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Rohstoffmärkte außer Rand und Band

10.06.2009  |  Eugen Weinberg
Für das Geschehen diese Woche haben wir offensichtlich ein gut passendes Zitat gewählt: "Das Geheimnis des erfolgreichen Börsengeschäftes liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, dass der Durchschnittsbürger tut." Offensichtlich glaubt der Markt, dass die Anleger mit einer zunehmenden Zuversicht bzgl. Konjunktuerholung vermehrt in die Rohstoffanlagen investieren und nimmt diese Entwicklungen bereits vorweg. Dabei erinnern das Tempo und das Umfeld dieses Anstiegs, vor allem die Begründung und die Treibfedern, wie z.B. positive Äußerungen seitens der Analysten und der Rohstoffproduzenten, sehr an den Sommer letzten Jahres.

Aus unserer Sicht ist der Rohstoffmarkt überhitzt und die meisten positiven Entwicklungen bereits ausreichend eskomptiert. Dennoch würden wir uns kurzfristig dem Aufwärtstrend aufgrund der immensen Dynamik nicht in den Weg stellen.


Energie

Der WTI-Ölpreis ist über 71 USD je Barrel gestiegen und hat damit den höchsten Kurs seit Oktober 2008 markiert. Neben dem positiven Rohstofftrend hat Rohöl Rückenwind durch positive Meldungen erhalten. Das API berichtete gestern einen starken Rückgang der US-Rohöllagerbestände in der Vorwoche um 6 Mio. Barrel. Bei der heutigen Veröffentlichung seitens des US-Energieministeriums geht der Konsens von einem Anstieg der Lagerbestände für Rohöl um 100 Tsd. Barrel aus.

Diese Schätzung ist jedoch nur mit großer Vorsicht zu genießen, weil die Schätzungen zwischen Minus 3 Mio. Barrel und Plus 2,2 Mio. Barrel liegen. Dennoch kann man davon ausgehen, dass der Ölpreis weiteren Auftrieb bekommt, falls die Lagerbestände fallen sollten. Die Stimmung hat derzeit offensichtlich einen weitaus größeren Einfluss auf den Preis als die Fundamentalfaktoren. Diese haben sich nach Einschätzung der EIA/DOE zuletzt zumindest nicht mehr weiter verschlechtert. In ihrem Monatsbericht hat die Agentur die Schätzung für die Entwicklung der Ölnachfrage nicht mehr nach unten angepasst und bei Minus 1,8 Mio. Barrel täglich belassen.

Man rechnet damit, dass auch seitens der IEA und der OPEC erstmals seit dem letzten Herbst heute und morgen keine Hiobsbotschaften mehr kommen werden. Obwohl die EIA gleichzeitig bekannt gab, dass die Reichweite der Industrielagerbestände derzeit mit 60 Tagen ungewöhnlich hoch ist, ist der Markt ähnlich wie vor einem Jahr auf einem Ohr taub ist und nimmt nur positive Nachrichten wahr.


Edelmetalle

Gold kann trotz der erneuten Schwäche des US Dollar nur verhalten zulegen: als der EURUSD zuletzt Anfang Juni die Marke von 1,40 durchstieß, legte Gold bis auf 990 Dollar je Feinunze zu. Dies dürfte vor allem der weiter fallenden Risikoaversion zuzurechnen sein: Gemessen am Volatiltätsindex des S&P Index, VIX, ist die Risikoscheu nun so niedrig wie zuletzt vor der Lehman-Pleite (siehe Grafik des Tages). Auch von der fundamentalen Seite fehlt die Unterstützung: so meldet der größte Goldproduzent der Welt, China, heute eine weiter steigende Goldproduktion. Im Zeitraum Januar bis April lag die Produktion gut 11% bzw. 9,2 Tonnen über dem Vorjahr. Wir weisen schon seit einiger Zeit darauf hin, dass der hohe Goldpreis eine Trendwende bei der zuvor jahrelang rückläufigen Produktion begünstigen wird.

