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Obama, die Sparquote und Keynes

07.11.2008  |  Klaus Singer
Die Wahl des 44. Präsidenten der USA ist gelaufen - der Demokrat Barack Obama hat gewonnen. Zudem hat seine Partei die Mehrheit in beiden Häusern. Wofür steht dieser Ausgang? Obama steht für "Change", er steht dafür, wie flexibel die amerikanische Gesellschaft letztlich doch ist, steht dafür, dass die US-Bevölkerung ihr Land wieder "oben auf" sehen will, er steht für Rückbesinnung auf die inneren Verhältnisse, für weniger außenpolitisches Herumlavieren, für ein Rückbesinnen auf die eigene Stärke.

In der ersten Rede nach seiner Wahl wies der begnadete Redner vor allem darauf hin, dass sehr schwierige Zeiten voraus liegen. So lange er sein Versprechen hält, aufrichtig zu sein, dürfte es ihm sicher lange Zeit gelingen, größere Unmutsäußerungen der Amerikaner über die aktuelle Lage zu neutralisieren und deren Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu lenken. Ob Obama sich letztlich als Demagoge entpuppt, der lediglich alten Wein in neuen Schläuchen serviert? Das muss die Geschichte zeigen.

Erst einmal wird international Raum frei z.B. für Hegemonie-Gelüste anderer. Gleichzeitig sorgt die Ausrichtung aber wohl dafür, dass das Land relativ schnell wieder Tritt fasst. Das heißt nicht, dass Finanzkrise und Rezession praktisch schon beendet sind, aber es wird hier schneller gehen, als z.B. in der amorphen Ansammlung von Staaten, auch Europäische Union genannt. Ökonomisch nennt man das einen Wettbewerbsvorteil.

Mit den Eckpfeilern der Wirtschaftsvorhaben Obamas werde ich mich in einem gesonderten, am Wochenende erscheinenden Artikel beschäftigen.

Die Hoffnung der meisten Wirtschaftskommentatoren richtet sich aktuell darauf, dass die Bush-Administration nun den Plänen der Demokraten um Obama nicht im Wege steht, wenn es um die zügige Implementierung eines großen Konjunkturprogramms geht. In diesem Zusammenhang wird jetzt viel von Keynes geredet. Anlass genug, sich mit den Grundzügen seiner Theorie zu beschäftigen.

Im Unterschied zu vielen seiner Vorgänger und Zeitgenossen betrachtete John Maynard Keynes (1883-1946) in seiner 1936 erstmals erschienenen "Allgemeinen Theorie" zyklische Krisen im Kapitalismus als immanent. Zentraler Punkt hierbei sind die Bewegungen von Angebot und Nachfrage bei Kapitalgütern mit den in diesem Markt herrschenden Erwartungen: Im Verlauf eines Aufschwungs kommt es zu Überinvestitionen. Der Abschwung wird eingeleitet durch die Befürchtung, dass Investitionen nicht mehr lohnen. Wenn die "Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", also die durch zusätzlich investiertes Kapital erzielbare Rendite, unter den "Zinsfuß" fällt, wird Geld aus der produzierenden Wirtschaft abgezogen.

Da im Kapitalismus durch den Zinseszins-Effekt zwangläufig Kapital angehäuft wird, muss die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals tendenziell sinken. Solange der Zinsfuß größer als Null ist und das Kapital in einer Wirtschaft wächst, kommt es daher immer wieder zu sich verschärfenden Krisen mit langfristiger Unterbeschäftigung. Durch Zinssenkungen sollte sich einer solchen Entwicklung eigentlich schnell und effektiv gegensteuern lassen, wenn da nicht die "unlenkbare und unfügsame Psychologie der Geschäftswelt" wäre, wie Keynes schreibt.

Keynes verneint die Knappheit des Kapitals in entwickelten Volkswirtschaften, womit Zinsen aus diesem Grund nicht zu begründen seien, ganz im Unterschied zur Landpacht. Er sieht im Zins eine als Belohnung für die Aufgabe der Liquidität hauptsächlich psychologisch bedingte Größe. Er unterschied folglich nicht zwischen monetären und nicht-monetären Faktoren und sah auch keinen engen Zusammenhang zwischen Sparen und Investitionen. In einem idealen Markt-getriebenen Finanzsystem würde vermehrtes Sparen über sinkende Zinsen zusätzliche Investitionen finanzieren. Sein "Spar-Paradox" besagt demgegenüber, dass zusätzliches Sparen in einem Abschwung durch negativen Effekt auf die volkswirtschaftliche Nachfrage diesen nur verschärft. Das durch vermehrtes Sparen erhöhte Kapitalangebot schafft aus sich heraus keine Investitionsanreize.

Das aus der Produktion abgezogene und das durch Sparen vermehrte Kapital läuft durch Hortung langsamer um und wird vermehrt zur Spekulation eingesetzt, so lange die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals unter dem "Zinsfuß" liegt. Keynes glaubte, „die Rentierseite des Kapitalismus (sei) ... eine vorübergehende Phase.“ So lange aber könne man dem Zustand der Vollbeschäftigung nur durch zusätzliche staatliche Nachfrage nahe kommen.

Die Finanzkrise wurde ausgelöst durch die Implosion des Immobilien-Kartenhauses, also durch einen aus Sicht der Produktion exogenen Schock. Das ließ die Geldnachfrage explodieren und zog durch Kreditverknappung Kapital aus der Produktion ab. Wir haben es also nicht mit sinkenden Gewinnerwartungen zu tun, der klassischen Krisen-Ursache, wie Keynes sie beschrieben hat. Ja, eigentlich müsste sich die aktuelle Lage auf dem Markt für Kapitalgüter nach Keynes sogar eher von selbst verbessern. Wenn da nicht das Spar-Paradox wäre.

Und tatsächlich: Die US-Sparquote ist seit Juni deutlich angestiegen auf zuletzt 2,3 Prozent (siehe Chart unter Makrodaten auf www.timepatternanalysis.de). Die realen Konsumausgaben sind im dritten Quartal (nach erster Schätzung) um 3,1 Prozent zurückgegangen. Die Ausgaben für dauerhafte Verbrauchsgüter fielen sogar um 14 Prozent. Die gefürchtete Kapitulation des amerikanischen Verbrauchers kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, jetzt, da die US-Wirtschaft ins Liquiditätsloch fällt.




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