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Wall Street an Geithner: Her mit der Bad Bank!

13.02.2009  |  Klaus Singer
Nachdem der neue US-Finanzminister Timothy Geithner am Dienstag dieser Woche seine Pläne zur Bankenrettung vorgestellt hatte, brachen die Aktienkurse ein. Taugt der Plan aus Sicht der Wall Street nichts oder was war der Grund?

Ich habe die Eckpunkte seines "Financial Stability Plan" (FSP) in einem gesonderten Artikel mit dem Titel "M_LEC, TARP, CAP, FST, PPP, TALF, FSP" umrissen und nehme im folgenden Bezug darauf.

Paul Krugman, der diesjährige Wirtschaftsnobelpreisträger, zeigte sich in einem ersten Kommentar erleichtert, dass keine faulen Assets zu überhöhten Preisen gekauft würden. Er hatte im Vorfeld immer wieder argumentiert, dass es nicht darum gehen kann, die Anteilseigner insolventer Banken heraus zu hauen. Das aber geschehe, wenn man ihnen ihre faulen Assets zu künstlich gerechneten Preisen abkaufe.

Der Naked Capitalism Blog schreibt, keine Initiative der amerikanischen Politik sei je auf solch direkte Ablehnung gestoßen wie der Geithner-Pan. Geithner sei unvorbereitet gewesen, seine Begründung der Verzögerung in der Bekanntgabe von Details eine faule Ausrede. Der Verfasser, Yves Smith, vertritt ebenfalls die Auffassung, viele Studien, auch vom IWF, hätten gezeigt, dass es in einer Situation wie aktuell falsch ist, strauchelnde Banken zu stützen so wie sie sind.

Martin Wolf schreibt, Obama habe schon versagt, weil er dem Kongress erlaubt habe, an seinem Anreiz-Paket herumzuschnitzen, zudem sehe er offenbar nicht die Vordringlichkeit eines Rettungspakets der Finanzindustrie. Wolf hält den Finanzsektor für de facto insolvent, was nach einem Programm zur Verstaatlichung der Banken ruft. Die Obama-Administration gehe vom Best-Case aus, für den Worst-Case sei sie nicht vorbereitet.

Nouriel Roubini argumentiert, eine Nationalisierung faktisch insolventer Banken sei unausweichlich, aber die Obama-Administration ist politisch noch nicht so weit. Daher taktiert sie, um Zeit zu gewinnen. Damit riskiert sie aber, dass aus der Rezession eine Depression wird. Die Enteignung sei letztlich die markt-konformere Lösung. Es belaste vor allem die Anteilseigner und gebe dem Steuerzahler eine faire Chance. Zudem werde das Problem der Bewertung fauler Assets umgangen. Die Stress-Tests zur Feststellung besonders notleidender Institutionen seien ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Und er vermutet -meiner Meinung nach zutreffend-, dass gerade die Stress-Tests und die damit eröffnete Option auf Enteignung die negative Reaktion an Wall Street gut erklärt. Die Akteure hatten sich im Vorfeld auf die Idee einer "Bad Bank" versteift, die ihnen faule Assets zu Phantasiepreisen aus der Bilanz nimmt und ihnen ansonsten weitgehend freie Hand lässt.

In dieser Erwartung wurden sie enttäuscht, von einer umfassenden Lösung in diesem Sinne ist nicht viel übrig. Das PPP, einer der Eckpunkte des Geithner-Plans, geht zwar in Richtung "Bad Bank", aber sein Spielraum ist relativ gering. RGE schätzt, dass das Schattenbanken-System in den USA vor Verlusten aus faulen Assets und Krediten in Höhe von 1,8 Bill. Dollar steht (weltweit 3,6 Bill. Dollar). Da das PPP zudem unter privater Kapitalbeteiligung laufen soll, ist sicher gestellt, dass die Übernahme von faulen Assets nicht zu Mondpreisen erfolgt - man will ja schließlich beim späteren Weiterverkauf verdienen.

Präsident Obama sieht in der negativen Reaktion der Börsen auf die Pläne von Geithner zur Stabilisierung der Banken eine falsche Erwartungshaltung. Wall Street hoffe auf einen leichten Ausweg, aber den gibt es nicht, sagte er.

Ich bin kein Präsident: Die Akteure an Wall Street haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Phase des Turbokapitalismus vorbei ist. Die Pläne Geithners sind besser als eine klassische Bad Bank, die schnell zu einem Selbstbedienungsladen verkommt. Und es kann gut sein, dass Geithner ganz bewusst auf Zeit spielt, damit sich Wall Street an ein paar unangenehme Details gewöhnen kann. Eine Nationalisierung faktisch insolventer Banken ist im Vergleich zu einer Bad Bank die klar bessere Lösung. Und die Pläne öffnen die Tür in diese Richtung, auch wenn der PPP noch Elemente einer Bad Bank beinhaltet - immerhin aber ergänzt um eine privatwirtschaftliche Komponente, die ein Regulativ für allzuviel Phantasie bei der Wertstellung fauler Assets sein kann.

Natürlich steht die Frage weiter im Raum, ob Staatskapitalismus eine Alternative zum bisherigen Turbo-Kapitalismus ist. Eine "knallharte" Bereinigung durch Marktmechanismen dürfte langfristig der beste Weg sein. Aber den kann und will niemand der an der Macht befindlichen Politiker gehen. Und so ist der Geithner-Plan nicht die schlechteste unter den schlechten Alternativen.

Die Vorhaben von Geithner dürften zu weiteren Staatsausgaben in Höhe von etwa zwei Mrd. Dollar führen. Wenn das erst grob skizzierte Housing Program Gestalt annimmt, könnten es auch bis zu drei Mrd. Dollar werden. Das dürfte sich mit zunächst avisierten 50 Mrd. Dollar als viel zu schmalbrüstig rweisen und adressiert nur 1,5 bis 2 Millionen von insgesamt über 12 Millionen notleidenden Hauseignern. RGE schätzt, dass Mittel zwischen 600 und 1.000 Mrd. Dollar nötig seien.

Die Mittel der Vorhaben Geithners sind nicht zwangsläufig komplett verloren. Wenn sich die Wirtschaft bald wieder fangen sollte, partizipiert der Staat an steigenden Hauspreisen und Steuereinnahmen. Trotzdem: Geht man davon aus, dass sich die Wirtschaft am Ende einer schweren Rezession fängt, also nicht in eine Depression abrutscht, so rückt die Frage nach dem Erholungspotenzial der faulen Assets im PPP in den Mittelpunkt.

Hier gibt es mittlerweile Erfahrungswerte: Bei den Assets, die die Fed aus dem Zusammenbruch von Bear Stearns im Frühjahr 2008 hält, sind bis heute weitere 10 Prozent an Verlusten aufgelaufen - mit zunehmender Tendenz. Dass hier noch mit einem Gewinn zu rechnen ist, halten Beobachter wie Cumberland Advisors für unwahrscheinlich. Zudem dürfte der Zeitpunkt einer Bodenbildung frühestens 2010 erreicht werden, wenn mit 15 bis 20 Prozent die Spitze der Default-Rate von Hochzins-Anleihen erwartet wird (aktuell 4 bis 5 Prozent).





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