Rohstoffpreise trotzen den Fundamentaldaten
23.07.2009 | Eugen Weinberg
Energie
Die US-Rohöllagerbestände sind nach Angaben des US-Energieministeriums um 1,8 Millionen Barrel zurückgegangen, was im Gegensatz zu den Daten des API vom Vortag stand und somit dem WTI-Ölpreis wieder über die Marke von 65 USD je Barrel verhalf. Ein deutlicher Rückgang der Rohölimporte war für den Lagerabbau verantwortlich. Die Raffinerien fragten dagegen erheblich weniger Rohöl nach. Trotz der gesunkenen Raffinerieauslastung stiegen die Lagerbestände für Ölprodukte weiter an, was auf eine anhaltend schwache Endnachfrage hindeutet.
Die Lagerbestände in Cushing sind nur noch um 8 Tsd. Barrel gestiegen, was gegen eine weitere Versteilung der Terminkurve spricht. Doch nicht nur in den USA wird weniger Rohöl verbraucht. Die Rohölimporte in Japan, dem drittgrößten Ölverbraucher weltweit, fielen im Juni um 19% gegenüber dem Vorjahr auf das niedrigste Niveau seit 18 Jahren. Im ersten Halbjahr sanken die Rohölimporte um 15%. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen. Lediglich in China hat sich die Ölnachfrage bislang spürbar erholt. Dies unterstreicht unsere skeptische Haltung zum derzeitigen Niveau der Ölpreise.
Die Frachtraten für Rohöltanker sind zuletzt massiv unter Druck gekommen (siehe Grafik des Tages). Auch dies deutet auf eine geringere Endnachfrage hin. Auch scheint die Nachfrage nach Rohöltankern zu Lagerzwecken zurückzugehen, weil die Preise stark gestiegen sind und die Terminkurve bei Rohöl nicht mehr so steil wie früher ist. Dies erschwert Arbitrage entlang der Terminkurve bei Rohöl erheblich. Die Frachtraten für Ölprodukttanker sind dagegen nicht so stark gefallen, weil insbesondere die Terminkurve bei Diesel und anderen Mitteldestillaten aufgrund der rekordhohen Lagerbestände weltweit sehr steil ist, was eine Arbitrage durch physische Einlagerung bei gleichzeitigem Terminverkauf begünstigt.
Edelmetalle
Der Goldpreis kann sich weiter über der Marke von 950 USD je Feinunze behaupten. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Goldbestände von SPDR Gold Trust gestern erneut um 5,8 Tonnen zurückgingen. Zudem signalisierte der Fed-Vorsitzende Bernanke vor dem US-Kongress Bereitschaft, die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation notfalls auch bei einer schwächelnden Konjunktur anzuheben. Gestern hat der World Gold Council seinen Quartalsbericht zu den Investmenttrends vorgelegt. Demnach stiegen die Goldbestände der ETFs im zweiten Quartal um 46 Tonnen, was eine deutliche Verlangsamung gegenüber den 459 Tonnen im ersten Quartal bedeutet. Insgesamt hielten die ETFs Ende des zweiten Quartals 1.694 Tonnen Gold. Lediglich fünf Zentralbanken in der Welt horten damit mehr Gold in ihren Tresoren.
Interessant ist auch, dass nicht mehr der weltgrößte Gold ETF, SPDR Gold Trust, sondern die ETFs von ZKB und Julius Bär die stärksten Zuflüsse verzeichneten. Dies kann eine Erklärung dafür sein, dass die Abflüsse aus dem SPDR Gold Trust den Goldpreis zuletzt nicht mehr nennenswert belasteten.
Industriemetalle
Der LME-Industriemetallindex ist gestern auf neues 9-Monatshoch geklettert. Dank der besseren Hauspreisdaten in den USA und Angebotssorgen in Chile ist Kupfer auf über 5500 USD je Tonne gestiegen und hat sich damit vom Tief Ende Dezember fast verdoppelt.
BHP gab bekannt, dass man eine der beiden wichtigen Zerkleinerungsanlagen auf der größten Kupfermine der Welt, Escondida, für 45 Tage schließen wird, um defekte Teile auszutauschen. Im Vorjahr haben unter anderem operative Probleme zum 38%-igen Rückgang der Kupferproduktion auf Escondida beigetragen. Gestern wurden außerdem Probleme bei der drittgrößten Kupfermine in Chile, Collahuasi, gemeldet, nachdem eine Explosion im Kontrollzentrum das Transportband funktionsunfähig gemacht hat, das das Erz von der Mine zur Zerkleinerungsanlage befördert hat. Da man nun das Erz mit den LKWs transportieren muss, erwartet der Chef der Collahuasi Gewerkschaft, dass die Produktion in den nächsten Wochen um die Hälfte fallen wird.
