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Finanzieller und intellektueller Bankrott

12.02.2009  |  Roland Baader
Siebenhundert Milliarden Dollar schwer ist das Paket, das US-Finanzminister Henry Paulson und der amerikanische Kongress kürzlich zwecks Ankaufs illiquider Bank-Aktiva geschnürt haben. Um sagenhafte siebenhundert Milliarden ist auch die amerikanische Staatsschuld (per 20. Oktober 2008) innerhalb weniger Wochen gestiegen.

Zur Veranschaulichung: siebenhundert Milliarden Dollar ergeben - in Hundert-Dollar-Scheinen aufeinandergelegt - einen Turm von 762 Kilometern Höhe. Der Babylonische Turm war ein Mückenschiss dagegen. Die Europäer haben bislang mit sog. «Liquiditätshilfen» von rund Tausend Milliarden Euro reagiert. Eine «stratosphärische» Dimension. Doch das alles ist nichts gegen das Volumen der in der Finanzwelt zirkulierenden Derivate. Diese haben mit sechshunderttausend Milliarden Dollar den zwölffachen Umfang des Weltsozialprodukts (von fünfzigtausend Milliarden US-Dollar) angenommen.

Auf die globale Maximalverschuldung in einem in der Weltgeschichte niemals gekannten Ausmass reagieren die Staatslenker und Zentralbanken der Erde mit neuen Schulden astronomischen Umfangs. Das Liquiditätsproblem wird damit zwar gemildert, aber das Grundproblem, die Gigaverschuldung, wird verschlimmert. Die faulen Zahlen bleiben in den Büchern, die falschen Investitionen werden fortgeführt. Die Feuer werden also mit Benzin gelöscht. Entsprechend schrecklich und langjährig werden die Folgen sein. Bis hin zu Reihum-Staatsbankrotten und «Währungsreform» genannten Totalenteignungen der Sparer. Ob relativ rasche abgrundtiefe Depression oder jahrzehntelang dahinmarodierender Niedergang, ob scharfe Deflation oder Hyperinflation, ob beides nebeneinander oder nacheinander: Die Welt, wie wir sie kennen, wird es bald nicht mehr geben - und vielleicht die Zivilisation auch nicht mehr.


Ungedecktes Papiergeld

Die Schuldigen sind (mal wieder) rasch gefunden: Die gierigen Anleger, die verantwortungslosen Banker, die masslosen Spekulanten, die unersättlichen Manager, das Herdenverhalten und die mangelnde Staatsaufsicht, kurz: der «Neoliberalismus» und «Turbo-Kapitalismus». Das klingt einleuchtend und ist doch abgrundtief falsch, weil Wirkungen mit Ursachen gleichgesetzt werden. Wer die Welt mit Ozeanen aus Falschgeld überschwemmt, sollte nicht die Fischer verurteilen, die darin ihre Netze auswerfen. In den USA (aber auch anderswo) ist die Geldmenge in den letzten fünfzehn Jahren doppelt so schnell gestiegen wie das Sozialprodukt - und die Staatsschulden dreimal so schnell.

Finanzkrise, Preisinflation, Bankzusammenbrüche, Vermögenswerte- und Währungszerfall sind nicht Folgen eines «Versagens des Kapitalismus», sondern Folgen des Fiebers und Schüttelfrostes des Kapitalismus, mit deren Hilfe er die Staats-Gifte loswerden möchte, die ihn todkrank gemacht haben: Das ungedeckte Papiergeld (das Schein- und Falschgeld namens fiat money) und die mit ihm aufgetürmten Kreditgebirge, die Inflationsmaschinen namens Zentralbanken, und den Scheinreichtum, den das Bruchteilsreserven-Bankensystem in astronomischen Dimensionen in die Welt gezaubert hat. Der Kapitalismus funktioniert hervorragend, indem er letztlich den falschen Kredit vom echten scheidet - und den falschen vernichtet.

