Wann platzt die Mutter aller Blasen?
23.05.2009 | Dr. Dietmar Siebholz
Eine Zeitlang haben wir uns auf Wunsch meiner Frau - und weil mir die vielen Angebote anderer Anstalten nicht gefielen, weil einem die leidigen US-Serien oder die deutschen Serien, die sich an den US-Vorbildern (sagte ich "Vorbilder"?) orientieren, einem so richtig auf die Nerven gehen - die Fernsehsendung "Die Traumhochzeit" angesehen. Außer der Dame aus Holland, die diese Sendungen moderierte, blieb mir nur noch das Spiel mit der Pyramide aus Sektgläsern in Erinnerung; dort mussten die Konkurrenten aus einer hohen Glaspyramide Glas um Glas herausnehmen. Bei wem die Pyramide in sich zusammenfiel, der schied aus dem Wettbewerb aus.
Nach dieser Einleitung möchte ich mich zu dem Kernthema der nächsten Jahre, nämlich zur Krise "der internationalen Rentenmärkte" ausführlich äußern, weil ich absolut davon überzeugt bin, dass die nächste Stufe der Finanzprobleme ebenfalls aus dieser Ecke zu erwarten sein wird. Was wir bislang gesehen und erlebt haben, war eine Vorstufe zur Hölle, nämlich der Verfall von zweit- und drittklassigen Immobilien- und Firmenfinanzierungen, sowie der Anfang des Verfalls von Derivaten im Zusammenhang mit diesen Finanzierungen. Dass es dabei auch einige besonders grosse bzw. risikofreundliche Finanzinstitute "erwischt" hat, war unvermeidlich.
Nun diskutieren alle, die sich die "Ruhe an der Front" herbeisehnen, bereits wieder über die erreichte Normalisierung und implizieren den unkritischen Zuhörern, dass das Schlimmste schon vorbei sei. Was diese Schönfärber aber übersehen, ist die Tatsache, dass noch einiges an Risikopotential nicht abgearbeitet wurde, wie z.B. die umfangreichen sonstigen Konsumfinanzierungen in den USA; die Kreditkarten- und Studienkredite, die Mobilienleasingverträge, die Merger & Acquisitions-Kredite und vieles mehr. Wenn man meint, man könne jetzt die Probleme der Subprime-Immobilien-Kredite abhaken, dann bitte ich zu bedenken, dass sich das ursprünglich eingeschätzte Subprime-Risiko-Potential in der Zwischenzeit durch die sich beschleunigende Arbeitslosigkeit, den Immobilienpreisverfall und die weiterhin stark steigenden Zwangsversteigerungen, die den Preisverfall noch anheizen, mindestens verdoppelt haben wird. Nein, wir haben diese sich immer mehr verstärkenden Probleme noch lange nicht im Griff und schon gar nicht ansatzweise in ihrem Gesamtvolumen definiert.
Sicher tragen zu dieser Fehleinschätzung auch die staatlichen Organe mit ihren statistischen Veröffentlichungen bei; aber - gestatten Sie mir ein ehrliches Wort - wer diese tendenziell geschönten Daten glaubt, dem ist nicht zu helfen. Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für uns hier im alten Europa. Natürlich ist es richtig, dass die Politik uns belügen muss, sonst würden wir ja bestimmte der Politik nicht angenehme Konsequenzen aus den korrekten Statistiken ziehen, aber ich frage Sie allen Ernstes, warum erstellt man "im Namen des Volkes" und zu deren Lasten dann Statistiken, wenn sie das Volk nur irreleiten sollen? Insofern ist die Einstellung der US-M3-Geldmengen-Daten, mit denen man die Geschwindigkeit der Geldmengen-Schöpfung in den USA messen konnte, nur konsequent, auch wenn die Einstellung selbst natürlich das Ziel hatte, die Fakten zu verschleiern.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das Schlimmste noch vor uns haben, denn die alten Krisenfelder sind noch nicht stabilisiert und das ständige Nachwachsen neuer Risikovolumen z.B. bei den Kreditausfallversicherungen (CDS) und bei vielen anderen mehr ist noch nicht mengenmäßig erfasst.
