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Prolog: Schlacht gegen die Realität

29.11.2008  |  Roland Baader
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Die großen Boom-and-Bust-Zyklen, die Blasen und Zusammenbrüche, die unaufhörliche Teuerung und die wahnwitzigen Ausschläge der Zinsen nach oben und unten: Alles das sind Erscheinungen, die zur Zeit des Gold- und Silber-Münzgeldes und des Goldstandards unbekannt waren. Sie begannen mit der Abkehr der Nationen von der Goldwährung zu Beginn des Ersten Weltkriegs und mit der Gründung der amerikanischen Zentralbank 1913. So richtig in die Senkrechte starteten die Geldangebotskurven - und damit die Kredit- und Verschuldungsraketen - dann 1971, als die letzte Restbastion der Goldkonvertibilität des US-Dollars (Konvertibilität des Dollars in Gold gegenüber internationalen Zentralbanken) geschleift wurde. Es ist ja gerade die Anker- oder Kettenfunktion gegen willkürliche Geldvermehrung, die Gold als Geld so wertvoll macht. Die Hunde der Inflation stehen immer bereit, denn was könnte schöner sein für die politische Kaste als sich Macht und Pfründe mit beliebig vermehrbarem Papiergeld kaufen zu können.

Sobald man die (goldene) Kette sprengt, rasen die Hunde los und zerfleischen die Zivilisation. Und das erst erzeugt das finanzielle Fehlverhalten aller Mitspieler an den Finanzmärkten, der Bank- und Finanzmanager aller Art, der Finanzminister und Unternehmen, der Häuslebauer und Geldanleger, der Aktionäre und Kreditkarten-Konsumenten. Es ist die Politik mit ihrem papierenen Falschgeld und ihren Druckmaschinen namens Zentralbanken, die zu uferlosen Kredit- und Verschuldungsflutungen verführt. Es ist die Politik, die versagt hat und nun (wieder einmal) dramatisch scheitert, nicht der Markt.

Die größte Schuld am finanziellen und demnächst auch realwirtschaftlichen Desaster tragen die Ökonomen, der Riesenpulk an Mainstream-Ökonomen (mit Ausnahme also der relativ kleinen Gilde, die in der Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie steht). Die Mainstreamer unterteilen sich im großen und ganzen in nur zwei Arten: Staatsangestellte und Bankangestellte. Beide sind Diener und Knechte des herrschenden Papiergeldsystems und verdienen prächtig daran. Sie - und nur sie - hätten das Publikum aufklären können und müssen. Schon lange. Sie hätten die Politiker mahnen sollen, sie hätten das Interessenkartell aus Politik und Hochfinanz aufdecken müssen, den Scheingeld-Zauber und Kreditwahn des bestehenden Finanzsystems anprangern und die Bürger permanent über das zerstörerische Potential des ungedeckten Papiergeldes aufklären sollen.

Stattdessen haben sie die Hörsäle und Seminarbibliotheken der Universitäten mit keynesianischen und monetaristischen Lügen und Irrtümern gefüllt und sich als Ingenieure einer als Knopfdruckmaschine dargestellten Volkswirtschaft aufgespielt. Sie haben seit 50 Jahren nur ökonomische Mythen verbreitet, allen voran den Mythos vom Konsum als der angeblich wichtigsten Komponente einer Volkswirtschaft - und somit auch von niedrigen, konsum- und kreditanregenden Zinsen als Wachstumsmotor. Sie, die nicht mehr wissen, dass sich Inflation als Geldmengenausweitung definiert, behaupten seit einiger Zeit sogar, dass es keinen messbaren Zusammenhang mehr gebe zwischen Geldmengenexpansion und Preisinflation - und dass man deshalb die "zweite Säule" der Zentralbankorientierung bei der Geldpolitik, die Beobachtung der Geldmengenentwicklung, aufgeben sollte.

In Wahrheit besteht fast eine Eins-zu-Eins-Korrelation zwischen der M3-Entwicklung und der Güterpreisinflation - mit einer Zeitverzögerung von rund einem Jahr. Man darf nur nicht den Fehler begehen, die Vermögensgüterpreise (Aktien, Immobilien etc.) in der Inflationsstatistik außen vor zu lassen und die vorübergehende Preisdämpfung durch die China-Importe der nationalen Preisstabilität zuzuschreiben. Aber die Nicht-Austrians unter den Ökonomen (also fast alle) halten es lieber mit dem Keynes-Satz, dass wir "auf lange Sicht alle tot sind". Nun, jetzt ist sie eben da, die lange Sicht, aber wir leben immer noch.

Die aktuelle Krise, die sich alsbald in eine depressive Hyperinflation ausweiten wird (Zerfall der Vermögenswerte bei gleichzeitig rasantem Anstieg der Konsumgüterpreise), könnte - so schlimm sie ist und noch werden wird - wenigstens den Sinn haben, dass Politiker und Ökonomen daraus lernen. Doch so wenig diese etatistischen Eliten aus der Großen Depression der Dreißiger Jahre gelernt haben, so wenig werden sie auch diesmal die richtigen Lehren aus dem Desaster ziehen. Die intellektuelle Schlacht gegen die Realität und gegen die unabänderlichen ökonomischen Gesetze geht weiter.

Friedrich A. von Hayek, Nobelpreisträger und wohl der einzige unter den "Österreichern", dessen Stimme man weltweit vernehmen konnte, hatte recht, als er in seinem Alterswerk über die Entnationalisierung des Geldes schrieb, "die Zeit mag kurz sein". Sie war kurz und man hat sie nicht genutzt. Im selben Buch hat Hayek gemahnt, dass es bei der von ihm dringlich angemahnten Entstaatlichung des Geldes (vermittels Übergang zu konkurrierendem Privatgeld) um nicht weniger gehe als um das Überleben der Zivilisation. So ist es, und wir sollten deshalb wieder das Klettern lernen, wenn wir zurück auf die Bäume müssen.


© Dipl. Ökonom Roland Baader

Dieser Artikel erschien zuerst in eigentümlich frei Nr. 87 am 29. Oktober 2008.



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