Echter (oder guter) Kredit, das sind diejenigen Ausleihungen der Banken, die auf tatsächlichen Ersparnissen beruhen - und das sind inzwischen nur noch winzige Bruchteile des gesamten Kreditvolumens der Welt. Und falscher (oder schlechter) Kredit, das ist das Ausleihen von leerem Geld, das durch nichts gedeckt ist und hinter dem keine Ersparnisse stehen. Es ist ein Medium der Zerstörung, weil es alle Borger zu falschen Handlungen verführt: die Unternehmer zu falschen (langfristig nicht rentablen) Investitionen, die privaten Haushalte zu falschen (nicht ihrem Einkommen entsprechenden) Konsumausgaben, die Staaten zu falschen (nicht über offizielle Steuern finanzierbaren) Haushalten, und die Anleger zu falschen (nicht wirklich werthaltigen) Finanz- und Wertpapier-Anlagen.


«Booms and Busts»

Die Zentralbanken, die geschaffen wurden, um die Banken, die sich im Wettlauf um die Ausleihung falscher Kredite gegenseitig in den Ruin treiben würden, vor dem Bankrott zu bewahren, haben im Verein mit den Regierungen jahrzehntelang eine unverantwortliche Geldpolitik betrieben, den Vorrat an echten Ersparnissen zerstört und Tsunamis falscher, zerstörerischer Kredit-Sturmfluten erzeugt. Besonders in den letzten fünf Jahren ist die Geldmenge in den meisten Ländern mit jährlich zweistelligen Zuwachsraten gestiegen und die Zinssätze wurden so weit niedergeknüppelt, dass die Realzinsen (Nominalzins minus Teuerungsrate) tief in den Negativbereich rutschten. Deutlicher konnten die Signale nicht werden, die da den Menschen verkündeten "Sparen ist dumm, und Schuldenmachen lohnt sich". Es ist der Sozialismus des staatsmonopolistischen Falschgeldes und der zinspolitischen Zentralplanwirtschaft, der - wieder einmal - versagt hat, nicht der Kapitalismus. Mit kapitalistischem Geld, also mit Goldgeld, ohne Zentralbanken und ohne zentralistisch-politische Zinsdiktate, gäbe es keine (oder nur leichte und kurze) Konjunkturzyklen, weder «Booms and Busts» noch Preisinflation noch Weltfinanzkrisen und Währungszerfall.


Betrügerisches Scheingeld

Warum zum Teufel wurde dann der Goldstandard mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs (und in einigen Ländern erneut mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs) abgeschafft? Weil man mit echtem Geld keine Kriege finanzieren kann, sondern nur mit betrügerischem Scheingeld, mit dem man alle Sparer lautlos um ihre Vermögen bringen kann. Die entsprechenden Rechnungen kommen nach jedem Krieg in Form von Hyperinflation und Währungsreform auf den Tisch.

Und warum schafft man dann das betrügerische Scheingeld nicht wenigstens heute ab? Weil alle Leute das «easy money», das aus dem Nichts beliebig erschaffbare Schuldengeld lieben. Die Politiker lieben es, weil man mit ihm still und leise auf Kosten aller Bürger Macht kaufen kann; die Banker lieben es, weil sie mit ihm Ozeane aus Kredit schaffen und verzinslich verkaufen können, die es in Wahrheit gar nicht gibt; die Schuldner wollen es, weil die mit ihm erzeugte Preisinflation ihre Schulden entwertet; die Anleger lieben es, weil es ihre Vermögenswerte aufbläst; und die Geschäftsleute lieben es, weil sie Kunden wollen, die mit Geld um sich werfen. Alle Leute wollen das «leichte Geld». Bis zum jeweils bitteren Ende.

Noch niemals hat eine reine Papierwährung hundert Jahre überlebt (der byzantinische Gold-Solidus hingegen mehr als tausend Jahre). Immer und überall hat diese Ausgeburt der Hölle Kriege, Zusammenbrüche und Revolutionen erzeugt. Auch die Französische und die Russische und die deutsche (Nazi-) Revolution waren «inflationsgeboren». So wird denn auch das größte und irrwitzigste Papiergeld-Experiment der Weltgeschichte, das heute weltweit zirkulierende fiat money, nicht überleben. Und was sein Siechtum nach sich zieht, kann apokalyptisch werden.





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