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Global Doom - das Worst-Case-Szenario

18.01.2004  |  Marco Feiten
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Inzwischen sind die Medien voll an Anklagen gegen die US-Notenbank und Alan Greenspan, doch wann immer die meisten Akteure einer Meinung sind, werde ich skeptisch. Ich glaube, dass Alan Greenspan bzw. die US-Notenbank kaum eine andere Wahl hatte, als so zu handeln wie sie es getan haben. Viele Anleger, vor allem die "Supergoldbullen" sind der Meinung, Greenspan habe seine eigene Überzeugung verraten, denn noch 1966 hatte er in seinem Aufsatz "Gold und wirtschaftliche Freiheit" geschrieben:

"Staatsverschuldung ist einfach ein Mechanismus für die Enteignung von Vermögen.
Gold verhindert diesen heimtückischen Prozess. Es beschützt Eigentumsrechte."


Die US-Notenbank hat in den vergangenen Jahren bei jeder Krise (1997 Asienkrise, 1998 LTCM-Pleite und Russlandkrise, befürchtete Jahr 2000-Krise, Zusammenbruch der Technologieaktienblase, Anschläge in den USA) die Zinsen gesenkt und dadurch Liquidität geschaffen, womit sie womöglich eine globale Krise vermieden hat. Wie hätten Sie an ihrer Stelle gehandelt?

Warum ist Liquidität so wichtig? Die Deflation der 1930er Jahre war deshalb so katastrophal, weil es überall an Geld mangelte und sich dies als Trend manifestierte. Wenn Liquidität fehlt und man zudem Schulden zu bedienen hat, entsteht ein Zwang, der sich in fallenden Preisen auswirkt. Wichtig zu sehen ist, dass die Preise als Folge der Deflation fallen, also zuerst das Geld- und Kreditvolumen beginnt zurückzugehen und Liquidität knapper wird.

Die voran gegangene Inflation hat zudem wie bereits erwähnt Überkapazitäten ermöglicht, sodass nun in vielen Bereichen ein zu großes Angebot vorhanden ist, was die Preise zusätzlich drückt. Unternehmensgewinne sinken oder wandeln sich in Verluste, Pleiten nehmen zu, Löhne sinken, Kredite fallen aus. Kreditsicherheiten werden zum bestmöglichen Preis veräußert - da aber in dieser Lage kaum jemand Geld hat bzw. Kredit bekommt, sinken die Preise der "Sicherheiten" aufgrund der geringen Nachfrage.

Die wirkliche Katastrophe der 1930er Deflationären Depression war zum einen, dass es eine globale Entwicklung war, viel entscheidender war jedoch die Geschwindigkeit in der sie sich entwickelte. Der Aktiencrash von 1929 kann durchaus als Auslöser gesehen werden, da er Vermögen vernichtete, die Schulden aber blieben - zunächst.

Steigende Aktienkurse erzeugen "Reichtum", das wissen wir spätestens seit dem in den 90ern der "Wealth Effect" beschrieben wurde, wonach steigende Aktienkurse den Konsum fördern. Ich habe den Eindruck, dass die US-Notenbank genau darauf hinarbeitet und durch niedrige Zinsen die Immobilien- und Aktienblase stützt. Die Menschen sollen sich reich fühlen um weiterhin zu konsumieren.

Wo ist dabei das Problem? Angenommen, Aktie A wird von 10 Anlegern gehalten und kostet 1 Euro, alle haben also zusammen ein Vermögen von 10 Euro. Anleger Neu kauft Aktie A und findet nun nur einen Verkäufer Alt, der aber nur zu 1,20 Euro verkauft. Aktie A steigt auf 1,20 Euro.

"Fantastisch!" werden Sie denken, denn nun haben 10 Personen ein Vermögen von 12 Euro - das Vermögen ist um 20% gewachsen (außer für den letzten Käufer). Alle diese Menschen werden entzückt ihr Depotvolumen ansehen und womöglich werden 2 oder 3 denken: "Da ich jetzt 20% reicher bin, kann ich mir ruhig etwas gönnen. Mein Depot dient mir als Sicherheit für einen Kredit."

Ähnlich sieht es bei der Entwicklung von Immobilien aus: steigende Preise erzeugen den Eindruck, man sei reicher geworden. Oftmals wird dieser Reichtum als Sicherheit verstanden, selbst bei den Banken.

