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Stunde Null

02.02.2009  |  Robert Rethfeld
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Der derzeitige Star am Bärenhimmel, Nouriel Roubini, verkündete die Botschaft, dass der Abschreibungsbedarf für die US-Banken mittlerweile 3,6 Bio. US-Dollar betragen würde. Bei einem derzeitigen Eigenkapital von 1,5 Bio. US-Dollar sei das US-Banken-System insolvent. Das gleiche gelte für das Banken-System in Großbritannien. Dennoch sieht er die Risiken eines "Finanz-Meltdowns" als "reduziert" an. Das Hoch in der US-Arbeitslosen-quote beziffert er bei 9 bis 10 Prozent. Er sieht die USA in einer "Stag-Deflation". Geringe Nachfrage und steigende Arbeitslosigkeit verhindert Lohnsteigerung und damit Inflation. Rohöl sieht er in einer Spanne von 30 bis 40 US-Dollar. Die Deflation sollte im gesamten Jahr 2009 anhalten. Häuser werden erst gekauft, wenn die Häuserpreise ihren Boden gefunden haben. Gleichzeitig findet ein realer Schuldenanstieg statt. Die Antwort der Politik ist eine US-Neuverschuldung von 2 Bio. US-Dollar. Es drohen Staatsbankrotte.

Roubini geht davon aus, dass US-Staatsanleihen unter diesen Umständen wenig gefragt sein werden: Die Zinsen dürften steigen. Das US-Finanzsystem müsse bereinigt werden: Die solventen Spieler müsse man am Leben erhalten, die konkursreifen Banken sollten fallen gelassen werden. Schulden von Haushalten und Banken müssen in jedem Fall reduziert werden, und das notfalls durch "Vertragsbruch". Die Kreditklemme könnte noch drei Jahre andauern. Die Aktienmärkte sollten aufgrund weiterhin desaströser Nachrichten unter Druck bleiben. Der S&P 500 könnte auf 500 bis 600 Punkte fallen. Banken sind nicht "to big to fail", sondern "to big to fix". Man denke nur an die Schweizer Banken, die im Verhältnis zum Schweizer BIP überdimensioniert erscheinen. Die Schulden müssten auf die Seite der Regierungen gebracht werden. Inflation kann keine Lösung sein, so Roubini. Die US-Sparquote müsse in den Bereich von 6 bis 8 Prozent gebracht werden. Obama sei positiv für den Markt. Wichtig sei eine nachhaltige Vertrauensbildung.

Eugen Keller und Mario Mattera, beide Bankhaus Metzler, gehen davon aus, dass in den USA die Deflation die Oberhand behalten wird. In Euroland sollte es eher keine Deflation geben. Die Erholung sollte L-förmig verlaufen. Im zweiten Quartal dürfte es zu einer "Scheinblüte" kommen, im dritten Quartal dürfte sich die US-Wirtschaft wieder nach unten bewegen. Die Rating-Agenturen schauen derzeit intensiv auf die Staaten und deren Verschuldungsausweitungen. Es dürfte zu weiteren Abstufungen kommen. Keller und Mattera gehen von einem Gesundschrumpfungsprozess aus, der fünf bis sechs Jahre andauern dürfte. Eine Reflationierung ist für die USA die wahrscheinlichste Variante. Für eine Schuldnernation wie die USA sei dies der beste Weg. In Europa - hier haben die Sparer das Oberwasser - wäre eine anhaltende Inflation ein schlechter Weg. Deshalb handeln Politiker gerechtfertigt unterschiedlich. Für den Euro sollte dies eine gute Ausgangsposition sein. In den USA sind die Hauspreis-Risiken nur noch gering, in anderen Ländern wie z.B. Spanien sind sie höher. Die Zinsen am langen Ende dürften noch eine zeitlang niedrig bleiben. Der US-Dollar dürfte bewusst abgewertet werden, so die Metzler-Experten.

Auch Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank betonte die Risiken. Er sieht in dem Sterben der freien Märkte auch die Gefahr des Sterbens der Demokratie. Gold sollte weiter steigen. Für die Aktienmärkte war Folker Hellmeyer durchaus optimistisch: Sein Ziel für das zweite Halbjahr beträgt 5.700 bis 6.000 Punkte.

