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"And then, Alas, it‘s too late"

20.05.2005  |  Claus Vogt
"And then, Alas, it‘s too late" ... Und dann, Alan, ist es zu spät. (Sehr freie Übersetzung des Autors)


Ein Kernstück der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist die Theorie des Wirtschaftszyklus. In einer groben Kurzfassung lautet sie folgendermaßen:

Konsumenten planen ihre Ausgaben und ihre Ersparnisse und Produzenten planen ihre Investitionen. Die zentrale Rolle für die gesamtwirtschaftliche Koordination dieser Pläne im Zeitablauf spielt der Zinssatz. Er ermöglicht die effiziente Abstimmung dieser unüberschaubaren Menge verschiedener Pläne. Eine effiziente Koordination kann selbstverständlich nur durch den Mechanismus freier Märkte erfolgen. Je unübersichtlicher und komplexer die Welt, desto dringender wird die Notwendigkeit des Marktmechanismus, um alle vorhandenen Informationen für die Preisfindung verarbeiten zu können. Dieser Zusammenhang gilt selbstverständlich nicht nur für Butter und Brot, sondern auch für den Preis des Geldes, den Zins. Eingriffe in den Markt für Geld führen also über systematisch falsche Zinssignale zu systematisch falschen Investitionsplänen und verleiten die Konsumenten zu systematisch falschen Sparquoten. Im Zeitablauf entstehen aus diesem Grund enorme Ungleichgewichte und eine nicht tragfähige Wirtschaftsstruktur. Die Stunde der Wahrheit wird nach diesem Modell unvermeidlich dann kommen, wenn die geldpolitischen Manipulationen beendet werden (müssen) oder nicht mehr greifen.

Nach nunmehr 8 Zinserhöhungen scheinen die USA sich diesem Punkt jetzt unaufhaltsam zu nähern. Jedenfalls mehren sich die Zeichen einer deutlichen wirtschaftlichen Abschwächung. Unterstützung erfährt diese Einschätzung vor allem von der sich rapide verschlechternden technischen Verfassung der US-Börsen. Unser Prognosemodell der US-Börsen befindet sich in der negativsten möglichen Konstellation. Nicht immer kam es in der Vergangenheit zu deutlichen Kurseinbrüchen, nachdem das Modell zu größter Vorsicht mahnte. Aber alle großen Kursrückgänge fanden dann statt, wenn das Modell eindeutig negativ war.

Trotz der historisch einmaligen geld- und fiskalpolitischen Ankurbelungsmaßnahmen war die wirtschaftliche Erholung der vergangenen beiden Jahre in den USA die schwächste der Nachkriegszeit. Wir haben unter Bezugnahme auf die Österreichische Theorie des Wirtschaftszyklus immer wieder darauf hingewiesen, dass dieser Aufschwung lediglich ein kurzfristiges, künstliches und nicht tragfähiges Zwischenspiel darstellt und dass die Stunde der Wahrheit noch bevorsteht. Die Entwicklungen der letzten Wochen und Monate bestätigen uns erneut in dieser Meinung, die nur von wenigen Analysten geteilt wird.


Pail Vocker spricht klartext

Ein besonders prominenter Mann, dem die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre ebenfalls nicht entgangen sind, ist Paul Volcker, der Amtsvorgänger des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan. Volcker, von 1979 bis 1987 Präsident der Fed, verordnete seinerzeit Amerika die zur Beendigung der in den 1970er Jahren stark angestiegenen Inflation dringend notwendige geldpolitische Rosskur. Er gilt als Koryphäe seines Fachs und als unbeugsame staatsmännische Persönlichkeit von unzweifelhaftem Charakter.

Unter der Überschrift "An Economy On Thin Ice" hat Volcker jetzt in der Washington Post mit erstaunlich deutlichen Worten einige der ökonomischen Missstände in den USA beim Namen genannt. "Unter der ruhigen Oberfläche gibt es beunruhigende Trends; gewaltige Ungleichgewichte, Unausgewogenheiten, Risiken - wie immer man es nennen möchte. Zusammengenommen erscheint mir die Lage so gefährlich und schwer zu bewältigen zu sein wie irgendeine, an die ich mich erinnern kann, und ich kann mich an viele erinnern. Was mich wirklich beunruhigt, ist der mangelnde Wille oder die mangelnde Fähigkeit, etwas dagegen zu unternehmen." Anschließend befasst Volcker sich mit einigen dieser auch von mir immer wieder genannten Ungleichgewichte. Er nennt die extrem niedrige US-Sparquote und die Abhängigkeit der USA von ausländischen Kapitalzuflüssen, die nicht etwa aus der Privatwirtschaft kommen, sondern vor allem von asiatischen Notenbanken. Sein Fazit zu diesem Problem: "Die Schwierigkeit besteht darin, dass dieses scheinbar bequeme Muster nicht ewig weitergehen kann." Danach diskutiert er Maßnahmen, um die bestehenden Probleme lösen zu können und stellt die Frage, ob denn in absehbarer Zeit Aussicht auf die Durchführung irgendeiner dieser Maßnahmen bestehe. "Die Antwort ist nein. Folglich glaube ich, dass wir uns auf zunehmend dünner werdendem Eis bewegen."

