Ölpreis - Kann Glaube Berge versetzen?
01.09.2009 | Eugen Weinberg
Energie
Der Ölpreis ist gestern trotz der überraschend guten Konjunkturdaten in Japan und den USA um über drei US-Dollar auf fast 69 USD je Barrel gefallen. Wir denken, dass die Preise auch kurzfristig Korrekturpotenzial haben. Die kräftigen Verluste am chinesischen Aktienmarkt, wobei sich dieser heute nicht erholen konnte, lassen nichts Gutes erahnen. Diese zeigen wie die Märkte reagieren können, wenn sie sich zu sehr von den Fundamentaldaten entfernen und der Treibstoff der Rally, nämlich die extrem hohe Liquidität, versiegt.
Wer jetzt in Rohöl investiert, muss einen starken Glauben haben. Zum einen muss man daran glauben, dass sich die Ölnachfrage außerhalb Chinas bald erholt. Zum anderen muss man glauben, dass sich die OPEC-Disziplin trotz der höheren Preise wieder verbessert, damit die immensen weltweiten Lagerbestände spürbar sinken. Nicht zuletzt muss man glauben, dass sich die chinesischen Aktien wieder erholen werden. Insbesondere muss man überzeugt sein, dass die Preise stärker steigen als von der Terminkurve angenommen (siehe Grafik des Tages).
Die Spotkurse für die Frachraten der Großtanker, VLCCs, sind zuletzt auf 8100 USD pro Tag gefallen, ein Rückgang von fast 60% binnen nur einer Woche. Obwohl die Terminpreise nach wie vor über 20.000 USD notieren, deutet die jüngste Entwicklung aus unserer Sicht auf eine schwache physische Nachfrage hin. Auch macht zurzeit die "Umdefinierung" eines Tankers zum schwimmenden Lager wegen der flachen Terminkurve wenig Sinn, was die "Vorratskäufe" einschränkt. Aktuell werden laut IEA weiterhin 55 Mio. Barrel Rohöl und 60 Mio. Barrel an Ölprodukten in Tankschiffen gelagert. Die OPEC ist über die immensen Lagerbestände auf Land und auf hoher See besorgt und will das beim Treffen nächste Woche thematisieren.
Edelmetalle
Gold verharrt wenig verändert bei 955 USD je Unze. Der schwächere US-Dollar und der gefallene Ölpreis glichen sich von ihrer Wirkung her in etwa aus. Während SPDR Gold Trust seit einer Woche unveränderte Goldbestände meldet und seit Anfang Juni Abflüsse von gut 2,3 Mio. Unzen verzeichnete, vermelden die kleineren Gold ETFs weiterhin rege Zuflüsse. Die Goldbestände der ETFs von Julius Bär und ZKB stiegen gestern auf 4,8 bzw. 1,98 Mio. Unzen, was jeweils ein neuer Rekordwert ist. Die Goldbestände von ETF Securities stiegen letzte Woche um 6,1% und liegen bei knapp 8 Mio. Unzen ebenfalls auf einem Rekordhoch. Auch die ETFs für andere Edelmetalle verzeichnen Zuflüsse.
Der Palladium-ETF von ETF Securities stieg auf ein Rekordhoch von 394.218 Unzen, was mit dazu beitrug, dass der Palladiumpreis auf ein 12-Monatshoch von 293 USD je Unze steigen konnte. Der Platin-ETF von ZKB vermeldet Zuflüsse von 4,5% auf 184.330 Unzen. Offensichtlich setzen die Anleger auf eine Fortsetzung des Streiks in Südafrika mit entsprechenden Produktionsausfällen. Skeptisch bei Platin stimmt die extreme Netto-Long Positionierung der spekulativen Anleger.
Industriemetalle
Heute sollten die LME-Metallpreise die Verluste nachvollziehen, welche die Metalle gestern an den Börsen in Shanghai und New York einfuhren. Wir führen die Kursverluste nicht auf die Veränderung der Nachfragesituation zurück - diese hat sich ganz im Gegenteil zuletzt sogar etwas verbessert - sondern auf die vorherige massive Aufwertung, die nicht fundamental nachvollziehbar war. Die Preise für Kupfer, Nickel und andere Industriemetalle haben sich dabei zu sehr von den Niveaus entfernt, die man mit Angebot und Nachfrage erklären könnte. Steigende LME-Lagerbestände, fallende Frachtraten und der von uns erwartete Rückgang der chinesischen Metallimporte sollten der jüngsten Rallye ein Ende bereiten.