Wo ist der Denkfehler? Nun, der Reichtum wurde durch eine einzige Transaktion geschaffen und ist real nur beim Verkäufer entstanden. Bei den anderen jedoch kann der Buchreichtum entsprechend durch eine einzige Transaktion wieder vernichtet werden, nämlich dann, wenn sich eine der 10 Personen von Aktie A trennen möchte, aber nur zu 1 Euro einen Käufer findet. Jene die sich nun bereits aufgrund des plötzlichen "Reichtums" auf Kreditbasis etwas gegönnt haben werden nun im Nachhinein ihren Konsum bereuen, denn auf Basis ihres neuen Depotvolumens haben sie über ihre Verhältnisse gelebt.


"Reichtum" durch Inflation: Kreditfinanzierte Immobilienkäufe führen zu steigenden Preisen

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Dies ist nur ein sehr einfaches Modell, aber es zeigt die Gefahr auf die sich in den USA entwickelt. Die US-Notenbank versucht durch den niedrigen Zins zu bewirken, dass sich die Menschen reicher fühlen, denn Vermögen wird in Immobilien oder Aktien angelegt und führt zu steigenden Preisen.

Die Menschen refinanzieren ihr Haus und erhalten neue Liquidität, die sie in den neuen Golf V o.ä. investieren. Sollte es in den USA zu einer Deflation kommen und die Preise an den Immobilien- und Aktienmärkten fallen, könnte dies eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes erzeugen. Die aufgetürmten Kredite würden bleiben, während die "Sicherheiten" stetig an Wert verlieren würden.

Das obige Beispiel hat noch etwas Wichtiges aufgezeigt: entscheidend ist nicht das, was in den "Büchern" bzw. auf dem Depotauszug steht (Buchwert), sondern der real entstandene Preis. Sie können 10 Jahre lang eine Aktie halten und diese steigt 9 Jahre kontinuierlich an - doch ein Crash im zehnten Jahr kann den ganzen "Reichtum" zerstören, wenn sie die Aktie noch nicht vorher verkauft haben.

Ich wiederhole von oben: Wenn Liquidität fehlt und man zudem Schulden zu bedienen hat, entsteht ein Zwang der sich in fallenden Preisen auswirkt. Kreditsicherheiten werden zum bestmöglichen Preis veräußert - da aber in dieser Lage kaum jemand Geld hat bzw. Kredit bekommt, sinken die Preise.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas Interessantes hinweisen: wer sich zuletzt ein neues Auto gekauft hat wird womöglich festgestellt haben, dass die Preise für Neuwagen niedriger liegen als die Preise für noch sehr neue, aber bereits gebrauchte Fahrzeuge. Dies erscheint zunächst völlig unlogisch, denn warum sollte man für etwas Gebrauchtes mehr zahlen sollen als für etwas Neues? Wie kommt es zu diesem eigenartigen Phänomen?

Aktuell stehen die Autohändler schlichtweg unter größerem Druck ihre Fahrzeuge abzusetzen als die privaten Verkäufer. Ähnlich sieht es in den USA aus: während die deutschen Modelle zu "normalen" Preisen abgesetzt werden können, muss die amerikanische Konkurrenz wegen ihres schlechten Rufes Nullzinsfinanzierungen etc. anbieten - sie stehen unter einem größeren Zwang!

Liquidität und Zwang sind eng miteinander verknüpft. Daher war und ist es für die US-Notenbank so wichtig, Liquidität zu ermöglichen. Dies ist auch der Grund, warum die japanische Deflation vergleichsweise harmlos verlaufen ist - es ist kaum Zwang entstanden, weil die Japaner immer eine Gläubigernation waren. In den USA sieht dies genau anders herum aus - der Staat, die Haushalte und auch viele Unternehmen sind extrem verschuldet.

Es ist allgemein bekannt, dass die US-Wirtschaft massiv vom Konsum der Verbraucher abhängig ist, dies gilt allerdings auch für die globale Wirtschaft. Es ginge den deutschen, französischen, japanischen oder chinesischen Unternehmen wesentlich schlechter, wenn der US-Konsument nicht jeden US-Dollar umgehend ausgeben würde. Daher haben die Regierungen und Notenbanken jener Länder ein großes Interesse daran, dass die US-Konsumwirtschaft am Leben bleibt.

Gleichzeitig wollen insbesondere die asiatischen Länder Produktionsvorteile gewinnen und somit Arbeitsplätze erhalten in dem sie ihre Währungen künstlich niedrig halten. Asiatische Notenbanken intervenieren massiv gegen eine Abwertung des US-Dollar gegenüber ihren Währungen. Allein die japanische Notenbank hat in 2003 rund 188 Milliarden US-Dollar für Deviseninterventionen aufgewendet, für 2004 hat sie sich gar die gewaltige Deviseninterventionssumme von 570 Milliarden US-Dollar genehmigen lassen.


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