Rohstoffe im Portfoliomanagement: Die (fast) vergessene Anlageklasse
23.06.2005 | Markus Mezger
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Roll-Erträge haben viele UrsachenWas sind die Gründe, dass Investoren über große Zeiträume Roll-Erträge erzielen können? Die klassische Erklärung stammt von dem berühmten englischen Nationalökonomen John Maynard Keynes. Demnach streben die Rohstoffproduzenten danach, Preisrisiken durch Terminverkäufe abzusichern. Investoren sind dann bereit, in den Markt einzutreten, wenn sie für ihre Risikoübernahme durch einen tieferen Einstandspreis an den Terminmärkten entlohnt werden. Halten sie die Kontrakte bis zur Fälligkeit, haben sie bei unveränderten Kassapreisen die Backwardation für sich eingenommen, was in die Literatur unter "Normal Backwardation" eingegangen ist.
Eine weitere Erklärung für Backwardation ist die Erwartung vieler Marktteilnehmer, dass die Preise am Kassamarkt überhöht sind und deswegen zurückkommen müssten. Sind diese Erwartungen rational, können Investoren an den Rohstoffterminmärkten keine Rendite erzielen, da die Roll-Erträge durch den erwarteten Rückgang der Kassapreise aufgezehrt werden. Lohnen kann sich hingegen ein Engagement, wenn sich ein irrationaler Marktkonsens ausgebildet hat.
Ein typisches Beispiel dafür ist die Preisentwicklung bei Rohöl. Regelmäßig liegt die Einjahresprognose der führenden Ölproduzenten und Analysten deutlich unter dem aktuellen Kassakurs. Seit einigen Jahren haben die Rohölpreise aber auch in der Kasse zugelegt, was die Analystengemeinde jedoch noch nicht davon abgehalten hat, erneut tiefere Preisziele auszugeben. Eine ideale Ausgangsposition für mutige Investoren, die die dynamische Nachfrageentwicklung richtig eingeschätzt haben.
Backwardation kann aber auch von einer unerwarteten Verknappung des Rohstoffangebots auf Grund exogener Ereignisse (Streik, politische Unruhen, Naturkatastrophen etc.) ausgehen. Sind diese Versorgungsengpässe vorübergehender Natur, beruhigen sich die Kassapreise schnell wieder. Profitabel wird es für Investoren dann, wenn eine wachsende Nachfrage über einen längeren Zeitraum nicht durch eine entsprechende Ausweitung des Angebots befriedigt werden kann. Verzögerte Angebotsreaktionen sind insbesondere dann zu beobachten, wenn in die Erschließung und Förderung neuer Bergbauprojekte zu wenig investiert wurde.
Erst nach dem Preisanstieg der letzen zwei Jahre haben sich beispielsweise bei Energierohstoffen und Industrie- und Edelmetallen die Finanzierungsbedingungen für Bergbauunternehmen so weit verbessert, dass vermehrt Explorationsarbeiten durchgeführt werden. Von der Definition bis zum Abbau eines Vorkommens vergehen oft jedoch mehrere Jahre. Ist der Primärmarkt im Defizit, werden die identifizierbaren Lagerbestände zur kritischen Größe. Insbesondere bei den an der London Metal Exchange gehandelten Basismetallen war die fallende Reichweite der in den Warehouses gehaltenen Bestände in Relation zum Verbrauch sehr gut mit einer stärkeren Ausprägung der Backwardation korreliert.
Vorteilhafte Rendite-Risiko-Relation
Zins- und Roll-Erträge haben sich als von der Entwicklung des Kassamarkts weitgehend unabhängige Ertragskomponenten erwiesen. Deswegen steht die Mehrrendite des Rohstoffsektors gegenüber Aktien und Anleihen in einem vernünftigen Verhältnis zum eingegangenen Risiko. Die durchschnittliche Jahresvolatilität ist bei Rohöl mit knapp 30% zwar am größten innerhalb des betrachteten Anlagespektrums. Die Sharp Ratio, die das Verhältnis von Rendite und Risiko wiedergibt, fällt jedoch attraktiver aus als bei US-Aktien, deren Rendite-Risiko-Profil dem GSCI-Gesamtindex und dem GSCI Livestock Subindex verblüffend ähnlich ist. Am Ende der Skala findet sich Silber wieder, das bei einer annähernd so großen Schwankungsbreite wie Rohöl nur einen relativ bescheidenen Gesamtertrag von 4,65% p.a. erbracht hat.
Für Portfoliomanager ist von entscheidender Bedeutung, inwieweit sie durch Beimischung von Rohstoffen das Ertragspotenzial ihres Portfolios anheben können, ohne größere Risiken in Kauf zu nehmen. Die gute Nachricht lautet, dass die bei Rohstoffen anfallenden Erträge weder mit Aktien noch mit Renten signifikant korreliert sind. Eine leicht negative Korrelation zu beiden Anlageklassen können Energierohstoffe vorweisen. Rohöl, Heizöl und Benzin sind zentrale Inputfaktoren für die Industrieproduktion. Preisänderungen schlagen sich direkt in entsprechenden Änderungen der Produzentenpreise nieder.
"Das Nettoinvestitionsvolumen in die Anlageklasse Rohstoffe (ohne physische Goldbestände)
beträgt derzeit schätzungsweise rund 40 Mrd. USD."
beträgt derzeit schätzungsweise rund 40 Mrd. USD."