Felix Zulauf, Zulauf Asset Management, sieht den Verbraucher in einer drei bis fünf Jahre andauernden Phase des "Deleveraging". Während die Banken in den USA über eine bessere Eigenkapitalausstattung als die europäischen Banken verfügen, ist in Europa der Konsument besser aufgestellt, so Zulauf. Die Ausstattung der Banken mit Eigenkapital sei oberstes Gebot. Die US-Haushalte haben in der Krise einen durchschnittlichen Netto-Vermögensverlust von 20 Prozent hinnehmen müssen. Dies bewirke eine auf Jahre andauernde Verhaltensänderung der US-Verbraucher. Der chinesische Markt bricht ein. Davon betroffenen sind etwa 350 Mio. Chinesen, die zwischenzeitlich ihren Lebens-standard verbessern konnten. Bei einfachen Arbeitern ist der Lohn zu 25% variabel, sodass deutliche Lohnverluste drohen. Dies dürfte für China politische Folgen haben.

In der Schweiz würde eine vernünftige Eigenkapitalaustattung der UBS die Schulden der Eidgenossenschaft verdreifachen. Zulauf geht aufgrund hoher Überkapazitäten nicht davon aus, dass die Inflationsraten steigen. Die Zinsen für US-Staatsanleihen dürften längere Zeit niedrig bleiben, während die Zinsen für Unternehmensanleihen anziehen sollten. Die Dollar-Nachfrage sollte hoch bleiben. Der Kurs des Euro/Dollar dürfte in Richtung 1,20 fallen. Für den Euro kommt es aufgrund unterschiedlicher Staatsver-schuldungen und wirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb der Eurozone zu einer Zerreißprobe. Der Rohstoff-Zyklus ist vorbei. Für den Ölpreis geht Zulauf von einer Spanne zwischen 30 und 60 US-Dollar aus. Die Preise für Grundnahrungsmittel könnten steigen. Gold sollte bei einem Rückschlag in Richtung 700 Dollar nachgekauft werden. Der Glaube an die Aktien dürfte erschüttert werden. Der S&P 500 dürfte zunächst Richtung 600 fallen, bevor er auf 900 steigen könnte.

Marc Faber sah das Jahr 2007 als Wasserscheide. Spätere Generationen werden unterscheiden, ob man vor oder nach dem Jahr 2007 geboren ist. US-Staatsanleihen seien die nächste große Blase, die Platzen wird. Die geopolitischen Risiken dürften steigen. Das Kreditwachstum dürfte kollabieren. In der 200jährigen Geschichte des Kapitalismus sei dies der erste globale "Boom und Bust".

Fazit: Niemals zuvor wurde in Zürich so negativ gedacht (Das gleiche gilt übrigens für Davos). Es drängt sich der Eindruck auf, dass jetzt auch der letzte Experte weiß, was die Stunde geschlagen hat. Das Boot ist randvoll mit Pessimisten. Staatsbankrott, Enteignung und Interventionismus sind Schlagworte, die bis zum Beginn der Finanzkrise im Sommer 2007 allenfalls unter Verschwörungstheoretikern kursierten. Man darf nicht übersehen, dass die Märkte in den vergangenen 15 Monaten vieles bereinigt haben. Fünfzig Prozent der Weltaktienkapitalisierung (etwa 30 Bio. US-Dollar) sind bereits vernichtet. Dennoch: Mit der Übernahme von Banken-Risiken in die Staatsbilanzen verlagert sich das Risiko auf die Staatengemeinschaft. Da das weltweite Währungssystem jedoch auf "Staatsvertrauen" basiert (Fiat-Money), kann gar nicht deutlich betont werden, wie wichtig es für die Politiker ist, das Vertrauen in die Fähigkeit der Staatengemeinschaft zur Absorption dieser Risiken wieder herzustellen. Der Goldpreis ist aktuell ein zuverlässiger Gradmesser für das Staatsvertrauen. Ihn sollte man im Auge behalten.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



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