Die Eisenerzpreise in China sind zuletzt erneut von zuvor 108 USD auf 96 USD/Tonne gefallen, obwohl auch die Tankerraten stark zurückkamen. Für die Eisenerzimporte aus Brasilien müssen chinesische Abnehmer nämlich derzeit 29 USD/Tonne bezahlen, für die aus Australien sogar nur 12 USD/Tonne. Dies sollte eigentlich mehr Raum für die Eisenerzpreise selbst lassen. Ihr Rückgang deutet auf eine Nachfrageschwäche und eine allmähliche Sättigung des chinesischen Marktes hin, nachdem China in den ersten sieben Monaten 355,25 Mio. Tonnen Eisenerz zu einem Durchschnittspreis von 75,75 USD/Tonne importiert hat. Die Lagerbestände von Eisenerz in den chinesischen Häfen befinden sich mit 75,3 Mio. Tonnen fast auf Allzeithoch. Niedrige Imputpreise lassen den Stahlherstellern wenig Spielraum für weitere Preiserhöhungen.
Agrarrohstoffe
Die Rohzuckerpreise an der NYBOT haben gestern ein neues 28-Jahreshoch markiert und notieren mittlerweile bei mehr als 24 US-Cents pro Pfund, was einer Verdoppelung seit Jahresbeginn entspricht. Wir weisen seit einiger Zeit darauf hin, dass der Anstieg der Preise hauptsächlich fundamentaler Natur ist und wegen der akuten Knappheit noch einige Monate andauern kann. Im nächsten Jahr dürfte zwar eine Ausweitung der Zuckerproduktion in Brasilien dem Anstieg ein Ende bereiten und die Preise wieder auf ca. 15 US-Cents fallen lassen, zumal der von uns erwartete Preisverfall bei Rohöl die alternative Verwendung von Zuckerrohr, nämlich die Ethanolherstellung, unattraktiv macht. Für die nächsten Monate sind wir jedoch positiv für den Zuckerpreis gestimmt und sehen dabei Potenzial für einen Preisanstieg auf 30 US-Cents.
Die Getreidepreise bleiben aufgrund der voranschreitenden Ernte weiterhin unter Druck. Laut dem gestern vom US-Landwirtschaftsministerium veröffentlichten Erntefortschrittsbericht sind 69% der Maisernte in guter bis sehr guter Qualität, verglichen mit 61% vor einem Jahr. Bei Sommerweizen liegt dieser Anteil sogar bei 75%. Vor einem Jahr waren es nur 62%. Allerdings hinkt die Ernte dem 5-Jahresdurchschnitt weiterhin um etwa zwei Wochen hinterher, was insbesondere bei Mais zu geringeren Ernteerträgen führen kann.
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Der Ölpreis ist gestern trotz der überraschend guten Konjunkturdaten in Japan und den USA um über drei US-Dollar auf fast 69 USD je Barrel gefallen. Wir denken, dass die Preise auch kurzfristig Korrekturpotenzial haben. Die kräftigen Verluste am chinesischen Aktienmarkt, wobei sich dieser heute nicht erholen konnte, lassen nichts Gutes erahnen. Diese zeigen wie die Märkte reagieren können, wenn sie sich zu sehr von den Fundamentaldaten entfernen und der Treibstoff der Rally, nämlich die extrem hohe Liquidität, versiegt.
Wer jetzt in Rohöl investiert, muss einen starken Glauben haben. Zum einen muss man daran glauben, dass sich die Ölnachfrage außerhalb Chinas bald erholt. Zum anderen muss man glauben, dass sich die OPEC-Disziplin trotz der höheren Preise wieder verbessert, damit die immensen weltweiten Lagerbestände spürbar sinken. Nicht zuletzt muss man glauben, dass sich die chinesischen Aktien wieder erholen werden. Insbesondere muss man überzeugt sein, dass die Preise stärker steigen als von der Terminkurve angenommen (siehe Grafik des Tages).
Die Spotkurse für die Frachraten der Großtanker, VLCCs, sind zuletzt auf 8100 USD pro Tag gefallen, ein Rückgang von fast 60% binnen nur einer Woche. Obwohl die Terminpreise nach wie vor über 20.000 USD notieren, deutet die jüngste Entwicklung aus unserer Sicht auf eine schwache physische Nachfrage hin. Auch macht zurzeit die "Umdefinierung" eines Tankers zum schwimmenden Lager wegen der flachen Terminkurve wenig Sinn, was die "Vorratskäufe" einschränkt. Aktuell werden laut IEA weiterhin 55 Mio. Barrel Rohöl und 60 Mio. Barrel an Ölprodukten in Tankschiffen gelagert. Die OPEC ist über die immensen Lagerbestände auf Land und auf hoher See besorgt und will das beim Treffen nächste Woche thematisieren.