Was dabei von den vielen Kommentatoren völlig übersehen wird, ist die Tatsache, dass man sich über die tiefe Strukturkrise bei den Festverzinslichen, also den Rentenwerten noch nicht im Klaren ist. Unter Strukturkrise verstehe ich die veränderten Funktionen der Rentenmärkte und insbesondere die Unterdrückung der Marktkräfte durch die Notenbanken. Beide stellen extreme Strukturprobleme dar. Lassen Sie mich kurz erläutern, wo ich diese Probleme sehe. Grundsätzlich liegt das Problem darin, dass nicht die Märkte, die Zinsen definieren, sondern die politisch gesteuerten Notenbanken. Das ist eines der Probleme, denn die Märkte sind klug, die Politiker nicht und die Märkte haben a la longue immer recht, die Politiker fast nie.
Das nächste Problem ist die strukturelle Änderung in der Betrachtung der Mittelverwendung für Rentenwerte. Festverzinsliche Papiere werden von Hypothekenbanken (Pfandbriefe), Banken (Bankobligationen), öffentlichen Körperschaften (Kommunaldarlehen, Staatsanleihen) und der Industrie (Industrieobligationen oder auch spezielle Wandelanleihen mit Umtauschrecht in Aktien) zur Finanzierung von Vorhaben aller Art ausgegeben. Unter "Vorhaben" (so habe ich es in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts gelernt) verstehe ich als alter Banker Investitionen in Immobilien (Pfandbriefe und Bankobligationen), Infrastrukturmassnahmen (Kommunaldarlehen und Staatsanleihen) und industrielle Investitionen (Industrieobligationen). Das gibt Sinn, denn diese Investitionen sind auf die Verbesserung der Infrastruktur, auf die Erzielung gewerblicher Einkünfte und die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet.
Dem aufmerksamen Beobachter dürfte aber nicht entgangen sein, dass schon seit längerem diese Finanzierungsziele in den Hintergrund geraten sind; vor mehr als zwanzig Jahren hat man im "Spiegel" einen Fachbericht darüber lesen können, wie die Zuflüsse aus Anleihen (ich glaube, der damalige Artikel bezog sich auf die Mittelherkunft und die Mittelverwendung von Anleihen der Hansestadt Hamburg) verwendet wurden. Der damalige Verfasser dieses Berichts kam zu dem Ergebnis, dass mit den Einnahmen aus den Anleihen überwiegend kurzlebige Güter wie Büromaterial, Polizeieinsatzfahrzeuge, Klinikmobilien etc. beschafft wurden, deren Nutzungsdauern - so erinnere ich mich - damals durchschnittlich um die fünf Jahre lagen.
Bedenken Sie bitte eines: Die mit den Anleihen angeschafften Gegenstände waren und sind betriebswirtschaftlich nicht als Investitionen anzusehen, denn denen fehlte es ja an der erforderlichen Langlebigkeit. Bei einer Anleihelaufzeit von durchschnittlich zwölf Jahren war eines sicher: Die mit den Anleiheerlösen gekauften Güter waren schon längst den Weg des Fleisches gegangen, aber die Schulden blieben noch erhalten. Früher tilgte man solche Anleihen z.B. mit einem Zwölftel pro Jahr und war am Ende der Laufzeit nur noch eine Jahrestilgung schuldig, Heute gibt es die Tilgungsanleihen gar nicht mehr; man nennt so etwas "endfällig". Frage: Ist die Affinität zum Wort "einfältig" zufällig? Ich vermute: Nein, denn es ist extrem einfältig, seine Schulden erst am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen und es zeigt, dass der Schuldner (der es ja in der Regel gar nicht kann) die Tilgung einmalig und mit neuen Schulden vollziehen will. Bei dem damaligen Beispiel der Hansestadt Hamburg blieben die Schulden also noch mehr als 7 Jahre länger erhalten als die Lebensdauer der angeschafften Güter. Das sei ein Skandal, sagen Sie? Warten Sie mit Ihrer Bewertung erst einmal ab, wie es heute um die Kongruenz der Laufzeiten bestellt ist. Ein Extrembeispiel gefällig?
