,5% erbracht hat, wobei der Durchschnitt bei 8,19% liegt. Je länger der Anlagezeitraum wird, desto schmaler wird das Band der wahrscheinlichen theoretischen und der tatsächlichen empirischen extremen Renditen. D.h. die durchschnittliche jährliche Rendite wird stabiler und kalkulierbarer, je länger der Anlagehorizont ist, ist aber weit, weit entfernt von zweistelligen Renditebereichen. Im Gegenteil: Wer länger als 25 Jahre im Markt bleibt, der sollte sich völlig von der Idee zweistelliger Durchschnittsrenditen verabschieden!
Der vorsichtige Investor wird sich die Frage stellen, wie es denn um das Verlustrisiko bestellt ist: Je kürzer der Anlagehorizont, desto größer das Risiko eines Verlustes. Doch liegt der Anlagehorizont, ab dem das Verlustrisiko kein Thema mehr ist, tatsächlich bei ca. 10 Jahren? Weit gefehlt: Die Zeitachse wird theoretisch, wie empirisch, erst nach ca. 24 Jahren Anlagedauer geschnitten. Das Risiko, nach 23 Jahren also gerademal seinen nominalen Einsatz zurückzuerhalten ist also durchaus gegeben! Hierbei ist weder der Zugriff des Fiskus auf Erträge und Inflation eingerechnet. Würde man eine Rendite nach Steuern und Inflation berechnen, so würden sich alle vier Kurven nach unten verschieben und der Zeitpunkt, ab dem das nominelle Shortfall-Risk gegen Null geht, würde weiter rechts liegen. Bedenkt man, daß ein durchschnittlicher Anleger maximal im Bereich von 40 Jahren ununterbrochener Anlagedauer im Markt ist, ist ein Vermögensverlust auch im Aktienmarkt bei wirklich langer Anlagedauer nicht auszuschließen!
Fazit: Vergessen Sie das Märchen, daß man mit einer indexorientierten, langfristigen Buy-and-Hold-Strategie (hier: im DAX) nichts verlieren könne!
Fakt ist: Wer mit 40 Jahren eine Einmalinvestition in den DAX vornimmt und diese bis zu seinem 60 Geburtstag ununterbrochen hält, kann mit jährlichen Renditen zwischen -1,55 und +12,12% rechnen, wobei der erwartungswert - die Rendite mit der größten Wahrscheinlichkeit bei 5,35% liegt. Eine Rendite vor Steuern, die von einem gut gemanagten offenen Immobilienfonds locker und mit geringerem Risiko (aber auch geringeren Chancen) erreicht werden kann.
Die Lieblingsstrategie der Langfristinvestoren - nach dem Vorbild eines Warren Buffet oder André Kostolany- besteht darin, Aktien zu kaufen, ein Schlafmittel zu nehmen, nach Jahren wieder aufzuwachen und sich über immense Reichtümer zu freuen. So zumindest formulierte es Herr Kostolany. Der idealtypische Langfristinvestor ist überzeugt, daß eine tradingorientierte Strategie seiner Buy-and-Hold-Politik unterlegen sein muß, da es unmöglich sei, die Hoch- und Tiefpunkte von Kurszyklen zu antizipieren. Außerdem, stellt man Transaktions- und Informationskosten zusätzlich in die Vergleichsrechnung, so sieht die Bilanz des Traders nach Meinung des Langfristinvestors noch trauriger aus.
Die gesamte Fondbranche lebt von dem Argument, das den Kleinanlegern, wann immer diese es hören wollen odern auch nicht, gebetsmühlenhaft ins Ohr geträufelt wird: Auf Sicht von 10 Jahren könne man mit einem gut diversifizierten Portfolio von Blue Chips nichts verlieren, im Gegenteil, die Aktie schlage auf lange Sicht jede andere Geldanlage und Durchschnittsrenditen von 12% p.a. seien, wenn man nur lange dabei bleiben würde, in jedem Falle realistisch. Einen medienpopulären Fürsprecher dieser Theorie hat man hierbei in Raimund Brichta, dem Chefkommentator der n-tv-Telebörse gefunden, der diese Thesen scheinbar ebenso unreflektiert nachbetet, wie viele Berater am Bankschalter.