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Industriemetalle

Angestossen durch den erneuten Schwächeanfall des US Dollar, aber auch dank positiver Konjunkturdaten aus China geht die Rallye bei den Industriemetallen weiter: Der Metallindex LMEX legte gestern weitere 3,8% zu und notiert damit so hoch wie zuletzt Mitte Oktober. Viele Metalle haben zusätzlichen Auftrieb durch den Ausbruch über die wichtigen Preiswiderstände erhalten: Der Kupferpreis stieg über 5200 USD, die Preise für Nickel und Zinn haben locker im ersten Anlauf die psychologisch wichtige Hürde bei 15.000 USD je Tonne genommen.

Heute trägt die Meldung über die Autoneuzulassungen in China zur positiven Stimmung erheblich bei: Laut dem Chinesischen Autoverband stieg im Mai die Anzahl der PKW-Neuzulassungen in China auf 812,178 Tsd., ein Antieg von rund 55% im Vergleich zum Vorjahr. Zum fünften Mal in Folge lagen die chinesischen Autoverkäufe über denen in den USA, wobei China auf dem guten Weg ist, in diesem Jahr über 10 Millionen neue Autos zugelassen.

Nickel erhält Schützenhilfe von der Meldung, dass Xstrata die Montcalm Mine in Kanada mit einer angestrebten Jahresproduktion von 9000 Tonnen Nickel wegen struktureller Schäden schliessen muss. Dennoch das Eis bleibt dünn: die Nachfrage ist trotz der optmistischen Erwartungen nach wie vor schwach und die Lagerbestände an der LME signalisieren noch keine Trendwende: lediglich bei Kupfer sind die Vorräte merklich gesunken, aber auch nur, weil das Reservebüro Chinas in den ersten Monaten massive Aufkäufe getätigt hat.

Unterdessen setzt sich die Erholung der Stahlproduktion in China fort: Ende Mai lag die tägliche Rohstahlproduktion bei 1,485 Mio. Tonnen im Vergleich zu 1,4 Mio. im März/April. Die jüngsten Zahlen entsprechen einer Jahresproduktion von 544 Mio Tonnen, obwohl laut dem Industrie-ministerum der heimische Markt lediglich 470 Mio Tonnen benötigt. Um die Ausfuhrperspektiven zu verbessern, gewährt die Regierung eine Steuerrückerstattung von 9% auf warmgewaltzten Stahl ab 1.Juni . Der Streit mit den Handelspartnern dürfte dadurch weiter angeheizt werden.


Agrarrohstoffe:

Die heutige Meldung seitens des USDA wird mit Aufmerksamkeit verfolgt; wir erwarten dadurch positive Impulse für unsere Favoriten Weizen und Mais. Zwar dürfte die neue Schätzung zu Sojabohnen diese kurzfristig unterstützen. Jedoch erachten wird den Preisanstieg bei Sojabohnen als ausgereizt.

Dazu könnte ein möglicher Preisrückgang bei Palmöl, einem Konkurrenzprodukt zu Sojaöl, beitragen, nachdem im Gegensatz zu Markterwartungen die Malaysische Börse heute einen Anstieg der Palmöllagerbestände um 5,7% berichtet hat. Mittelfristig dürfte der Sojabohnenpreis durch den Importsog Chinas gut unterstützt bleiben. Für den Monat Mai hat zwar das Handelsministerium die Sojabohnen-Importe Chinas von zuvor 4,29 Mio. um 8% auf 3,96 Mio. nach unten revidiert. Gleichzeitig hat man aber die Importschätzung für Juni auf den Rekordwert von 4,62 Mio. Scheffel angehoben. Im April hatte das Land, das mittlerweile der größte Sojabohnenimporteur weltweit ist, "lediglich" 3,71 Mio. Tonnen eingeführt.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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