Dennoch sehen wir dies lediglich als Begründung, den Kupferpreis steigen zu lassen und führen den Preisanstieg in erster Linie auf spekulative Kräfte zurück. Laut LME-Statistik verfügt derzeit ein Marktteilnehmer über mehr als 50% aller LME-Lagerscheine bzw. Lagerbestände. Die hohe Konzentration erklärt auch, warum die Preise noch nicht auf den jüngsten Anstieg der LME-Kupferlagerbestände um 14,8 Tsd. Tonnen bzw. 5,8% reagiert haben.
Agrarrohstoffe:
Die Sojabohnenernte dürfte im neuen Erntejahr nicht nur in den USA deutlich ansteigen. Der Analysedienst Oil World rechnet im kommenden Frühjahr mit einer Rekordernte in Argentinien in Höhe von 52 Mio. Tonnen, was einem Anstieg um 60% ggü. der dürrebedingten Missernte im Jahr zuvor entspricht. Die Ernte in Brasilien dürfte Oil World zufolge ebenfalls um 8% auf 61,6 Mio. Tonnen steigen. Die massive Ausweitung des Angebots in den drei wichtigsten Produzentenländern sprechen mittel- bis langfristig für niedrigere Sojabohnenpreise. Dies lässt sich auch an der Terminkurve ablesen, welche in den kommenden Monaten einen Sojabohnen-preis von 9 USD je Scheffel impliziert. Gegenwärtig handeln Sojabohnen an der NYBOT bei 10,3 USD je Scheffel. Wir rechnen aufgrund der rekordniedrigen Lagerbestände in den USA und der robusten Nachfrage aus China zwar mit etwas höheren Preisen. Kurzfristig kann ein erneuter Preisrückgang unter 10 USD nicht ausgeschlossen werden.
Der Kakaopreis in New York ist gestern um 4% auf 2.750 USD je Tonne gefallen. Nachdem es nicht gelang, die Marke von 2.900 USD je Tonne zu überwinden, kam es zu Gewinnmitnahmen. Durch den Rückgang unter die 1.800 GBP-Marke beim an der LIFFE gehandelten Kakao-Future wurden u.E. Stop-Losses ausgelöst, welche den Preisrückgang verstärkten. Kurzfristig scheint das Aufwärtspotenzial bei Kakao nach dem Anstieg um knapp 20% in nur zwei Wochen ausgereizt.
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Die US-Rohöllagerbestände sind nach Angaben des US-Energieministeriums um 1,8 Millionen Barrel zurückgegangen, was im Gegensatz zu den Daten des API vom Vortag stand und somit dem WTI-Ölpreis wieder über die Marke von 65 USD je Barrel verhalf. Ein deutlicher Rückgang der Rohölimporte war für den Lagerabbau verantwortlich. Die Raffinerien fragten dagegen erheblich weniger Rohöl nach. Trotz der gesunkenen Raffinerieauslastung stiegen die Lagerbestände für Ölprodukte weiter an, was auf eine anhaltend schwache Endnachfrage hindeutet.
Die Lagerbestände in Cushing sind nur noch um 8 Tsd. Barrel gestiegen, was gegen eine weitere Versteilung der Terminkurve spricht. Doch nicht nur in den USA wird weniger Rohöl verbraucht. Die Rohölimporte in Japan, dem drittgrößten Ölverbraucher weltweit, fielen im Juni um 19% gegenüber dem Vorjahr auf das niedrigste Niveau seit 18 Jahren. Im ersten Halbjahr sanken die Rohölimporte um 15%. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen. Lediglich in China hat sich die Ölnachfrage bislang spürbar erholt. Dies unterstreicht unsere skeptische Haltung zum derzeitigen Niveau der Ölpreise.
Die Frachtraten für Rohöltanker sind zuletzt massiv unter Druck gekommen (siehe Grafik des Tages). Auch dies deutet auf eine geringere Endnachfrage hin. Auch scheint die Nachfrage nach Rohöltankern zu Lagerzwecken zurückzugehen, weil die Preise stark gestiegen sind und die Terminkurve bei Rohöl nicht mehr so steil wie früher ist. Dies erschwert Arbitrage entlang der Terminkurve bei Rohöl erheblich. Die Frachtraten für Ölprodukttanker sind dagegen nicht so stark gefallen, weil insbesondere die Terminkurve bei Diesel und anderen Mitteldestillaten aufgrund der rekordhohen Lagerbestände weltweit sehr steil ist, was eine Arbitrage durch physische Einlagerung bei gleichzeitigem Terminverkauf begünstigt.
