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Global Doom - das Worst-Case-Szenario

18.01.2004  |  Marco Feiten
- Wie eine Deflation in den USA das globale Finanzsystem erschüttern könnte-

"Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein."
- Perikles -


In der "Börseninfo" thematisiere ich immer und immer wieder Inflation und Deflation, denn es geht mir darum zu verstehen, warum sich die Märkte so entwickeln wie sie es tun und wieso es zu Krisen kommt.

Eine wesentliche Ursache dafür scheint im "System" selbst zu liegen, denn es verhindert nicht, dass menschliche Charakterzüge im Kollektiv einwirken können. Mit "System" meine ich unser Geld- bzw. Kreditsystem, nicht unbedingt die Börsen oder die Wirtschaft. Ich glaube, dass ein Problem des Systems darin liegt, dass es uns erlaubt in der Zukunft zu leben. Man mag über diese paradox erscheinende Aussage staunen, doch wenn Sie sich ein Haus oder ein Auto per Kredit finanzieren, tun Sie nichts anderes als Konsum vorziehen, den Sie sich eigentlich erst viel später leisten könnten.

Dieser vorgezogene Konsum kostet Sie etwas - in der Regel müssen Sie Zinsen zahlen - weil derjenige, vom dem Sie das Geld erhalten haben auf Konsum verzichtet und dafür einen Ausgleich verlangt. Sie müssen folglich nicht nur den Wert Ihres vorweggenommenen Konsums erarbeiten, sondern zudem noch die Zinsen.

Aufgrund der Eigenart unseres Geld- und Kreditsystems kann nun aber aus einem bestimmten Betrag ein Mehrfaches an Kredit hervorgehen, d.h. das Geld das Sie für den Konsum ausgeben, führt an anderer Stelle zu Guthaben, woraus weitere Kredite hervorgehen können. Einfach ausgedrückt: Das "gleiche Geld" kauft mehrfach ein. Dies führt folglich dazu, dass die Geldmenge steigt, obwohl es eigentlich gar nicht mehr Geld (sondern Kredit) gibt.

Dies noch einmal anschaulicher: Angenommen Sie nehmen einen Kredit über 10.000 Euro auf und kaufen damit ein Auto, dann wird der Verkäufer die 10.000 Euro auf sein Konto erhalten. Nun kann aber die Bank, bei der der Autoverkäufer sein Konto führt durch diese Einlage einen weiteren Kredit vergeben und jemand anderes kann sich auch ein Auto kaufen, das heißt Ihr ursprünglicher Kredit wird zur Einlage und damit Basis für einen weiteren Kredit, die ursprünglichen 10.000 Euro werden "wieder verwendet" und kaufen nochmals ein. Dies wird als "Geldschöpfung" bezeichnet, es ist also völlig falsch zu glauben, es gäbe für jeden Kredit einen realen Gegenwert, denn im Prinzip dient hier ein Kredit als Sicherheit für einen weiteren Kredit.

"Fiat Money", das Geld "aus dem Nichts" bildet die Grundlage unseres heutigen Finanzsystems. Nun müsste daraus aber noch immer nicht zwingend eine Krise hervorgehen, es lassen sich jedoch bereits Zyklen erklären, denn einfach ausgedrückt leben ab einem bestimmten Niveau zu viele Menschen in der Zukunft und müssen jene erst einmal erarbeiten - die Rezession ist da.

Nicht nur Sie leben auf Kredit, sondern auch der Staat und da jener das System hervorbringt, kontrolliert sich das System nicht selbst - die USA heben z.B. permanent ihre Schuldengrenze an. Zwar sind Staat und Notenbank getrennte Organisationen, doch faktisch kann der Staat ständig Kredit bei der Zentralbank aufnehmen.

Warum aber kippt das System um in eine Krise? Nun, wir haben oben den Zins erwähnt. Der Zins hat eine Eigenschaft, die in der Natur dauerhaft nicht vorkommt - er wächst exponentiell (Zinseszins). Das Problem ist dabei folgendes: Sie zahlen nicht nur Ihre Kredite, sondern über Steuern etc. auch die des Staates. Ihre Arbeitsleistung, die Werte die Sie schaffen müssen höher sein als die Geldwerte, die der Zins schafft. Dies ist jedoch ab einem bestimmten Niveau an Schulden nicht mehr möglich. Sie können nicht mit dem Zins konkurrieren, wenn dieser auf eine zu große Basis zurückgreifen kann.

Der Investmentexperte Marc Faber stellt in seinem Buch "Zukunftsmarkt Asien" die folgende Rechnung dar: Angenommen ein kluger Vorfahre hätte im Jahre 1000 einen US-Dollar zu jährlich 5% Zins angelegt, dann wäre dieser eine US-Dollar inzwischen auf die unglaubliche Summe von 1.546 Millionen Milliarden (eine Quintillion) US-Dollar angewachsen! Hier sehen Sie auch die andere Seite der Bilanz: mit den Schulden wachsen natürlich auch die Vermögen. Jene die dieses Vermögen halten sind daran interessiert, es zu vermehren. Das Vermögen fließt daher in Investitionen: entweder in die Realwirtschaft oder an die Finanzmärkte, je nachdem wo die höhere Rendite erwartet wird.