Nach dieser Einleitung möchte ich mich zu dem Kernthema der nächsten Jahre, nämlich zur Krise "der internationalen Rentenmärkte" ausführlich äußern, weil ich absolut davon überzeugt bin, dass die nächste Stufe der Finanzprobleme ebenfalls aus dieser Ecke zu erwarten sein wird. Was wir bislang gesehen und erlebt haben, war eine Vorstufe zur Hölle, nämlich der Verfall von zweit- und drittklassigen Immobilien- und Firmenfinanzierungen, sowie der Anfang des Verfalls von Derivaten im Zusammenhang mit diesen Finanzierungen. Dass es dabei auch einige besonders grosse bzw. risikofreundliche Finanzinstitute "erwischt" hat, war unvermeidlich.
Nun diskutieren alle, die sich die "Ruhe an der Front" herbeisehnen, bereits wieder über die erreichte Normalisierung und implizieren den unkritischen Zuhörern, dass das Schlimmste schon vorbei sei. Was diese Schönfärber aber übersehen, ist die Tatsache, dass noch einiges an Risikopotential nicht abgearbeitet wurde, wie z.B. die umfangreichen sonstigen Konsumfinanzierungen in den USA; die Kreditkarten- und Studienkredite, die Mobilienleasingverträge, die Merger & Acquisitions-Kredite und vieles mehr. Wenn man meint, man könne jetzt die Probleme der Subprime-Immobilien-Kredite abhaken, dann bitte ich zu bedenken, dass sich das ursprünglich eingeschätzte Subprime-Risiko-Potential in der Zwischenzeit durch die sich beschleunigende Arbeitslosigkeit, den Immobilienpreisverfall und die weiterhin stark steigenden Zwangsversteigerungen, die den Preisverfall noch anheizen, mindestens verdoppelt haben wird. Nein, wir haben diese sich immer mehr verstärkenden Probleme noch lange nicht im Griff und schon gar nicht ansatzweise in ihrem Gesamtvolumen definiert.
Sicher tragen zu dieser Fehleinschätzung auch die staatlichen Organe mit ihren statistischen Veröffentlichungen bei; aber - gestatten Sie mir ein ehrliches Wort - wer diese tendenziell geschönten Daten glaubt, dem ist nicht zu helfen. Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für uns hier im alten Europa. Natürlich ist es richtig, dass die Politik uns belügen muss, sonst würden wir ja bestimmte der Politik nicht angenehme Konsequenzen aus den korrekten Statistiken ziehen, aber ich frage Sie allen Ernstes, warum erstellt man "im Namen des Volkes" und zu deren Lasten dann Statistiken, wenn sie das Volk nur irreleiten sollen? Insofern ist die Einstellung der US-M3-Geldmengen-Daten, mit denen man die Geschwindigkeit der Geldmengen-Schöpfung in den USA messen konnte, nur konsequent, auch wenn die Einstellung selbst natürlich das Ziel hatte, die Fakten zu verschleiern.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das Schlimmste noch vor uns haben, denn die alten Krisenfelder sind noch nicht stabilisiert und das ständige Nachwachsen neuer Risikovolumen z.B. bei den Kreditausfallversicherungen (CDS) und bei vielen anderen mehr ist noch nicht mengenmäßig erfasst.