Edelmetalle
Der Goldpreis kann sich weiter über der Marke von 950 USD je Feinunze behaupten. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Goldbestände von SPDR Gold Trust gestern erneut um 5,8 Tonnen zurückgingen. Zudem signalisierte der Fed-Vorsitzende Bernanke vor dem US-Kongress Bereitschaft, die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation notfalls auch bei einer schwächelnden Konjunktur anzuheben. Gestern hat der World Gold Council seinen Quartalsbericht zu den Investmenttrends vorgelegt. Demnach stiegen die Goldbestände der ETFs im zweiten Quartal um 46 Tonnen, was eine deutliche Verlangsamung gegenüber den 459 Tonnen im ersten Quartal bedeutet. Insgesamt hielten die ETFs Ende des zweiten Quartals 1.694 Tonnen Gold. Lediglich fünf Zentralbanken in der Welt horten damit mehr Gold in ihren Tresoren.
Interessant ist auch, dass nicht mehr der weltgrößte Gold ETF, SPDR Gold Trust, sondern die ETFs von ZKB und Julius Bär die stärksten Zuflüsse verzeichneten. Dies kann eine Erklärung dafür sein, dass die Abflüsse aus dem SPDR Gold Trust den Goldpreis zuletzt nicht mehr nennenswert belasteten.
Industriemetalle
Der LME-Industriemetallindex ist gestern auf neues 9-Monatshoch geklettert. Dank der besseren Hauspreisdaten in den USA und Angebotssorgen in Chile ist Kupfer auf über 5500 USD je Tonne gestiegen und hat sich damit vom Tief Ende Dezember fast verdoppelt.
BHP gab bekannt, dass man eine der beiden wichtigen Zerkleinerungsanlagen auf der größten Kupfermine der Welt, Escondida, für 45 Tage schließen wird, um defekte Teile auszutauschen. Im Vorjahr haben unter anderem operative Probleme zum 38%-igen Rückgang der Kupferproduktion auf Escondida beigetragen. Gestern wurden außerdem Probleme bei der drittgrößten Kupfermine in Chile, Collahuasi, gemeldet, nachdem eine Explosion im Kontrollzentrum das Transportband funktionsunfähig gemacht hat, das das Erz von der Mine zur Zerkleinerungsanlage befördert hat. Da man nun das Erz mit den LKWs transportieren muss, erwartet der Chef der Collahuasi Gewerkschaft, dass die Produktion in den nächsten Wochen um die Hälfte fallen wird.
Dennoch sehen wir dies lediglich als Begründung, den Kupferpreis steigen zu lassen und führen den Preisanstieg in erster Linie auf spekulative Kräfte zurück. Laut LME-Statistik verfügt derzeit ein Marktteilnehmer über mehr als 50% aller LME-Lagerscheine bzw. Lagerbestände. Die hohe Konzentration erklärt auch, warum die Preise noch nicht auf den jüngsten Anstieg der LME-Kupferlagerbestände um 14,8 Tsd. Tonnen bzw. 5,8% reagiert haben.
Agrarrohstoffe:
Die Sojabohnenernte dürfte im neuen Erntejahr nicht nur in den USA deutlich ansteigen. Der Analysedienst Oil World rechnet im kommenden Frühjahr mit einer Rekordernte in Argentinien in Höhe von 52 Mio. Tonnen, was einem Anstieg um 60% ggü. der dürrebedingten Missernte im Jahr zuvor entspricht. Die Ernte in Brasilien dürfte Oil World zufolge ebenfalls um 8% auf 61,6 Mio. Tonnen steigen. Die massive Ausweitung des Angebots in den drei wichtigsten Produzentenländern sprechen mittel- bis langfristig für niedrigere Sojabohnenpreise. Dies lässt sich auch an der Terminkurve ablesen, welche in den kommenden Monaten einen Sojabohnen-preis von 9 USD je Scheffel impliziert. Gegenwärtig handeln Sojabohnen an der NYBOT bei 10,3 USD je Scheffel. Wir rechnen aufgrund der rekordniedrigen Lagerbestände in den USA und der robusten Nachfrage aus China zwar mit etwas höheren Preisen. Kurzfristig kann ein erneuter Preisrückgang unter 10 USD nicht ausgeschlossen werden.
Der Kakaopreis in New York ist gestern um 4% auf 2.750 USD je Tonne gefallen. Nachdem es nicht gelang, die Marke von 2.900 USD je Tonne zu überwinden, kam es zu Gewinnmitnahmen. Durch den Rückgang unter die 1.800 GBP-Marke beim an der LIFFE gehandelten Kakao-Future wurden u.E. Stop-Losses ausgelöst, welche den Preisrückgang verstärkten. Kurzfristig scheint das Aufwärtspotenzial bei Kakao nach dem Anstieg um knapp 20% in nur zwei Wochen ausgereizt.
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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