Hier kommen wir zu einem Problem: Wie oben dargestellt erlaubt uns der Kredit eine Zeitreise, das heißt wir konsumieren bereits Dinge die wir uns eigentlich noch nicht leisten können. Dadurch werden Märkte sehr schnell gesättigt, weshalb es sich kaum noch lohnt, weitere Investitionen in der Realwirtschaft in diesem Bereich vorzunehmen. Ist dies für einen Großteil der Produkte der Fall, fließt das Vermögen folglich verstärkt an die Finanzmärkte und verursacht dort Preissteigerungen.

Genau dies ist in den vergangenen 20 Jahren geschehen und hat zur Aktienblase der 90er geführt, weil immer mehr Geld wegen der vermeintlich hohen Rendite an die Finanzmärkte floss. Der Clou daran ist, dass wachsendes Geldvermögen durch solche Blasen auch zu höherem Konsum führt, weil Preissteigerungen an den Finanzmärkten Reichtum für alle suggerieren.

Wer sich reicher fühlt und dies durch seinen Depotauszug "belegen" kann, wird mehr konsumieren. Dies führt dazu, dass Kapazitäten aufgebaut werden, die eigentlich nicht mehr sinnvoll sind. Durch das "zu viel" an Geld entsteht überall ein "zu viel" an Nachfrage. Eine Überproduktionskrise ist somit Folge einer Aufblähung der Vermögen und Schulden, der Inflation.

Wenn Sie in der Presse hören, die Notenbanken weiten die Geldmengen aus, so ist dies etwas irreführend. Die Notenbanken legen die Rahmenbedingungen fest - wenn sie die Zinsen senken werden Kredite billiger (sofern die Geschäftsbanken dies weitergeben) und folglich heizen Sie das Kredit- und Geldmengenwachstum an.

Doch zurück zur Krise: Diese tritt auf, wenn die Banken Liquidität wegen zu hoher Risiken nicht weitergeben wollen oder aber die Konsumenten keine weiteren Kredite mehr aufnehmen können, weil ihnen ihr Verstand sagt, dass es jetzt wichtiger ist bereits bestehende Schulden zu tilgen. Das Zurückgehen der Kredite, der Geldmenge bezeichnet man als Deflation. Dieses Phänomen wird logischerweise nur auftreten, wenn die Märkte gesättigt sind oder die Schuldenlast ein drückend hohes Niveau erreicht hat. Genau dies scheint in den USA nun erreicht zu sein. Die US-Geldmenge MZM ist im Dreimonatsvergleich annualisiert um rund 6% gefallen.


Die USA stehen vor einer Deflation

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Ich glaube, dass wir auf eine Deflation zusteuern, und zwar primär in der "westlichen Welt". Ich sehe, wie Sie entrüstet den Kopf schütteln. "Hat dieser Feiten nicht ständig ein Stagflationsszenario gezeichnet?" Schon in der zurückliegenden Ausgabe der "Börseninfo" habe ich aufgezeigt, dass die amtliche Statistik wichtige Parameter wie z.B. die Preise von Aktien unberücksichtigt lässt.

Wir wurden in den 90ern Zeuge einer Hyperinflation - am Aktienmarkt. Sie konnten sich immer schneller für den gleichen Geldbetrag weniger Aktien leisten. Diese Hyperinflation hat sich offenbar "versteckt", denn der US-Dollar blieb gegen andere Währungen und Rohstoffe stark und durch die Globalisierung fielen die Preise.

Ich könnte mir vorstellen, dass sich die bevorstehende Deflation auch verstecken wird - zumindest in den USA. Preise werden bekanntlich in Währungen ausgedrückt - verliert eine Währung jedoch an Kaufkraft, so zeigt sich dies in steigenden Preisen. Wird das Fundament einer Währung untergraben, so verliert sie an Wert. Genau darauf arbeiten die USA und Japan hin, denn während es den Haushalten und Unternehmen irgendwann nicht mehr möglich ist sich weiter zu verschulden, kann der Staat theoretisch unbegrenzt weitere Schulden auftürmen und damit das Vertrauen in die Währung zerstören.

Ich glaube daher, dass sich eine Deflation in den USA hinter einem kollabierenden US-Dollar verstecken wird und Stagflation daher die treffendere Bezeichnung ist. Daher sprach ich bereits in der zurückliegenden Ausgabe der "Börseninfo" von der "letzten inflationären Schlacht" - ohne den Verfall des US-Dollar und der starken asiatischen Wirtschaft, insbesondere der riesigen Rohstoff-Nachfrage Chinas wäre die Weltwirtschaft vermutlich in eine Deflationäre Depression verfallen.


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