Doch ist dies wirklich so? Erzielt der Langfristanleger die höheren Durchschnittsrenditen? Tendiert sein Verlustrisiko nach ca. zehn Jahren tasächlich gegen Null? Sind 12% Rendite p.a. realistisch, wenn man länger als 10 Jahre investiert bleibt? Wieviel hiervon ist Wunsch, wieviel ist Wirklichkeit?
Die folgende Analyse wird diesen Fragen nachgehen, indem Buy-and-Hold-Strategien im DAX seit 1959 bis Ultimo Oktober 1999 mit unterschiedlichen Haltedauern zugrundegelegt werden. Das Ergebnis wird Sie vielleicht überraschen, evtl. nachdenklich stimmen, evtl. sogar erbost zu Ihrem Anlageberater am Bankschalter laufen lassen, denn man hat Ihnen in nicht unerheblichem Maße einen Bären aufgebunden.
2. Analysedesign
Der Analyse zugrundegelegt wurden die Tagesschlußkurse des DAX (resp. rekonstruierter DAX für die Zeit vor Einführung des DAX) vom 29.09.1959 bis 29.10.1999, also ein Zeitraum von über 40 Jahren.
Im nächsten Schritt wurde ein Investment in ein hypothetisches Indexzertifikat bzw. einen die Benchmark 1:1 abbildenden Fonds (Indexfonds) mit Haltedauern zwischen 1 Jahr und 40 Jahren mit börsentäglich beliebigem Einstieg und korrespondierendem Ausstieg nach Ablauf der geplanten Haltedauer auf die erzielten Renditen (börsentäglich genau!) hin analysiert. D.h. es wurde die ´Frage beantwortet, welche annualisierte Rendite ein Einstieg in den DAX zu jedem beliebigem Börsentag bei einer Haltedauer von x Tagen erbracht hätte und diese, mehreren hunderttausend Renditekennziffern mit deskriptiven und induktiven Methoden statistisch analysiert.
3. Analyseergebnisse
3.1. Durchschnittliche Renditeverteilung
Die erste Grafik gibt Auskunft darüber, wie sich in Abhängigkeit von der Haltedauer des Indexinvestments, die mittlere annualisierte Rendite darstellt:
Siehe da: Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als ob der Kurzfristinvestor (1 Jahr Haltedauer, durchschnittlich 8,2% Rendite) in der Vergangenheit die bessere Performance erzielt hat, während derjenige Investor, der einen beliebigen 21 Jahre dauernden Zeitraum im Markt war, mit gut 5,3% p.a. am schlechtesten abschnitt, der 40-Jahre-Investor mit knapp 6,2% jährlicher Rendite ebenso meilenweit von den in der Werbung ausgelobten 12% p.a. entfernt ist, wie der Spekulant, der sich gerademal an der heute gültigen steuerlichen Spekulationsfrist orientiert. Auffällig: Wer zwischen 7 und 36 Jahren ununterbrochen im Markt gewesen wäre, lag im Mittel relativ gleichmäßig zwischen 5,3 und 5,8% jährlicher Rendite! Legt man also den historischen Datenrückblick seriöserweise weit zurückreichend aus, so relativieren sich die 12%-Versprechen der Werbung als Bauernfängerei!
3.2. Durchschnittliche Rendite und Streuung
Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als würde man mit einer lediglich einjährigen Haltedauer die bessere Performance erzielen - im Mittel ist dies korrekt, aber erstens muß man praktischerweise die Frage nach der Investmentalternative stellen, wenn man nicht im DAX steckt und zweitens, das ist der springende Punkt, das Risiko eines Verlustes, das sog. Shortfall-Risk in Betracht ziehen.