Wie unsere regelmäßigen Leser wissen, teilen wir diese überaus realistische Einschätzung der Situation und machen in Übereinstimmung mit der Theorie des Wirtschaftszyklus vor allem die seit Jahren vollkommen verfehlte Geldpolitik der Ära Greenspan für die Missstände verantwortlich. Ohne seinen Nachfolger beim Namen zu nennen, scheint Volcker, der einst mächtigste Notenbanker der Welt, derselben Meinung zu sein, wenn er gegen Ende seiner Kolumne seinen Standpunkt noch einmal unmissverständlich klar macht: "Ich schlage nichts Unorthodoxes oder Obskures vor. (...) Wovon ich hier rede, lässt sich auf die älteste Lektion der Wirtschaftspolitik reduzieren: Ein klares Bekenntnis zu monetärer und fiskalischer Disziplin."

Die Dringlichkeit seines Anliegens macht Volcker am Ende seines Artikels deutlich:
"Ein weiser Beobachter der Wirtschaftsszene kommentierte einst, dass alles, "was auf später verschoben werden kann, gewöhnlich auch verschoben wird - und dann, leider, ist es zu spät." ("what can be left to later, usually is - and then, alas, it’s too late.") Ich möchte diesen Ausspruch nicht zur Grabinschrift einer beispiellosen Erfolgsperiode der amerikanischen Wirtschaft und des enormen Potenzials der ganzen Welt werden lassen."

Nicht nur die große Ähnlichkeit der beiden Wörter "alas" und "Alan", sondern in erster Linie natürlich die seit Jahren völlig undisziplinierte Geldpolitik der Ära Alan Greenspan zwingen uns förmlich eine nur von Paul Volcker selbst zu beantwortende Frage auf: Sieht Volcker in seinem Nachfolger Greenspan den potenziellen Totengräber des amerikanischen Erfolgsmodells?


"A term at the FED"

Als Angehörige einer weitgehend unverstandenen und ungeliebten Minderheit sind kompromisslose Freiheitsfreunde an Kummer und Anfeindungen gewöhnt. Das gilt natürlich nicht erst seit Herrn Münteferings populistischen Auftritten und auch bei weitem nicht nur für sein politisches Lager. Denn der größte Feind der Freiheit des Individuums ist bekanntermaßen ein starker Staat, egal welcher konkreten politischen Provenienz dieser auch sein mag. Um unsere bereits sehr ausgeprägte Leidensfähigkeit als Verfechter unverfälscht liberaler Positionen in einer Zeit hemmungsloser staatlicher Interventionen in allen Lebensbereichen weiter zu stählen, haben wir kürzlich erneut das im Juli 2004 erschienene Buch "A Term At The Fed" (Eine Amtszeit bei der US-Zentralbank) von Laurence H. Meyer, einem ausgewiesenen Interventionisten, zur Hand genommen.

Unter der Überschrift "Hybris" haben wir dieses auf seine Weise durchaus lehrreiche Buch eines Insiders der US-Notenbank bereits im November 2004 besprochen. Damals lag unser Augenmerk auf der so typischen Selbstüberschätzung moderner Möchtegern-"Wirtschaftslenker", die Meyer bereits in seinem Vorwort in schöner Klarheit auszusprechen weiß: "Die Fed und Geldpolitik, das ist die Geschichte darüber, wie wir am Ruder stehen, mit unseren Händen an dem großen Steuerrad, und durch den Sturm navigieren."

Unser Kommentar zu dieser Passage lautete folgendermaßen:
"Genau dieses von Hybris geprägte Bild versuchen die Notenbanker normalerweise ihrem Publikum immer und immer wieder vorzugaukeln und schmackhaft zu machen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch Professor Meyers Buch und bereitet uns beim Lesen eine nicht zu unterschätzende Pein. Schließlich wissen wir doch alle, dass Wohlstand nicht durch staatliche Manipulationen des Zinssatzes oder durch den Einsatz der Gelddruckmaschine entsteht, sondern durch Arbeit, Sparen, Investieren. Große und kleine Unternehmer und die von ihnen geschaffenen Arbeitsplätze und Produkte sorgen für Wachstum und Wohlstand. Politiker und ihre Bürokraten hingegen betreiben lediglich die Umverteilung dieses Wohlstands." Entweder tun sie das direkt und für jedermann sichtbar durch Steuern, oder indirekt, geradezu heimlich und schwer zu durchschauen unter Zuhilfenahme der fast mythischen Institution Zentralbank - durch Inflation.




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