Was dabei von den vielen Kommentatoren völlig übersehen wird, ist die Tatsache, dass man sich über die tiefe Strukturkrise bei den Festverzinslichen, also den Rentenwerten noch nicht im Klaren ist. Unter Strukturkrise verstehe ich die veränderten Funktionen der Rentenmärkte und insbesondere die Unterdrückung der Marktkräfte durch die Notenbanken. Beide stellen extreme Strukturprobleme dar. Lassen Sie mich kurz erläutern, wo ich diese Probleme sehe. Grundsätzlich liegt das Problem darin, dass nicht die Märkte, die Zinsen definieren, sondern die politisch gesteuerten Notenbanken. Das ist eines der Probleme, denn die Märkte sind klug, die Politiker nicht und die Märkte haben a la longue immer recht, die Politiker fast nie.
Das nächste Problem ist die strukturelle Änderung in der Betrachtung der Mittelverwendung für Rentenwerte. Festverzinsliche Papiere werden von Hypothekenbanken (Pfandbriefe), Banken (Bankobligationen), öffentlichen Körperschaften (Kommunaldarlehen, Staatsanleihen) und der Industrie (Industrieobligationen oder auch spezielle Wandelanleihen mit Umtauschrecht in Aktien) zur Finanzierung von Vorhaben aller Art ausgegeben. Unter "Vorhaben" (so habe ich es in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts gelernt) verstehe ich als alter Banker Investitionen in Immobilien (Pfandbriefe und Bankobligationen), Infrastrukturmassnahmen (Kommunaldarlehen und Staatsanleihen) und industrielle Investitionen (Industrieobligationen). Das gibt Sinn, denn diese Investitionen sind auf die Verbesserung der Infrastruktur, auf die Erzielung gewerblicher Einkünfte und die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet.
Dem aufmerksamen Beobachter dürfte aber nicht entgangen sein, dass schon seit längerem diese Finanzierungsziele in den Hintergrund geraten sind; vor mehr als zwanzig Jahren hat man im "Spiegel" einen Fachbericht darüber lesen können, wie die Zuflüsse aus Anleihen (ich glaube, der damalige Artikel bezog sich auf die Mittelherkunft und die Mittelverwendung von Anleihen der Hansestadt Hamburg) verwendet wurden. Der damalige Verfasser dieses Berichts kam zu dem Ergebnis, dass mit den Einnahmen aus den Anleihen überwiegend kurzlebige Güter wie Büromaterial, Polizeieinsatzfahrzeuge, Klinikmobilien etc. beschafft wurden, deren Nutzungsdauern - so erinnere ich mich - damals durchschnittlich um die fünf Jahre lagen.
Bedenken Sie bitte eines: Die mit den Anleihen angeschafften Gegenstände waren und sind betriebswirtschaftlich nicht als Investitionen anzusehen, denn denen fehlte es ja an der erforderlichen Langlebigkeit. Bei einer Anleihelaufzeit von durchschnittlich zwölf Jahren war eines sicher: Die mit den Anleiheerlösen gekauften Güter waren schon längst den Weg des Fleisches gegangen, aber die Schulden blieben noch erhalten. Früher tilgte man solche Anleihen z.B. mit einem Zwölftel pro Jahr und war am Ende der Laufzeit nur noch eine Jahrestilgung schuldig, Heute gibt es die Tilgungsanleihen gar nicht mehr; man nennt so etwas "endfällig". Frage: Ist die Affinität zum Wort "einfältig" zufällig? Ich vermute: Nein, denn es ist extrem einfältig, seine Schulden erst am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen und es zeigt, dass der Schuldner (der es ja in der Regel gar nicht kann) die Tilgung einmalig und mit neuen Schulden vollziehen will. Bei dem damaligen Beispiel der Hansestadt Hamburg blieben die Schulden also noch mehr als 7 Jahre länger erhalten als die Lebensdauer der angeschafften Güter. Das sei ein Skandal, sagen Sie? Warten Sie mit Ihrer Bewertung erst einmal ab, wie es heute um die Kongruenz der Laufzeiten bestellt ist. Ein Extrembeispiel gefällig?