Bald sind Steuerzahler und Sparer dran
05.10.2008 | Manfred Gburek
Der deutsche Baufinanzierer Hypo Real Estate in der Nacht von Donnertag auf Freitag angeblich gerettet, dann am Samstagabend doch nicht. Das US-Finanzsystem am Freitag vor dem Zusammenbruch bewahrt, und offizielle Stellungnahmen lesen sich auf einmal, als werde alles wieder gut. Ist das nicht ein Grund zum erleichterten Durchatmen? Nein, überhaupt nicht; denn das wäre so, als hätte ein kurz vor dem Ertrinken an Land gezogener Ironman-Teilnehmer die Rad- und Marathonstrecke nicht vor, sondern schon hinter sich. Hat er aber nicht. Welch surreale Entwicklung die Finanzkrise mittlerweile auch in Deutschland nimmt, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass Hypo Real Estate-Chef Georg Funke vorläufig im Amt bleiben durfte - derselbe Mann, der im Januar 2007 getönt hatte, für seine Bank beginne "eine neue Wachstumsphase", und der im November 2007 die Frechheit besaß, zu behaupten: "Hypo Real Estate geht aus der jüngsten Marktkrise gestärkt hervor." Ich habe ihm, seiner Bank und der bei UniCredit untergeschlüpften Schwester in meinem Sprüche-Buch ein Kapitel mit dem Untertitel gewidmet: "HypoVereinsbank und Hypo Real Estate drehen einen Gruselfilm."
Richtig gruselig wird es, sobald das internationale Rettungskommando an zig Stellen des Finanzsystems seine wirkliche Arbeit aufnehmen muss, denn längst sind noch nicht alle Leichen im Keller gefunden. Das liegt an der Vielfalt der Probleme, mit der allein die ganze Bankenwelt konfrontiert ist; sie erstrecken sich von hohen Abschreibungen bis zu veritablen Pleiten, von notgedrungen zustande gekommenen Fusionen und Übernahmen bis zu staatlichen Eingriffen. Hier alphabetisch eine Auswahl an mal mehr, mal weniger betroffenen Instituten: AIG, Bayern LB, Bear Stearns, Dexia, Dresdner Bank, Fannie Mae, Fortis, Freddie Mac, HBOS, HSH Nordbank, Hypo Real Estate, HypoVereinsbank, IKB, Indymac, KfW, LBBW, Lehman Brothers, Merrill Lynch, RBS, Morgan Stanley, Northern Rock, Sachsen LB, Société Génerale, Wachovia, Washington Mutual, WestLB.
Allein die Bewältigung dieser Problemfälle wird viele Jahre in Anspruch nehmen. Dabei werden Tausende von Angestellten entlassen, sodass die negativen Folgen für die Wirtschaft, ausgehend vom Konsum, weltweit bereits heute abzusehen sind, etwa im Einzelhandel oder in der Autoproduktion, einer Schlüsselindustrie mit gravierenden Auswirkungen auf Zulieferer. Die Steuerzahler werden letzten Endes für die Rettungsmaßnahmen der Staaten aufkommen und mit ihnen die Sparer in Geldwerten, wie Anleihen, Rentenfonds und Lebensversicherungen. Wir Deutschen kennen uns ja in beiderlei Hinsicht aus:
Während der 50er Jahre klebten wir neben die übliche Briefmarke eine schmale kleine mit dem Namen Notopfer Berlin, und seit den 90er Jahren gibt es den Soli. Zuletzt wurden Geldwerte in größerem Umfang aus Anlass der deutschen Währungsreform nach dem 2. Weltkrieg vernichtet und dann noch ein Mal während der inflationären 70er Jahre. Nach welchem Modell Steuerzahler und Sparer in den kommenden Jahren für die Geldspiele unverantwortlicher Banker zur Kasse gebeten werden, steht zwar noch nicht fest, wird aber in Berlin, wo man sich an dem US-Rettungsmodell ein Beispiel nehmen dürfte, schon bald heiß diskutiert.
Was wir jetzt an den Märkten erleben, ist ein Vorgeplänkel bis zum nächsten Krisenschub, kein neuer Trend: Der Dollar steigt unter anderem deshalb, weil hohe Beträge repatriiert, also vom Ausland abgezogen werden. Das wird sich wieder legen, sobald feststeht, wie das jetzt verabschiedete US-Rettungspaket im Einzelnen wirkt. Mit dem Dollar steigen die Kurse der US-Anleihen bzw. sinken deren Renditen; das färbt auf die europäischen Anleihenmärkte ab. Der Grund: neben der Flucht in den vermeintlich sicheren Hafen (Staatsanleihen) auch die geringeren Inflationserwartungen (nicht zu verwechseln mit der Inflation als solcher, die weiter hoch bleibt). Diese Erwartungen haben sich denn auch heftig im gefallenen Goldpreis und noch mehr in den zeitweise abstürzenden Edelmetallaktien ausgewirkt.