Edelmetalle
Gold verharrt wenig verändert bei 955 USD je Unze. Der schwächere US-Dollar und der gefallene Ölpreis glichen sich von ihrer Wirkung her in etwa aus. Während SPDR Gold Trust seit einer Woche unveränderte Goldbestände meldet und seit Anfang Juni Abflüsse von gut 2,3 Mio. Unzen verzeichnete, vermelden die kleineren Gold ETFs weiterhin rege Zuflüsse. Die Goldbestände der ETFs von Julius Bär und ZKB stiegen gestern auf 4,8 bzw. 1,98 Mio. Unzen, was jeweils ein neuer Rekordwert ist. Die Goldbestände von ETF Securities stiegen letzte Woche um 6,1% und liegen bei knapp 8 Mio. Unzen ebenfalls auf einem Rekordhoch. Auch die ETFs für andere Edelmetalle verzeichnen Zuflüsse.
Der Palladium-ETF von ETF Securities stieg auf ein Rekordhoch von 394.218 Unzen, was mit dazu beitrug, dass der Palladiumpreis auf ein 12-Monatshoch von 293 USD je Unze steigen konnte. Der Platin-ETF von ZKB vermeldet Zuflüsse von 4,5% auf 184.330 Unzen. Offensichtlich setzen die Anleger auf eine Fortsetzung des Streiks in Südafrika mit entsprechenden Produktionsausfällen. Skeptisch bei Platin stimmt die extreme Netto-Long Positionierung der spekulativen Anleger.
Industriemetalle
Heute sollten die LME-Metallpreise die Verluste nachvollziehen, welche die Metalle gestern an den Börsen in Shanghai und New York einfuhren. Wir führen die Kursverluste nicht auf die Veränderung der Nachfragesituation zurück - diese hat sich ganz im Gegenteil zuletzt sogar etwas verbessert - sondern auf die vorherige massive Aufwertung, die nicht fundamental nachvollziehbar war. Die Preise für Kupfer, Nickel und andere Industriemetalle haben sich dabei zu sehr von den Niveaus entfernt, die man mit Angebot und Nachfrage erklären könnte. Steigende LME-Lagerbestände, fallende Frachtraten und der von uns erwartete Rückgang der chinesischen Metallimporte sollten der jüngsten Rallye ein Ende bereiten.
Die Eisenerzpreise in China sind zuletzt erneut von zuvor 108 USD auf 96 USD/Tonne gefallen, obwohl auch die Tankerraten stark zurückkamen. Für die Eisenerzimporte aus Brasilien müssen chinesische Abnehmer nämlich derzeit 29 USD/Tonne bezahlen, für die aus Australien sogar nur 12 USD/Tonne. Dies sollte eigentlich mehr Raum für die Eisenerzpreise selbst lassen. Ihr Rückgang deutet auf eine Nachfrageschwäche und eine allmähliche Sättigung des chinesischen Marktes hin, nachdem China in den ersten sieben Monaten 355,25 Mio. Tonnen Eisenerz zu einem Durchschnittspreis von 75,75 USD/Tonne importiert hat. Die Lagerbestände von Eisenerz in den chinesischen Häfen befinden sich mit 75,3 Mio. Tonnen fast auf Allzeithoch. Niedrige Imputpreise lassen den Stahlherstellern wenig Spielraum für weitere Preiserhöhungen.
Agrarrohstoffe
Die Rohzuckerpreise an der NYBOT haben gestern ein neues 28-Jahreshoch markiert und notieren mittlerweile bei mehr als 24 US-Cents pro Pfund, was einer Verdoppelung seit Jahresbeginn entspricht. Wir weisen seit einiger Zeit darauf hin, dass der Anstieg der Preise hauptsächlich fundamentaler Natur ist und wegen der akuten Knappheit noch einige Monate andauern kann. Im nächsten Jahr dürfte zwar eine Ausweitung der Zuckerproduktion in Brasilien dem Anstieg ein Ende bereiten und die Preise wieder auf ca. 15 US-Cents fallen lassen, zumal der von uns erwartete Preisverfall bei Rohöl die alternative Verwendung von Zuckerrohr, nämlich die Ethanolherstellung, unattraktiv macht. Für die nächsten Monate sind wir jedoch positiv für den Zuckerpreis gestimmt und sehen dabei Potenzial für einen Preisanstieg auf 30 US-Cents.
Die Getreidepreise bleiben aufgrund der voranschreitenden Ernte weiterhin unter Druck. Laut dem gestern vom US-Landwirtschaftsministerium veröffentlichten Erntefortschrittsbericht sind 69% der Maisernte in guter bis sehr guter Qualität, verglichen mit 61% vor einem Jahr. Bei Sommerweizen liegt dieser Anteil sogar bei 75%. Vor einem Jahr waren es nur 62%. Allerdings hinkt die Ernte dem 5-Jahresdurchschnitt weiterhin um etwa zwei Wochen hinterher, was insbesondere bei Mais zu geringeren Ernteerträgen führen kann.
Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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