In der folgenden Grafik ist die durchschnittliche Rendite sowie die sog. empirischen und theoretischen 2-Sigma-Bereiche abgetragen, die entstehen, wenn man jeweils die doppelte Standardabweichung zum Mittelwert hinzuzählt und abzieht. Unterstellt man eine Normalverteilung der Renditen, so würde die "wahre" mittlere Rendite eines theoretisch unbegrenzten Betrachtungszeitraumes von diesem Intervall mit einer Wahrscheinlichkeit von 95,45% umschlossen. Dies bedeutet im Umkehrschluß (vereinfacht formuliert), daß die Wahrscheinlichkeit eine Rendite außerhalb des theoretischen 2-Sigma-Bereiches zu erzielen, wenn die Renditen normalverteilt sind, nur 4,55% beträgt.
Den theoretischen 2-Sigma-Bereich erkennen Sie in hellblauer Farbe, den empirischen aus den, auf den Daten basierenden Extremwerten, in rot.
Man erkennt sofort, daß die Bandbreite der wahrscheinlichen Ergebnisse bei kurzer Investitionsdauer beträchtlich größer ist und empirisch Werte zwischen -39% und +83,5% erbracht hat, wobei der Durchschnitt bei 8,19% liegt. Je länger der Anlagezeitraum wird, desto schmaler wird das Band der wahrscheinlichen theoretischen und der tatsächlichen empirischen extremen Renditen. D.h. die durchschnittliche jährliche Rendite wird stabiler und kalkulierbarer, je länger der Anlagehorizont ist, ist aber weit, weit entfernt von zweistelligen Renditebereichen. Im Gegenteil: Wer länger als 25 Jahre im Markt bleibt, der sollte sich völlig von der Idee zweistelliger Durchschnittsrenditen verabschieden!
Der vorsichtige Investor wird sich die Frage stellen, wie es denn um das Verlustrisiko bestellt ist: Je kürzer der Anlagehorizont, desto größer das Risiko eines Verlustes. Doch liegt der Anlagehorizont, ab dem das Verlustrisiko kein Thema mehr ist, tatsächlich bei ca. 10 Jahren? Weit gefehlt: Die Zeitachse wird theoretisch, wie empirisch, erst nach ca. 24 Jahren Anlagedauer geschnitten. Das Risiko, nach 23 Jahren also gerademal seinen nominalen Einsatz zurückzuerhalten ist also durchaus gegeben! Hierbei ist weder der Zugriff des Fiskus auf Erträge und Inflation eingerechnet. Würde man eine Rendite nach Steuern und Inflation berechnen, so würden sich alle vier Kurven nach unten verschieben und der Zeitpunkt, ab dem das nominelle Shortfall-Risk gegen Null geht, würde weiter rechts liegen. Bedenkt man, daß ein durchschnittlicher Anleger maximal im Bereich von 40 Jahren ununterbrochener Anlagedauer im Markt ist, ist ein Vermögensverlust auch im Aktienmarkt bei wirklich langer Anlagedauer nicht auszuschließen!
Fazit: Vergessen Sie das Märchen, daß man mit einer indexorientierten, langfristigen Buy-and-Hold-Strategie (hier: im DAX) nichts verlieren könne!
Fakt ist: Wer mit 40 Jahren eine Einmalinvestition in den DAX vornimmt und diese bis zu seinem 60 Geburtstag ununterbrochen hält, kann mit jährlichen Renditen zwischen -1,55 und +12,12% rechnen, wobei der erwartungswert - die Rendite mit der größten Wahrscheinlichkeit bei 5,35% liegt. Eine Rendite vor Steuern, die von einem gut gemanagten offenen Immobilienfonds locker und mit geringerem Risiko (aber auch geringeren Chancen) erreicht werden kann.