Ich halte sie für eine vorübergehende Erscheinung; denn die sich abzeichnende Geldschwemme, die ein großes Inflationspotenzial bildet, wird in Verbindung mit der exorbitant hohen Verschuldung der USA Anleger schon bald wieder mehr ins Gold (und Silber) als sicheren Hafen locken. Die jüngste Entwicklung rechtfertigt den hier mehrfach gegebenen Rat, den Kauf der Edelmetalle sowie von Gold- und Silberaktien zeitlich zu verteilen. Aus heutiger Sicht rechne ich damit, dass die hektischen Schwankungen der Edelmetallpreise und -aktienkurse noch bis zur Jahreswende anhalten und dann in eine allmähliche, 2009/10 immer stärkere Aufwärtsbewegung münden werden.
Übrigens habe ich in der Online-Ausgabe der Wirtschaftswoche einige grundsätzliche Anmerkungen zum Thema "Wie sichere ich mich gegen die Finanzkrise ab?" veröffentlicht, die ich hier einfach eins zu eins wiedergebe:
Sicher durch die Krise
1. Achtung, Neuland! Die jetzige internationale Finanzkrise ist ohne Beispiel. Sie entstand durch den Zusammenruch der Spekulation mit Derivaten, in erster Linie Swaps und Optionen. Deren offene Positionen betrugen laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Ende 2007 netto über 596 Billionen (amerikanisch: Trillions) Dollar, das 851-Fache des ursprünglich 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspakets der US-Regierung. Wer sich vor den Folgen der ungeheuren Bedrohung schützen will, muss die eigene Sicherheitsstrategie auf eine breite Basis stellen: wichtige Informationen sammeln, laufend die Finanzmärkte beobachten, Risiken vermeiden, Geldanlagen - auch international - streuen und immer liquide bleiben.
2. Vergleiche und Prognosen für den Papierkorb. Zurzeit ist es Mode, die aktuelle Krise mit der Depression Anfang der 30er Jahre, mit dem Crash vom Oktober 1987 oder sogar mit dem Platzen der Technologieblase zu Beginn des neuen Jahrtausends zu vergleichen. All diese Vergleiche hinken. Wer wissen will, warum im Finanzsektor auch das scheinbar Unmögliche möglich ist, lese eines der Bücher des erfolgreichen Spekulanten George Soros und dazu am besten gleich "Der schwarze Schwan" von Nassim Nicholas Taleb. Dagegen gehören Prognosen in den Papierkorb und Börsengurus durch Nichtachtung bestraft.
3. Selbst ist der Mann/die Frau. So selbstverständlich es scheint, so wenig praktizieren es die meisten Menschen: das individuelle Planen der Finanzen aus eigenem Antrieb. Dabei ist das die einfachste und gleichzeitig beste Methode, unbeschadet durch die Krise zu kommen. Das heißt: Einnahmen und Ausgaben notieren und für verschiedene Zeiträume planen, finanzielle Ziele festlegen, im Abstand von einigen Monaten Kassensturz machen und nach eigenen Prioritäten Vermögen aufbauen.
Richtig gruselig wird es, sobald das internationale Rettungskommando an zig Stellen des Finanzsystems seine wirkliche Arbeit aufnehmen muss, denn längst sind noch nicht alle Leichen im Keller gefunden. Das liegt an der Vielfalt der Probleme, mit der allein die ganze Bankenwelt konfrontiert ist; sie erstrecken sich von hohen Abschreibungen bis zu veritablen Pleiten, von notgedrungen zustande gekommenen Fusionen und Übernahmen bis zu staatlichen Eingriffen. Hier alphabetisch eine Auswahl an mal mehr, mal weniger betroffenen Instituten: AIG, Bayern LB, Bear Stearns, Dexia, Dresdner Bank, Fannie Mae, Fortis, Freddie Mac, HBOS, HSH Nordbank, Hypo Real Estate, HypoVereinsbank, IKB, Indymac, KfW, LBBW, Lehman Brothers, Merrill Lynch, RBS, Morgan Stanley, Northern Rock, Sachsen LB, Société Génerale, Wachovia, Washington Mutual, WestLB.
