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So etwas konnte uns nur die Regierung antun

01.11.2008  |  Redaktion
Es muss ein sehr ruhiges Treffen gewesen sein. Es begann am vergangenen Montag in den plüschigen Büros des Finanzministeriums in Washington D.C. Auf der einen Seite des Tisches saß der amerikanische Finanzminister Henry Paulson. Er wurde vom Vorsitzenden der amerikanischen Zentralbank, Ben Bernanke und von der Vorsitzenden der Bundeseinlagensicherungsanstalt, Sheila Bair flankiert.

Auf der anderen Seite saßen die Hauptgeschäftsführer der größten Banken der Welt. Sie saßen in alphabetischer Reihenfolge, wobei der Vorsitzende der Bank of America an einem Ende saß und der Hauptgeschäftsführer von Wells Fargo am anderen Ende. Dazwischen saßen die Vertreter der Bank of New York Mellon, Citicorp, Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase. Merrill Lynch, Morgan Stanley und State Street.

Wenn auch keine Reporter anwesend waren, so stückelten die Journalisten später dennoch zusammen, was dort gesagt wurde. Alle Berichte scheinen sich einig: Eine Stunde lang sagten Paulson und Bernanke den versammelten Bankern ganz einfach, wie ernst die Situation sei, die nicht nur das Land, sondern die gesamte bekannte Welt bedrohte. (Und jetzt alle gemeinsam, können Sie sagen: "Das ist die ernsteste Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise?"

Am Ende der Feststellungen von Paulson und Bernanke teilten Helfer an jeden Banker ein Dokument aus. Die Seiten enthielten die Bedingungen der Regierung, ihr Partner zu werden. Sie listeten genau auf, wie viel Geld das Finanzministerium in jede Bank "investieren" würde (insgesamt wurden an die Anwesenden 125 Milliarden Dollar verteilt). Sie spezifizierten, wie viel Eigentumsrecht sie erwarteten und wie die neue Dividendenpolitik aussehen sollte. Es waren sogar die Grenzen dessen festgelegt, was die Führungskräfte verdienen können. (Die obersten fünf Vertreter jeder Institution dürfen nicht mehr als 500.000 Dollar im Jahr erhalten.)

Und wenn eine Diskussion auch gestattet war, so waren Verhandlungen ausgeschlossen. Paulson erklärte, das Geschäft sei zu ihrem eigenen Besten und zum Besten des Landes. Und dann war es an der Zeit, "die Klappe zu halten und zu unterzeichnen." Und das taten die Banker auch alle.

Jegliche Fragen, jegliche Zweifel, jegliche Meinungsverschiedenheit wurde munter ignoriert. Und so wurde in dem Land, das einst das Land der Freien und die Heimat der Tapferen war, ein neues Zeitalter geboren. Die Regierung wollte den Kapitalismus "retten", indem sie zum Partner des Kapitalismus wurde... und sogar zum Vorgesetzten.

Es ist vielleicht keine "Brave New World", aber ich kann Ihnen versichern, Leute, dass es eine teure Welt werden wird. Die Zeit wird zeigen, wie teuer diese Welt werden wird - sie wird es den Portemonnaies und dem freien Unternehmertum zeigen.

Die Chinesen des Altertums sagten: "Möget ihr in interessanten Zeiten leben". Das war nicht als Segen gemeint. Nein, man hat mir sogar gesagt, es sei immer als Fluch zu verstehen gewesen.

Die vergangenen Wochen als „interessant" zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahrzehnts. Ob an den Märkten, in Washington oder in der Politik - ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich so viele erschreckende Umkehrungen und unerwartete Schocks erlebt hätte.

Die größte Sparkasse des Landes, Washington Mutual... gibt es nicht mehr. Die jüngere Schwester, Wachovia, steht kurz vor dem Verschwinden.

Der größte Versicherer des Landes, AIG, wird einen neuen Besitzer haben, wenn Uncle Sam mit 85 Milliarden Dollar einsteigt (zuletzt erhöht auf 120 Milliarden Dollar und mehr) und damit irgendwann 80% des Unternehmens besitzt.

Zwei der ehrwürdigsten (und wie sich herausstellt auch angreifbarsten) erhabenen Einrichtungen der Wall Street - Bear Stearns und Lehman Brothers - gibt es nicht mehr. Merrill Lynch gibt es gleichzeitig nur noch als Namen. Die Angestellten dort stehen kurz davor, die Bank of Amerika als "Chef" zu bezeichnen.

In den vergangenen drei Wochen erfuhr der Aktienmarkt das, was man als einen "Crash in Zeitlupe" bezeichnen könnte. Viele Investoren fühlten sich, als wären sie gegen Smokin‘ Joe Frazier in den Boxring gestiegen. Bamm!, 500 Punkte weg. Bäng! 300 Weg. Zack! Wieder 400 verschwunden. Und dann kam am vorvergangenen Freitag der unglaublichste Tag von allen. Der Dow ist bis auf 7.900 Punkte gefallen. Und dann hat er sich wieder auf den Weg nach oben gemacht.

Was für eine Erholung konnte er in den darauffolgenden fünf Stunden auf die Beine stellen. Ehe Sie sagen konnten: „no mas!", hat der Dow sämtliche 700 Punkte zurückbekommen, die er verloren hatte und noch weitere 300 Punkte mehr. Ich wünschte, an diesem Punkt hätte jemand die Schlussglocke geläutet, aber nein, die besorgten Investoren konnten es dabei nicht bewenden lassen. Mr. Market gab all diese Gewinne und einige mehr wieder ab, noch ehe diese Sitzung um vier Uhr am Nachmittag endete.

Als sich der Staub schließlich gelegt hatte, schloss der Dow am vorvergangenen Freitag mit 128 Punkten weniger. Und dann kam der Montag und viele Investoren entschieden, dass die ganzen Verkäufe ein Fehler gewesen sind. Nachdem sie über das Wochenende Zeit hatten, nachzudenken, wurden sie am Montagmorgen wieder zu Käufern. Und sie haben eingekauft - in Rekordzahlen. Als die Schlussglocke dann ertönte, hatten mehr als 1,5 Billionen in Aktien den Besitzer gewechselt und der Dow hatte um einen Rekordwert von 936,42 Punkten zugelegt.




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