Allein die Bewältigung dieser Problemfälle wird viele Jahre in Anspruch nehmen. Dabei werden Tausende von Angestellten entlassen, sodass die negativen Folgen für die Wirtschaft, ausgehend vom Konsum, weltweit bereits heute abzusehen sind, etwa im Einzelhandel oder in der Autoproduktion, einer Schlüsselindustrie mit gravierenden Auswirkungen auf Zulieferer. Die Steuerzahler werden letzten Endes für die Rettungsmaßnahmen der Staaten aufkommen und mit ihnen die Sparer in Geldwerten, wie Anleihen, Rentenfonds und Lebensversicherungen. Wir Deutschen kennen uns ja in beiderlei Hinsicht aus:
Während der 50er Jahre klebten wir neben die übliche Briefmarke eine schmale kleine mit dem Namen Notopfer Berlin, und seit den 90er Jahren gibt es den Soli. Zuletzt wurden Geldwerte in größerem Umfang aus Anlass der deutschen Währungsreform nach dem 2. Weltkrieg vernichtet und dann noch ein Mal während der inflationären 70er Jahre. Nach welchem Modell Steuerzahler und Sparer in den kommenden Jahren für die Geldspiele unverantwortlicher Banker zur Kasse gebeten werden, steht zwar noch nicht fest, wird aber in Berlin, wo man sich an dem US-Rettungsmodell ein Beispiel nehmen dürfte, schon bald heiß diskutiert.
Was wir jetzt an den Märkten erleben, ist ein Vorgeplänkel bis zum nächsten Krisenschub, kein neuer Trend: Der Dollar steigt unter anderem deshalb, weil hohe Beträge repatriiert, also vom Ausland abgezogen werden. Das wird sich wieder legen, sobald feststeht, wie das jetzt verabschiedete US-Rettungspaket im Einzelnen wirkt. Mit dem Dollar steigen die Kurse der US-Anleihen bzw. sinken deren Renditen; das färbt auf die europäischen Anleihenmärkte ab. Der Grund: neben der Flucht in den vermeintlich sicheren Hafen (Staatsanleihen) auch die geringeren Inflationserwartungen (nicht zu verwechseln mit der Inflation als solcher, die weiter hoch bleibt). Diese Erwartungen haben sich denn auch heftig im gefallenen Goldpreis und noch mehr in den zeitweise abstürzenden Edelmetallaktien ausgewirkt.
Ich halte sie für eine vorübergehende Erscheinung; denn die sich abzeichnende Geldschwemme, die ein großes Inflationspotenzial bildet, wird in Verbindung mit der exorbitant hohen Verschuldung der USA Anleger schon bald wieder mehr ins Gold (und Silber) als sicheren Hafen locken. Die jüngste Entwicklung rechtfertigt den hier mehrfach gegebenen Rat, den Kauf der Edelmetalle sowie von Gold- und Silberaktien zeitlich zu verteilen. Aus heutiger Sicht rechne ich damit, dass die hektischen Schwankungen der Edelmetallpreise und -aktienkurse noch bis zur Jahreswende anhalten und dann in eine allmähliche, 2009/10 immer stärkere Aufwärtsbewegung münden werden.
Übrigens habe ich in der Online-Ausgabe der Wirtschaftswoche einige grundsätzliche Anmerkungen zum Thema "Wie sichere ich mich gegen die Finanzkrise ab?" veröffentlicht, die ich hier einfach eins zu eins wiedergebe:
Sicher durch die Krise
1. Achtung, Neuland! Die jetzige internationale Finanzkrise ist ohne Beispiel. Sie entstand durch den Zusammenruch der Spekulation mit Derivaten, in erster Linie Swaps und Optionen. Deren offene Positionen betrugen laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Ende 2007 netto über 596 Billionen (amerikanisch: Trillions) Dollar, das 851-Fache des ursprünglich 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspakets der US-Regierung. Wer sich vor den Folgen der ungeheuren Bedrohung schützen will, muss die eigene Sicherheitsstrategie auf eine breite Basis stellen: wichtige Informationen sammeln, laufend die Finanzmärkte beobachten, Risiken vermeiden, Geldanlagen - auch international - streuen und immer liquide bleiben.
2. Vergleiche und Prognosen für den Papierkorb. Zurzeit ist es Mode, die aktuelle Krise mit der Depression Anfang der 30er Jahre, mit dem Crash vom Oktober 1987 oder sogar mit dem Platzen der Technologieblase zu Beginn des neuen Jahrtausends zu vergleichen. All diese Vergleiche hinken. Wer wissen will, warum im Finanzsektor auch das scheinbar Unmögliche möglich ist, lese eines der Bücher des erfolgreichen Spekulanten George Soros und dazu am besten gleich "Der schwarze Schwan" von Nassim Nicholas Taleb. Dagegen gehören Prognosen in den Papierkorb und Börsengurus durch Nichtachtung bestraft.
3. Selbst ist der Mann/die Frau. So selbstverständlich es scheint, so wenig praktizieren es die meisten Menschen: das individuelle Planen der Finanzen aus eigenem Antrieb. Dabei ist das die einfachste und gleichzeitig beste Methode, unbeschadet durch die Krise zu kommen. Das heißt: Einnahmen und Ausgaben notieren und für verschiedene Zeiträume planen, finanzielle Ziele festlegen, im Abstand von einigen Monaten Kassensturz machen und nach eigenen Prioritäten Vermögen aufbauen.